Am Grenzübergang in Bella Union wurden wir herzlichst empfangen; sogar auf deutsch! Während vier Grenzbeamte im Schatten saßen und gelegentlich Stichproben durchführten,
dazwischen immer den Mate-Becher herumreichten, bekamen wir zügig unseren Einreisestempel. Mit Panchos Papieren haperte es allerdings. Ein älterer Herr suchte vergebens nach den Formularen und als er sich durchrang
jemanden anzurufen hörte er mit Bestürzung, dass er den Computer benutzen müsse. Er blies die Backen auf und schüttelte den Kopf. Er kenne sich mit dem PC nicht aus und hätte keine Ahnung wo er die
Vordrucke finden solle. Nach 90 Minuten und weiteren Telefonaten hatten wir die richtige Datei, aber der Herr hatte weiterhin Probleme das Dokument auszufüllen. Wir wollten helfen, durften aber nicht an den Rechner. Egal
wir hatten Zeit und als Hilfe eintraf dauerte es 5 Minuten und wir waren durch. Nach 110.804 km begann unsere Abschiedsvorstellung (Kartenlink).
Uruguay, oder die Schweiz Südamerikas, ist mit 176.000 km² in etwa halb so groß wie Deutschland bei gerade einmal 3,3 Millionen Einwohnern und liegt zwischen Brasilien und Argentinien eingebettet am Atlantik.
Die Hauptstadt Montevideo befindet sich, wie die meisten Städte des Landes, am Ozean bzw. am Grenzfluss zu Argentinien. Das Land lebt hauptsächlich von der Landwirtschaft, dort vorwiegend von der Rinderzucht in der
Pampa. Ganz generell ist das Land sehr flach, der höchste Berg nur 514 Meter hoch. In Südamerika gilt Uruguay als sicheres, stabiles und wohlhabendes Land, alles Gründe warum vielleicht viele Deutsche seit 150
Jahren nach Uruguay auswandern.
Wir „wanderten“ nur noch ein paar km weiter bis nach Bella Union, einem verdreckten Dorf welches uns sofort die Illusion eines sauberen Landes raubte. Es war kurz vor 19
Uhr und wir fuhren am Ufer des Río Uruguay (Grenzfluss) nur so weit, bis wir eine Grünfläche am Wasser fanden. Ein wenig Plastik lag verstreut herum, aber wir wollten nicht länger suchen und wenigstens
blieb es sehr ruhig.
Nach einem kurzen Bummel durch Bella Union und mit uruguayischen Pesos versorgt, brummten wir am Fluss weiter nach Süden. Mit Backwaren verkürzten wir die Fahrt und hielten
am frühen Nachmittag in Belen, wieder auf einer Wiese und wieder am gleichen Fluss. Argentinien lag gegenüber und trotz einer Sportveranstaltung mit anschließender Dorfdisko verbrachten wir eine ruhige und
heiße Nacht. Das Thermometer zeigte noch immer 27°C am Morgen an.
Das nächste Ziel hieß Salto, mit knapp über 100.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Uruguays. Es war Sonntag und wir erreichten die ebenfalls ziemlich vermüllte
Stadt bereits gegen 11 Uhr. Perfekt um Essen zu gehen. Klassiker der uruguayischen Küche lasen sich fast wie die Speisekarte in einem Fast Food Laden. Hotdogs, Burger, Hackfleisch auf Brötchen, dünn geschnittenes
und gegrilltes Rind auf Sandwich, gegrillte Rinderrippchen mit Kartoffelbrei. Alternativ gab es Pizzen oder Grilllokale (ähnlich denen von Argentinien mit wenig Rind und viel Fett). Wir entschieden uns für Chivitos,
gegrilltes Rind auf Sandwich mit Pommes. Geschmacklich gut, aber als Hauptwerk in einem Restaurant etwas dürftig.
Danach folgte ein Stadtbummel, aber da Sonntag Nachmittag war, waren alle Geschäfte geschlossen. Nicht einmal ein Café gab es und deshalb standen wir bald wieder außerhalb
der Stadt am Fluss Uruguay.
Eine Besichtigung stand an. Das größte Wasserkraftwerk des Landes lag direkt am Rande der Stadt und hieß dementsprechend Salto Grande. Bereits 1938 wurden die Stromschnellen im Río Uruguay als möglicher Standort untersucht und am
1. April 1974 wurde mit den Bauarbeiten als Gemeinschaftsprojekt der beiden Länder Argentinien und Uruguay begonnen. 1983 wurde das Bauwerk eingeweiht.
Heute besitzt das symmetrische Kraftwerk 14 Turbinen und der Strom fließt gleich in beide Länder. Die Power der 7 Turbinen reicht Uruguay um 70% des landesweiten Strombedarfs
abzudecken.
Die Führung durch das Wasserkraftwerk war kostenfrei und wir betraten so sogar wieder Argentinien für ein paar Minuten. Pünktlich zur Mittagszeit ging es für uns
weiter und wir hielten in der Stadt für eine weitere Kostprobe des landestypischen Essens. Rinderrippchen werden auch nicht unsere Leibspeise werden ☺.
60 km weiter und wir hielten in einer kleinen Gemeinde die kaum Beachtung fände, wenn nicht eine der berühmtesten Thermalquellen des Landes dort ansässig wäre. Die
ca. 350 Anwohner buhlen jährlich um Tausende Besucher und auch wir parkten mal wieder am Río Uruguay, direkt hinter dem Thermalbad Daymán. Das Freibad mit einigen Becken (bis 40°C) öffnete von
7 bis 23 Uhr und verlangte dafür nur 4,25 Euro. Wir standen gerade an der Kasse, als hinter uns ein Pärchen in unsere Richtung schlenderte. Wir sprachen noch am gleichen Tag von einem italienischen Paar, welches
wir Mitte November 2016 in Costa Rica kennengelernt hatten. Sie betrieben dort ein Hostel und wollten März 2018 mit einem IVECO-Camper ihre Reise starten. Warum wir auf sie zu sprechen kamen weiß ich nicht, aber
genau diese beiden standen plötzlich 5 Meter vor uns, als auch bei ihnen der Groschen fiel. Luca stutzte und wir wechselten von grinsen ins lachen. 2 Sekunden später und wir umarmten die Mailänder, die seit
10 Tagen unterwegs waren und mit denen wir den restlichen Tag in den heißen Becken verbrachten. Hätte man sich treffen wollen hätte dies nie funktioniert und auch wir fanden nur zueinander, weil einige Widrigkeiten
sie zum Beginn in Uruguay zwangen. Wir fanden es saugeil und am Abend bekochten uns die beiden noch. In einer lauen Nacht hockten wir danach noch bis 23 Uhr im Wasser und pennten dann wie Babys.
Die nächsten beiden Tage verliefen sehr ähnlich. Am ersten fuhren wir bis Paysandú, am zweiten nach Nuevo Berlin. Beide Strecken waren nicht allzu weit, wodurch wir
schon am frühen Nachmittag durch die jeweiligen Ortschaften liefen. Bis auf den jeweiligen Bäcker fanden wir allerdings nichts Erzählenswertes, außer vielleicht dass nach Salto der Müll neben der
Straße, oder in Gemeinden verschwand. Es wurde viel sauberer und auch an den beiden Nachtlagern am Fluss Uruguay lag nichts. Wir entschleunigten massiv!
Es waren nur 40 Kilometer bis nach Fray Bentos. In dieser Kleinstadt mit ca. 24.000 Einwohnern lag eine der beiden UNESCO-Weltkulturerbestätten in Uruguay. Bevor wir aber einen Schlachthof besuchten, besichtigten
wir das Zentrum der Stadt. Die Grenzstadt Fray Bentos war die erste schöne Stadt in Uruguay mit kolonialem Touch. Ein großer Platz umsäumt von Bäumen lag in der Mittagssonne. Wir spazierten an bunten Häusern
vorbei und schöpften Hoffnung für die weiteren kolonialen Städtchen die bald folgen sollten.
Die Industrielandschaft Fray Bentos lag unweit vom Zentrum am Río Uruguay und war verantwortlich für die Ortsgründung. Ein paar Häuser standen dort bereits, aber erst als ein Schlachthof gebaut wurde, siedelten sich mehr und
mehr Menschen an. Aber es war nicht irgendein Schlachthaus, sonst wäre es sicherlich nicht von der UNESCO in ihre Liste aufgenommen worden.
Der deutsche Chemiker Justus von Liebig entwickelte in den 1840er Jahren einen Fleischextrakt, der 20 Jahre später hier in Uruguay produziert wurde. Grund war Rindfleisch, das einzige
Gut Uruguays welches in Unmengen vorlag und hervorragende Qualität besaß. Der Extrakt wurde in Würfelform verpackt und diente z.B. in den beiden Weltkriegen beiden Kriegsfronten als (Haupt-)Nahrung. 30 kg Rindfleisch
wurden langsam köchelnd verarbeitet und gefiltert, um 1 kg zähe, schwarze, konzentrierte Proteinmasse zu enthalten. Entweder wurde sie so verwendet, oder dehydriert um Trockenpulver für den späteren Bedarf
zu generieren. Ein Würfel in kochendem Wasser verrührt war ausreichend für den Tagesbedarf eines Soldaten. Satt machte dies nicht, aber Nährstoffe lieferte das Zeug genug und da wurde sofort nachgeliefert.
Die verkochte, proteinlose Fleischmasse wurde in Dosen abgefüllt und als Magenfüller verkauft. Fertig war Corned Beef; hmmm yummy ☺!
Während den Zeiten des Krieges wurden 1.500 Rinder am Tage geschlachtet und bald wurden weitere Produkte geliefert. Fleischgerichte in Dosen unter dem Namen Fray Bentos gibt es
z.B. noch heute in England zu kaufen, auch wenn der Schlachthof 1979 endgültig schließen musste. 24.000 Arbeiter beschäftigte das Unternehmen, so viele wie Menschen heute in Fray Bentos leben.
Per geführte Tour liefen wir durch die Industrieanlage und wenn vielleicht auch alte Turbinen, oder ein gefliester Raum weniger beeindruckend klingen, war es kombiniert mit der
Geschichte ein beeindruckender Ort. Einmalig eben.
Da wir schon am Río Uruguay waren, blieben wir gleich dort über Nacht.
Die nächsten beiden Tage verbrachten wir zuerst in der Stadt Mercedes und dann in Carmelo. Beide kolonial angehaucht, beide an Flüssen aber nicht am Uruguay. Mercedes lag am
Río Negro, wo wir nach einem Spaziergang durch die Stadt an dessen grünem Ufer den Anglern zuschauten, Carmelo mit nur wenigen alten Bauwerken lag am Río de la Plata, welcher die Verlängerung des Río
Uruguay entsprach. Chivito mit Pommes gabs in dem einen, im anderen Nachspeise (Uruguay ist für seine Desserts berühmt, allerdings fanden wir nur Zuckerspeisen, die selbst dem Karies zu süß sein dürften).
Beide Nächte waren traumhaft ruhig, wie alle in Uruguay. Menschen waren in diesem Land nach dem Sonnenuntergang kaum zu sehen und so gut wie nie fuhr jemand mit lauter Musik, oder wie ein Irrer durch die Gegend. Für
uns war das optimal, aber wir hatten oft den Eindruck als würde die Bevölkerung auf Valium durchs Leben schreiten...
Die Nacht in Carmelo wurde etwas windig und als wir am Morgen aus dem Fenster sahen standen wir fast im Wasser. Zuvor lagen ca. 20 Meter zwischen uns und dem Fluss, aber der Wind drückte
das Wasser flussaufwärts und somit über die Ufer; war knapp!
Wieder ging es ein Stückchen weiter. Die zweite UNESCO-Stätte lag wiederum am Fluss, wobei man an der Flussmündung des Río de la Plata kaum von einem Fluss sprechen
konnte. Es wirkte wie das offene Meer und von Colonia del Sacramento sahen wir in der Ferne die Skyline von Buenos Aires.
Colonia ist die älteste Stadt des Landes und wurde 1680 von Portugiesen gegründet. Die Gässchen waren kopfsteingepflastert und die Alleen mit Platanen bestückt. Um
den Altstadtkern verliefen noch die Reste der antiken Stadtmauer und auch die alte Stierkampfarena war als Ruine noch zu sehen. Neben dem Stadttor parkten wir, näher hätten wir an den historischen Kern nicht herankommen
können. Für 2 Nächte wurde dies unser Zuhause. Wir stärkten uns kurz und wandelten durch die Gassen. Colonia war fotogen, touristisch und ließ sich dies auch bezahlen. Die ohnehin hohen Preise in
Uruguay wurden in der Altstadt von Colonia in neue Dimensionen gehoben. Dafür war der Besuch der Museen sehr günstig. Für 2 Euro konnten wir 7 kleine Ausstellungen besuchen. Am Nachmittag blickten wir vom Leuchtturm
über die frühere Schmugglerstadt und besichtigten dann den schicken Hafen, aber zum Abendessen kehrten wir wieder zu Pancho zurück. Mit 2 weiteren Campern verbrachten wir die Nacht am Wasser, die Reste eines
Forts vor uns waren nur noch mit Fantasie zu erahnen.
Wir liefen am 5 km langen Strand entlang, um die Stierkampfarena zu sehen. Auf fast dem gleichen Weg ging es zurück in die Stadt und wir fragten in der Touristeninfo wo wir einen
Computerfachmann finden könnten. Typische Fragen hatten wir für ein Tourismusbüro schon lange nicht mehr ☺.
Wir fanden in ganz Uruguay nur 2 Internetzugänge, an denen wir uns mit unserem PC einloggen konnten. Wir dachten wir hätten ein Computerproblem, aber der Herr im Fachgeschäft
erklärte sofort dies läge an der Auslastung der Netze. Mit seinem Netzwerk konnten wir uns sofort verbinden und dies beruhigte doch sehr.
Weiter durch 2 kleine Museen und Wäsche gaben wir auch noch auf. Dies wurde der wahrscheinlich teuerste Waschservice auf unserer Reise. Die Gassen rauf und runter und in der Nacht
streiften wir ein weiteres Mal über das Pflaster, um die Stadt in einem anderen Licht zu erfahren. Colonia del Sacramento war schön, aber nach 2 Tagen hatten wir die kleine Innenstadt mühelos erkundet und die
saftigen Preise verführten auch nicht noch länger zu bleiben. Also füllten wir am kommenden Tag den Kühlschrank und machten uns aus den Staub.
Auf der Zielgeraden,
die Heimkehrer