Uns erwartete der schnellste Grenzübergang aller Zeiten! Die ecuadorianische Seite stempelte uns und Pancho innerhalb von 5 Minuten aus. Auf der Brücke über den Grenzfluss
mussten wir vor dem Schlagbaum nach Peru parken. Ein Herr der Autoeinfuhr kam uns entgegen und schrie „Borussia Dortmund“. Na gut spielten wir das alte Fußballspiel. Natürlich sind wir Fans von Borussia
und finden auch den peruanischen Fußball toll. Er eröffnete uns, dass sein Herz eigentlich für Bayern München schlägt und schlug uns lachend auf die
Schultern. Dann verwies er uns zur Immigration, einem winzigen Büro mit einem Mann, der uns in ein paar Minuten unser 90 Tage Visa ausstellte. Bis zu 180 Tage wären möglich gewesen, aber solange hatten wir nicht
vor zu bleiben. Zurück zur Autoeinfuhr, welche in ein paar Augenblicken erledigt war. Währenddessen machten wir bei einer Umfrage mit und bewerteten auf Spanisch (!) unsere Zufriedenheit mit dem Grenzposten in La
Balsa. In fast allen Punkten verteilten wir einen erhobenen Daumen, nur hätten wir uns einen Geldautomaten gewünscht und vor allem ein Büro der hiesigen Autoversicherung. Pancho war kostenfrei was die Einfuhr
betraf, musste aber versichert werden und wir wurden ermahnt schnellstmöglich eine Versicherung zu besorgen. Sollte nicht so einfach werden...
In 25 Minuten waren wir wieder im Fahrerhaus und unser Borussia-Bayern-Fan wuchtete die Schranke empor. Peru war eröffnet (Kartenlink).
Nur ca. 30 Millionen Einwohner leben in diesem extremen Land (45% mit indigener Abstammung) und dabei ist Peru mit 1.285.000 km² ein riesiges Land. Alleine in der Hauptstadt Lima leben ca. 8 Millionen Menschen. Es ist ca. 3,5-fach
so groß wie Deutschland und bietet wie die nördlichen Nachbarn (Ecuador und Kolumbien) einen Küstenstreifen, eine unfassbare Andenkette mit tiefen Canyons und dahinter das Tiefland des Amazonas. Die gesamte
Pazifikregion ist eine einzige Küstenwüste. Die Berge der Anden liegen zwischen 3.000 und 4.000 Höhenmeter, aber in Peru findet man ebenfalls Dutzende Gletschergipfel über 6.000 Meter. Tja und der Regenwald
bedeckt 60% des Landes im Osten.
Peru gilt als das Land mit der größten Artenvielfalt unter den Vögeln weltweit, ist aber eher dank der Inka-Festung Machu Picchu oder dem Titicacasee, dem größten
Hochlandsee der Welt bekannt. Dabei bietet Peru landschaftliche Wunder in Fülle, Tempelruinen die bis weit vor Christi Geburt zurück reichen und ethnische Nuancen die wir nie begreifen werden.
Peru ist einer der weltgrößten Produzenten für Gold, Silber und Kupfer, hat eine bedeutende Naturgas Förderung und ist der zweitgrößte Exporteur für
Fischereiprodukte. In keinem Land werden mehr Anchovis gefischt als in Peru.
Neben all den erwähnten Lorbeeren gilt Peru aber auch als armes, unsicheres und sehr verschmutztes Land. Darüber hinaus soll die Bevölkerung nicht immer gut auf Ausländer
zu sprechen sein. Beim lesen des Reiseführers kamen uns manche Bedenken. Welche Route wäre die beste, sollten wir überhaupt viel Zeit im Land verbringen, sollten wir alle Großstädte weglassen und
nach den Horrorgeschichten über die unglaubliche Abzocke am Machu Picchu diesen vielleicht auch von unserer Liste streichen?
Am Ende siegte wieder unsere Wissbegierde und die ersten Tage im Norden des Landes.
Also dort standen wir: Hinter dem Grenzfluss in La Balsa auf nur 800 Höhenmetern in den Anden. Vor uns 5 Häuser, grüne Berge und eine Asphaltstraße. Nach den letzten
beschwerlichen Kilometern in Ecuador eine Wohltat. Wir gaben Pancho die Sporen.
Überraschenderweise sahen wir keinerlei Müll, dafür Kaffee der zum trocknen auf der Straße auslag. Den ganzen Tag über sahen wir keinen Müll und wunderten
uns, dass uns Bauersfrauen auf den Reisfeldern zuwinkten. Dies alles passte nicht in unser Bild. Umso schöner die positive Entwicklung. Im ersten Städtchen hoben wir je 400 Nuevo Sol (1 Euro entsprechen 3,6 Sol)
ab, bekamen aber keine Autoversicherung. Am frühen Abend erreichten wir die Stadt Jaén und fragten dort in einem der vielen Versicherungsbüros. Die Dame müsste auf ihren Kollegen am nächsten Tag
warten hieß es und so liefen wir durch die lebendigen Straßen in Richtung Hauptplatz. In einem anderen Büro wurde uns mitgeteilt, dass seit 2017 nur noch in den Großstädten Autoversicherungen an
Ausländern ausgehändigt werden würden. Die nächsten Städte lagen über 500 km entfernt. Eine im Amazonas und die andere an Perus Nordküste. Beide wollten wir nicht besuchen... Anschließend
suchten wir lange bis wir eine ruhige und etwas ansprechendere Seitenstraße für unsere Nachtruhe fanden.
Am Morgen versuchten wir ein weiteres Mal unser Glück, bekamen aber nur Absagen in den Büros der SOAT-Versicherungen. Ohne zu zögern marschierten wir im Hauptpräsidium
der Polizei ein. Per Handschlag wurden wir begrüßt und ein Beamter nahm sich unser an. Er wollte kaum glauben was wir ihm berichteten und begleitete uns zur nächsten SOAT. Dort bekam er die gleiche Abfuhr wie
wir am Vortag ☺. Zurück auf der Wache stempelte er uns einen Zettel mit den Durchwahlen des Chefs und seines Vertreters. Dazu schrieb er noch seinen Namen und eine
24 Stunden Servicenummer. Im Falle einer Kontrolle, oder falls korrupte Beamte uns stoppen sollten, sollen wir uns sofort bei ihnen melden. Sie würden die Dinge regeln hieß es! Von wegen die Polizei sei korrupt in Peru, super waren sie.
Etwas beruhigter fuhren wir weiter und wieder sahen wir nirgends Müll und die Leute winkten, grüßten und waren extrem freundlich. Auch landschaftlich konnten wir nicht
klagen. Wir fuhren auf der 5N und bogen bald hinter Jaén an den Flusslauf des Río Utcubamba und gewannen langsam an Höhe. Noch nie sind wir so weit und so nah an einem Fluss entlang gefahren. Erst in 180
km auf 2.300 Meter Höhe sollte wir den Fluss, der nie weiter als etwa 30 Meter meist aber direkt neben der Straße verlief, Adieu sagen. Irgendwo parkten wir dann an einem kleinen Restaurant an der Straße und
die Besitzer wiesen uns direkt ein. Sie wollten weder Geld, noch mussten wir etwas verzehren. Sie zeigten uns die Toiletten und die Kaltwasserduschen. Super nett und wir tranken
dann wenigstens zwei Bier bei ihnen. Im Gegenzug bekamen wir ein paar Avocados geschenkt. Noch hatten wir keinen ablehnenden Peruaner getroffen.
Die Straße führte uns weiter am Fluss entlang und die Felswände der Schlucht wurden steiler und höher. Die Fahrt im Canyon wurde besser und besser und obwohl er
nicht der tiefste oder breiteste Canyon von Peru ist, hatte dieser eine Vielzahl an Wasserfällen zu bieten. Auf beiden Seiten stürzten sich Bäche in die Tiefe und dank der fast senkrechten Wand zu unseren Linken,
zählen viele zu den höchsten der Welt. In der Nähe des Dorfes Cuispes befinden sich einige dieser Kaliber. Wir rumpelten eine Schotterstraße hoch ins Dorf und holten uns am Dorfplatz den Schlüssel,
der uns Einlass zu einem Wanderweg gewährte. Gegen ein paar Sol durften wir wandern und wurden gebeten, das Vorhängeschloss wieder zu schließen wenn wir auf dem Weg sind. Dies erlebten wir zum ersten Mal und
wir hielten uns an die Vorgaben. Wir sahen drei Wasserfälle bei leicht regnerischem Wetter. Der Medio Cerro war um die 500 Meter, der Cristal irgendetwas in die 650 Meter und am Ende des Weges lag der dritthöchste Wasserfall der Welt, der Yumbilla mit 895 Meter. In drei Stufen viel er vom Klippenrand hinab bis unterhalb unseres Standpunktes. Eine Abseilaktion zum Pool ersparten wir uns. Der Boden war glitschig und
an einer Passage ging es senkrecht nach unten. Als wir den Schlüssel wieder abgegeben hatten folgten wir weiter der Schlucht. Am späten Nachmittag verließen wir die 5N und fuhren in staubigen Serpentinen rechts
die Gebirgswand empor. Bis ins kleine und enge Bergdorf Luya schafften wir es noch, dann versank die Sonne hinter den Lehmhäusern. Wir parkten direkt am zentralen Platz, probierten ein paar Semmeln vom Bäcker und
hatten eine sehr ruhige Nacht.
Die Straße nach Karajia wurde nicht besser, eher schlechter. Vorbei an gelben Maisfeldern mühten wir uns weiter in die Höhe und durch 2 Andendörfer. Jedes Mal wenn
wir dachten Pancho sei zu groß begegneten wir bald darauf einem alten Reisebus, oder einem Lastwagen. Zu enge oder schmale Wege gibt es einfach nicht. Überall wo vier Räder draufpassen fährt alles.
Wir erreichten das kleine Dorf und bezahlten wieder ein paar Cent, damit wir eine alte Begräbnisstätte betreten durften. Die damalige Kultur in dieser Region begrub ihre Toten
in Ton- und Lehmgefäße. In Karajia standen ein paar bemalte Tonsarkophagi in Lebensgröße in einer Felswand hoch über uns. Es waren nicht viele und gut zu sehen waren sie auch nicht, aber so bekamen
wir wenigstens einen Spaziergang nach den rauen 20 km und sahen darüber hinaus noch grüne Papageien die in der Felswand lebten. Wir erreichten wieder Luya und fuhren ins direkt benachbarte Lámud. Erst stärkten
wir uns und liefen dann ins Dorfzentrum. Wieder benötigten wir einen Schlüssel. War üblich in diesem Teil Nordperus. Wir fanden das „Touristenbüro“ und lokale Museum geschlossen vor. Ein Herr
der gerade auf dem Gehweg an uns vorbei lief sprach uns an und rief kurz darauf den Verantwortlichen an. 5 Minuten später und wir bekamen den Schlüssel für die Ausgrabungsstätte: Pueblo de los Muertos.
Gleiches Spiel, wir zahlten 3 Euro und wurden gebeten alle Schlösser wieder zu verschließen. Wir vereinbarten am nächsten Morgen den Schlüssel wieder zurück zu bringen. Danach durchstreiften wir ein
paar Gassen, die in einfachen kolonialen Baustil gehalten waren. Nicht hässlich dieses Dörfchen und so sauber! Nach einem Stück Schokokuchen machten wir uns auf den Weg. 12 km später und wir standen vor
einem verschlossenen Gatter und siehe da einer der 4 Schlüssel passte. Hinter uns klackte das Vorhängeschloss und am nächsten Gatter gab es schon gar kein Schloss mehr. So kamen wir auf eine kleine Wiese an
und hatten vor uns die tiefe Schlucht und den Fluss in deren Grund. Gegenüber lag die steile Bergwand und wir sahen den vierthöchsten Wasserfall der Welt. Der Gocta fiel in zwei Stufen 771 Meter in die Tiefe. Dort oben parkten wir für die Nacht, am Ausgangspunkt für eine 3 km lange Wanderung. Es wurde kalt und totenstill.
Der Morgen begrüßte uns mit einem blauen Himmel. Wir liefen den Hang hinab, durch trockenes und dürres Land und ließen die Blicke über die Schlucht gleiten. Beeindruckend trifft es ganz gut. Am Ende des schmalen Weges standen wir vor einer weiteren verschlossenen
Tür und dahinter lag das Dorf der Toten. Die damalige Kultur errichtete ihr kleines Dorf auf einen Felssims in einer senkrechten Steilwand. Die Steinbehausungen waren alle zerfallen, aber wir konnten trotzdem klar erkennen,
dass viele wie Halbkreise an der Felswand klebten. Der Felsvorsprung wurde in Richtung zu den hinteren Ruinen schmäler und schmäler und Simone blieb schon bald zurück. Zu schmal war der Tritt und als auch ich
anfangen musste über Mauerreste zu steigen um weiter zu kommen kehrte ich um. Unter uns ging es viele Dutzende Meter in die Tiefe und mit einem Fehltritt wäre alles vorbei. Das Dorf der Toten eben, El Pueblo de los
Muertos. Vielleicht erhielt die Ruine ihren Namen aufgrund der menschlichen Knochen die in den Überresten verstreut herum lagen. Es war von vorne bis hinten ein sehr spezielles Erlebnis. Schlüssel holen, sich selbst
auf einer archäologischen Stätte einschließen, die Nacht auf dem Plateau über der Schlucht, der vierthöchste Wasserfall auf Erden gegenüber, der Abstieg, die Mauerreste und die Knochen, der Aufstieg
in der warmen Sonne und die Abgabe des Schlüssels.
Wir hielten kurz an einem Aussichtspunkt über Lámud und bestellten ein einfaches aber leckeres Mittagessen in Lulu. Danach ging es die gleiche Straße wieder hinab in
die Schlucht und dort markierten wir unseren 80.000 km auf amerikanischen Grund und Boden. Nach einem Bild an Ort und Stelle, erreichten wir bald wieder den Fluss und brausten dahin. Die Sonne auf der Karre und das rauschende
Wasser zur Rechten. Kleine Felder und winzige Dörfer wechselten sich ab. Die Fahrt war schlichtweg zum entspannen. Die Stadt Chachapoyas lag wieder 40 Fahrminuten (18 km) oberhalb des Gewässers. Wir überlegten
lange ob wir in die koloniale Kleinstadt fahren sollten, um eine Versicherung ausfindig zu machen. Da es aber die Hauptstadt der Region Amazonas war dachten wir es könnte klappen. Um es kurz zu machen, tat es nicht. Ein
Herr wollte anfragen, hätte dann aber die Versicherungspolice erst in 2 Tagen erhalten; falls er Pancho versichern hätte können. Wir hielten uns nicht länger in der Bergstadt auf und kehrten in den Canyon
zurück.
Es dämmerte bereits als wir, wieder 400 Höhenmeter oberhalb des Flusses, in Nuevo Tingo unser Nachtlager am zentralen Platz aufschlugen. Das Dorf hatte ein paar Schotterstraßen
und es würde sich wohl kaum ein Tourist dorthin verirren, wenn nicht eine der beeindruckendsten Ausgrabungsstätten des Landes 1.500 Meter über ihm thronen würde. Die war unser Ziel für den kommenden
Tag.
Die präkolumbianische Festungsstadt Kuélap wurde ab 900 n. Chr. erbaut und liegt auf ca. 3.000 Höhenmeter auf einem schmalen Bergkamm. Die Festung wurde 1843 entdeckt, die Inkas und darauffolgend die Spanier fanden sie jedoch nie.
Sie ist 600 Meter lang und 100 m breit und enthielt fast nur runde Gebäude. 5 rechteckige Ruinen für hochrangigen Besuch und Würdenträger gab es und mindestens 420
runde. Damals bevölkerten rund 3.000 Menschen die Festung und die umliegenden Hänge. Sie züchteten Lamas und Alpakas und betrieben Landwirtschaft. Die Chachapoya schienen eine sehr friedliebende Kultur gewesen zu sein.
Der Spaß begann für uns bereits mit der Anreise. Bis vor wenigen Wochen musste man 37 km (viele berichten von 1,5 Stunden Fahrt) bis an die Ruinen hoch fahren. Seit neuem
gibt es eine Seilbahn die uns um 9 Uhr in 20 Minuten die 1.500 Meter hoch beförderte. Es ging über eine tiefe Schlucht und danach beständig den Berg hoch. Für 6 Euro bekamen wir ein Hin- und Rückfahrtticket
und obendrein einen Heidenspaß. Da wir in der ersten Gondel am Tag saßen, hatten wir die Festung noch für uns alleine. Erst langsam kamen vereinzelt weitere Besucher und als wir um 13 Uhr die beeindruckende,
sehr idyllische Anlage verließen kamen uns Busladungen entgegen. Alles richtig gemacht und bis heute ist Kuélap die mit Abstand spannendste und beeindruckendste archäologische Stätte, die wir in Peru
besichtigten. Die Sicht über die Anden zu beiden Seiten und die runden Ruinen, teils verziert, eingefasst in eine imposante Mauer waren mehr als lohnenswert. Wie ganz Nordperu, zumindest die Andenregion. Sauber, sicher
und herzlich; so ganz gegen alle Horrorgeschichten.
Den Fluss Utcubamba kehrten wir erst in Leymebamba nach 180 km den Rücken. Die Straße 08B wollte über die Berge. An einem Bach auf 2.500 nächtigten wir.
Alles Bamba?
Panchos Insassen