Sonntag, 18. März 2018

Puerto Natales und ein verschandelter Nationalpark (13.01.2018 - 18.01.2018; aktueller Standort: Salto, Salto)

Aktuelle Info: Nach ein paar wenigen Stunden in Brasilien haben wir das letzte Land auf unserer Reise erreicht; Uruguay!

Die Grenze lag hinter uns und wir rollten die nächsten 5 km langsam bergab. Einmal rechts abgebogen und wir befanden uns weitere 10 Minuten später in Puerto Natales am Última-Esperanza-Sund (Kartenlink).

Zuerst bekam Pancho neuen Kraftstoff (war selbst hier ohne direkte Verbindung mit dem restlichen Chile günstiger, als Diesel in Argentinien). Gesättigt brachte er uns ans Wasser, der Wind war frisch aber angenehm und die Sicht unbezahlbar. Viele Schwäne schaukelten über den sanften Wellen des Sundes und Berge ragten auf Inseln und dem Festland empor. Überall fielen gebündelte Sonnenstrahlen durch Wolkenfetzen aufs Meer, oder lokale Regenschauer tränkten das raue Land. Plötzlich waren wir in Patagonien, wie wir es uns vorgestellt hatten. Wir fuhren die Uferstraße hoch und runter und sogen die typischen Bilder einer kleinen Hafenstadt in uns auf. Fischerboote hüpften übers Wasser, alte hölzerne Schiffsleichen lagen an Land, Seile und Bojen dazwischen. Ein Leuchtturm fehlte nicht und ebenso wenig die bärtigen, von Wind und Wetter gegerbten Gesichter der Seebären. So viele Details vor so einer grandiosen Kulisse. Für viele mag die 20.000 Einwohner Stadt Puerto Natales nichts besonderes sein, für uns war sie goldrichtig.
Wir parkten Pancho direkt am Wasser, wohl wissend dass falls der Wind auffrischen sollte es unruhig werden könnte. An pastellfarbenen Wellblechhäusern vorbei bummelten wir in und durch die Stadt. Alle Häuser waren verschieden, die Parks groß aber von etwas sonderlicher Erscheinung. Wir wechselten fast verlustfrei US Dollar in argentinische Pesos und belohnten uns mit einem Berg Pommes mit Beilagen und tranken aus Gründen der Beschaffung des Internetpasswortes ein Bier in einer Kneipe am zentralen Platz.
In der Nacht schauten wir noch lange über den Sund (Sonnenuntergang war inzwischen erst gegen 22 Uhr) und merkten, dass der Tankwart Recht behalten sollte. Im Sommer kann das Thermometer an sonnigen Tagen auf 20-25°C klettern, an wolkigen zeigt es eher 12-14°C an, aber nachts bleibt es meist auch im zweistelligen Bereich. Wir hatten 12 Grad am Tag und 10 Grad in der Nacht und übrigens nur etwas Wind.





Es war Sonntag und da kam unser uneigennütziges Bier vom Vorabend zur Geltung. Wie immer war sonntags alles zu und wenn etwas öffnen sollte passierte dies erst am Nachmittag oder Abend. Wir parkten Pancho direkt vor der Kneipe und konnten aus unserer Kabine das WiFi-Signal auffangen. Nach Herzenslust verbrachten wir nun den Vormittag online, gingen dann ein paar Lebensmittel einkaufen und besuchten um 15 Uhr einen kostenfreien Einführungstalk über den weltberühmten Torres del Paine Nationalpark. Wir hörten schon verschiedene absurd klingende Preise, die in diesem Nationalpark erhoben werden sollten und bekamen diese von einer netten Chilenin bestätigt. Es war wirklich witzig. Sie fragte „Hey super all ihr, wollte ihr das „W“ wandern? Von ca. 40 Personen nickten 80% begeistert. „Hey und wer will das „O“ wandern? 2 Personen meldeten sich. „Und nun alle die Campingplätze gebucht oder reserviert haben bitte melden!“ 4 für das W und die zwei für das O streckten ihre Arme in die Höhe. Sie strahlte übers ganze Gesicht und sagte dann lachend „Klasse alle andern können abreisen, denn ihr werdet außer Tagestouren nichts anderes im Nationalpark unternehmen können. Simone und ich schmunzelten, denn wir wollten beide Mehrtagestouren nicht laufen. Dazu später mehr. Bis Ende März waren die einzigen 2 kostenfreie Campingplätze ausgebucht, manche kostenpflichtige ebenso. Und nun haltet euch fest. Dies ist kein Schreibfehler!!! Pro Tag ein Zelt für zwei Personen kostete je nach Campingplatz um die 120 US Dollar!!! Kein Witz, kein Schreibfehler. Der Parkeintritt pro Nase 30 Euro, eine Katamaranfahrt die nötig ist um ans/vom Bergmassiv zu gelangen 24 Euro oder 38 Euro für Hin- und Rückfahrt im Falle von Tagestouren. Reisebekannte schrieben uns vor 3 Wochen, dass sie für die Nacht in ihrem Camper auf einem Parkplatz, der bis dato noch kostenfrei war, 20 Euro hätten zahlen sollen. Wir hatten nach diesem Talk wenig Lust in den Park zu fahren und überlegten ihn komplett von unserer Liste zu streichen. Aber wir hörten von anderen Reisenden auch noch was anderes... der Park ist von 8 bis 20 Uhr geöffnet, aber danach ist niemand mehr an den Rangerstationen und die Straßen weiterhin frei befahrbar. So sind schon einige Reisende zumindest um den Eintrittspreis gekommen.
Wir hielten uns diese Option offen und schlenderten erst weiter durch die Straßen, gönnten uns ein riesiges Stück Schokoladentorte für 2 Euro und liefen dann am Wasser in der frischen, aber wohlriechenden Brise am Meer entlang. Für die Nacht fuhren wir einen Kilometer aus der Stadt heraus und stellten uns an eine von vielen Schotterflächen am Wasser.






Wir füllten unseren Kühlschrank, denn wir machten uns auf den Weg nach Norden in Richtung Nationalpark. Falls wir den Park nicht betreten, wollten wir doch wenigstens die Granitfelsen sehen und falls wir doch einfahren, wollten wir Verpflegung für mehrere Tage dabei haben. Auf einer Nebenroute näherten wir uns den Torres del Paine und hielten für ein paar Stunden an einem nationalen Monument. Im Spanischen hieß es Cueva del Milodón, auf Deutsch die Höhle vom Milodón, welches eine prähistorische Form des Faultiers war. Auf den Hinterbeinen stehend soll es 3 Meter gemessen haben und war ca. 1 Tonne schwer. Die Höhle wurde natürlich nach den Überresten benannt die dort gefunden wurden, aber dies war nicht das Entscheidende, sondern es wurden dort auch menschliche Knochen und primitive Werkzeuge entdeckt. Diese datieren auf ca. 11.000 Jahre zurück und gelten als älteste Funde menschlicher Zivilisation in Südamerika! Und dort standen wir zwei, latschten durch die Natur und futterten blaue Calafate Beeren. Wir besichtigten 3 Höhlen, fanden aber an den dunklen Dingern nichts attraktives. Viel mehr war die Umgebung schön. Ein Kondor segelte über die Landschaft und das hohe Gras duftete herrlich in der Sommersonne.
Es ging langsam weiter durch die grüne Umgebung. Berge und Vulkankegel, kleine Flüsse und Seen. Noch vor dem Park fanden wir einen tollen Platz, versteckt hinter vielen Bäumen auf einer ebenen Grasfläche neben einem Wasserfall. Wir waren dort ganz alleine und es gefiel uns so gut, dass wir den Nationalpark noch einen Tag vertrösteten.






Der Morgen begrüßte uns mit Regen. Zum Mittagsessen regnete es immer noch und auch am frühen Nachmittag nieselte es weiter. Wir spielten und feilten am neuesten Blog. Faulenzen war auch eine Tätigkeit der wir uns widmeten .
Dann klarte es gegen 16 Uhr auf und wir packten die Chance am Schopf und fuhren die letzten 30 km, bis wir an einem fantastischen Aussichtspunkt auf die Granitnadeln angelangten. Sie waren nicht gänzlich frei, aber es wurde besser und besser. Wir saßen im Fahrerhaus und schauten und schauten. Draußen war es frisch und windig. Dies war der Ort an dem wir überlegten umzudrehen, aber ich kam mit einem Fahrer eines kleinen Tourbusses ins Gespräch und er meinte todernst zu mir, wir sollen bis 20 Uhr warten und dann in den Park fahren. Er sagte es wäre eine öffentliche Straße und 24 Stunden offen. So erfuhr ich auch, dass niemand das Ticket überprüft während man im Park ist und auch dann nicht, wenn man ihn wieder verlässt.
Simone war nicht wirklich überzeugt und auch ich hatte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, als wir um 21.30 Uhr nach dem Abendessen Pancho wieder anwarfen und die letzten wenigen Kilometer bis zur Parkgrenze fuhren. Ich benötigte drei Anläufe bis ich dann doch am Rangerhaus vorbei fuhr und mit Angst dem Blinklicht eines Rangers per Auge folgte, wie dieser 3 Camper am Ufer eines Sees vertrieb. Wir wollten nur vor ihm auf der schrecklichen Schotterstraße sein, wenn er wieder zurück auf diese einschwenkte. Es war inzwischen 22.30 Uhr und Torres del Paine glühte noch etwas im letzten Licht, als wir hinter ein paar niedrigen Bäumchen an einem anderen See parkten. Wir hofften nur, dass uns kein Ranger entdecken würde und wir hatten Glück. Es war kaum noch Verkehr auf der Straße und wenige Minuten später erloschen die Lichter in unserem Inneren.





Wir erwachten kurz nach 6 und sahen 4 Radfahrer, die wir am Vorabend noch vor der Parkgrenze zelten sahen, an uns vorbei radeln und eine kurze Katzenwäsche am See nehmen. Da hatten sich also noch 4 weitere Personen heimlich eingeschlichen...
Wir packten den Tag richtig voll und verzichteten am Abend auf eine weitere Nacht innerhalb des Parks. Der Torres del Paine Nationalpark ist 1.181 km² groß und seit 1978 ein Biosphärenreservat der UNESCO. Die fast senkrechten Granitfelsen der Türme von Paine ragen über 2000 Meter in die Höhe und die patagonische Steppe bildet mit farbigen Flüssen und Seen, gelben Gräsern und Südbuchenwäldern ein perfektes Kontrastprogramm. Der Grey Gletscher kalbt neben den Granitnadeln in den Lago Grey (das Wasser ist grau und daher sein Name) und zwischen den Zinnen befinden sich weitere Eisfelder. Dazu noch zahlreiche Wanderwege und herausgekommen ist einer der teuersten Nationalparks, wahrscheinlich der teuerste, den wir auf unserer Reise betraten. Wenn der Himmel wolkenfrei ist, mag die Aussicht sicherlich von überall ein einziges Panorama sein, aber wir können für uns felsenfest behaupten, dass der Torres del Paine NP nicht der schönste Nationalpark ganz Südamerikas war. Wir würden sogar weiter gehen und sagen, dass wenn man wie wir Chile und Argentinien von Norden nach Süden bereist hat, man rein gar nichts versäumt wenn man diesen Nationalpark weglässt. Allerdings, zu seiner Ehrenrettung, müssen wir auch zugeben keine Wanderung direkt an den Granitnadeln durchgeführt zu haben. Das bekannte „W“ ist ein 4 oder 5 Tagestour, bei der man oberhalb des Grey Gletschers ist, zwischen den Granitfelsen in die Höhe steigt und auch die Lagune zwischen den Felsen zu sehen bekommt. Das „O“ führt zusätzlich noch auf der Rückseite komplett um das Massiv und fordert weitere 2 Tage.
Wir wunderten uns schon gleich am frühen Morgen, wohin denn bitte schön die vielen tausend Euro pro Tag verschwinden, damit man nicht mal eine halbwegs vernünftige Straße durch den Nationalpark schieben kann. Pro Tag besuchen von Mitte November bis Mitte April mehrere hundert Menschen den Park. In den Stoßzeiten, so berichtete uns ein Fahrer, laufen jeden Morgen noch vor Sonnenaufgang 500 Leute hoch zur Lagune zwischen den Türmen, um das perfekte Bild zu erlangen wenn die Sonnenstrahlen den Granit zum glühen bringt. Die laufen los egal wie das Wetter ist, denn schließlich hat man den Campingplatz nur für eine Nacht reserviert und muss im Zeitplan bleiben. Man muss dort anstehen, um in den Weg zu dürfen und Wanderer die runter wollen müssen jeden passieren lassen, der im Anstieg ist. Da kann man unter Umständen lange warten...
Egal, bei solchen Einnahmen schaffte es die Parkverwaltung nicht einmal eine vernünftige Schotterpiste in Ordnung zu halten. Schlaglöcher, Bodenwellen, Felsbrocken es war ein Graus. Wir fuhren langsam durch den Park und machten einen kurzen Halt am Wasserfall Chica (klein) und später einen längeren am großen Wasserfall. Am kleinen sahen wir zu unserer Verwunderung wieder ein seltenes Huemul und am großen liefen wir weiter, bis wir nur noch von einem Seitenarm des hellblauen Lago Pehoé vom Bergmassiv getrennt wurden. Dies war der Zeitpunkt, an dem die Wolkendecke mehr und mehr aufriss. Anschließend liefen wir auf einen Aussichtspunkt und bekamen im oberen Abschnitt eine Kostprobe des zügellosen Windes. Neben seiner Schönheit ist dieser Park für seine heftigen Winde bekannt. Schon beim Einführungstalk wurde dies angesprochen. Es wurden Windstärken über 100 kmh gemessen und da muss man als Wanderer irgendwie durch. Wind hat man immer im Paine und als wir am Mirador del Condor standen, standen wir weniger und lagen/saßen mehr auf großen Felsbrocken und schauten übers Land. Der Wind machte eine aufrechte Position unmöglich, aber die brauchten wir auch nicht um die Aussicht auf die Berge und vor allem auf den Lago Pehoé zu bewundern. Heil wieder vom Berg herunter fuhren wir zum Lago Grey und liefen über den Steinstrand um auf einer Halbinsel noch weiter in den windgepeitschten See hineinzugelangen. Der Gletscher lag weit entfernt, aber ein riesiger Eisberg trieb auf uns zu. Wir saßen dort in der Sonne und warteten und waren froh endlich eine windgeschützte Stelle gefunden zu haben. Auf dem Rückweg fegten wieder Kieselsteine gegen unsere Beine, Kinder fielen um und selbst manche Frauen mussten vom Mann gehalten werden. Hüte und Regenjacken segelten davon, was übrigens auch von Zelten berichtet wird. Nach diesem schönen Abschluss wollten wir nicht länger illegal im Nationalpark verweilen, auch weil wir den Kapitalismus der Parkverwaltung nicht unterstützen und somit keine Tagestour am Torres laufen wollten. Unterm Strich ist der Torres del Paine Nationalpark viel zu vermarktet. Sein künstlicher Hype zerstörte die wohl einst grandiose Natur.
Wir fuhren unbehelligt aus den Park und parkten gleich am ersten Aussichtspunkt außerhalb der Parkgrenze. Der Wind schüttelte uns die ganze Nacht hindurch und so manche Minute lagen wir wachen vom ewigen Gepfeife und Gequietsche.

















Wir erwachten mit Regen, der sich allerdings nach einem langen Morgenkaffee langsam auflöste. Zurück nach Puerto Natales wählten wir eine andere Strecke und gondelten gemächlich am Ufer des Lago Pehoé entlang und sahen außer ein paar Guanakos und Nandus kaum eine andere Seele. Dies änderte sich, als wir auf die Asphaltstraße und somit dem Hauptverkehrsweg von der Hafenstadt in Richtung Nationalpark einschwenkten. Viele Autos und noch mehr Reisebusse waren dort unterwegs. Ebenfalls flachte die Landschaft etwas ab und so kamen wir ohne weitere Stopps ziemlich zügig zurück nach Natales. Wir liefen ein weiteres Mal durch die Straßen und fanden weitere schmucke Blechhäuser, die uns beim ersten langen Bummel entgangen sind. Mit ein paar süßen Stückchen suchten wir uns einen abgelegenen Platz am Última-Esperanza-Sund und fanden als Nachbarn einige Pferde. Sonst waren dort nur Seevögel und die nächsten Häuser lagen einige hundert Meter entfernt. Wir schauten den Möwen beim Fischen zu, wie sich Enten und Schwäne um ihren Nachwuchs kümmerten und Kormorane ihre Flügel im Wind trockneten. Dabei schweiften die Blicke immer wieder über das Meer und die Berge dahinter. Puerto Natales war wirklich nach unserem Geschmack.






Auf zur letzten chilenischen Großstadt,
auf nach Punta Arenas!