Samstag, 23. April 2016

Sandbleche und Missionskirchen (25.02.2016 - 29.02.2016; aktueller Standort: San Luis Potosí, San Luis Potosí)


Bahía Asunción erreichten wir um ca. 16 Uhr. Die Fahrt durch Kakteenlandschaft endete mit dem Blau des Ozeans. Wir rollten zielstrebig den letzten Kilometer in Richtung Pazifik und erst 100 Meter bevor wir ihn erreichten schwenkte die Straße ins kleine Fischerdorf. Wir waren erschöpft von der anstrengenden Fahrt und wollten sofort ans Wasser, Wege und Spuren waren zahlreich vorhanden und alle endeten mehr oder weniger auf dem Strand (Kartenlink).

Also wählten wir einen und fuhren bis an den Sand. Muschelschalen und Grasbüschel vermittelten uns den Eindruck eines Untergrunds, der Pancho bis ans Wasser bringen sollte. 15 Meter weit kamen wir, 10 Meter fehlten noch bis an den festen Sand. Dann war Schluss...
Alle 4 Räder im weichen Sand und wir kamen weder vor noch zurück. Nicht zum ersten Mal mussten wir die Sandbleche auspacken, wobei wir doch eigentlich die Campingstühle testen wollten. Fast jedes Mal wenn Simone in der Fahrerkabine meinte wir hätten heute endlich Zeit genug, genau an diesem Ort die Stühle auszupacken passierte etwas. Wie verhext ! Wir schaufelten mit den Armen losen Sand weg und platzierten die beiden Bleche. Das Resultat war ernüchternd. Die Traktion reichte nicht und die beiden Räder ohne Bleche warfen einen immer höheren Sandwall hinter sich auf. Neuer Versuch und die Bleche an die beiden anderen Reifen. Vorher wie die Maulwürfe Sand gebuddelt. Wieder nichts, wir steckten fest. Eine Auswanderin aus den USA, auf ihrem Rückweg ins Dorf, bot ihre Hilfe an und wollte einen Freund anrufen, der uns mit seinem Pick-up eventuell etwas Schwung geben könnte. 20 Minuten oder so könnte es noch dauern. Zeit genug uns etwas anderes zu überlegen.
Da Mexikaner leider ihren Müll überall entsorgen, liefen wir etwas in den Dünen herum, um vielleicht zwei weitere provisorische Sandbleche zu finden. Wir stießen auf 3 zerdrückte stabile Plastikrohre, jedes über einen Meter lang und die verwendeten wir zusammen mit den Blechen und siehe da, wir schafften 2 Meter. Wir wiederholten Sand buddeln, alle vier Reifen mit festen Untergrund versorgen und weitere 2 Meter zurück fahren. Für die letzten 4 Meter bekamen wir die Unterstützung aus den Vereinten Staaten. Ein letztes Mal legten wir Rohre und Bleche zurecht und wurden mit genug Zugkraft des Pick-ups bis an den festen Sandabschnitt „gezogen“.
Im anschließenden Palaver erfuhren wir, dass dies fast täglich an diesem Strand passiert und oft genug Einheimischen. Wir sollen doch in Zukunft unseren Reifendruck vermindern, dann wäre die Gefahr des Steckenbleibens geringer und im Ernstfall würde man leichter aus losem Sand frei kommen. Als ob wir jeden Tag auf Strände fahren würden! Wir bekamen noch den Tipp an den Klippen am Ortsende zu parken. Dies machten wir. Für die Campingstühle war es längst zu spät und wir hatten nach dem schweißtreibenden Sandvergnügen eine Abkühlung im Ozean nötig. Das Wasser war herrlich und von den kleinen Klippen sahen wir Delphine und Wale im sterbenden Tageslicht.



Wir wanderten an den Klippen entlang ins Dorf und fuhren später weiter an der Bucht bis nach San Roque dem Endpunkt dieser Straße. 10 Fischerboote dümpelten dort in einer fantastischen Strandbucht. Die Dünen waren steil, der Sand fein und das Wasser glasklar und warm. Natürlich begegneten wir niemanden als wir dort 2 Stunden am Strand verbrachten.



Der Tag war noch zu jung und so fuhren wir schnell wieder zurück nach Bahía Asunción und stoppten dort wo wir tags zuvor stecken geblieben waren. Der Strand war einfach zu gut, um ihn nicht noch einmal aufzusuchen. Heute liefen wir auch endlich.
Wir wollten an der Küste entlang nach Süden fahren, eine weitere heftigere Route. Da es so viele Straßen und Wege direkt am Fischerdorf gab, wussten wir nicht genau welche die richtige Straße sein könnte und außerdem dachten wir eine Nacht an diesem Fleckchen wäre auch nicht schlecht. Der Strand war so verlockend dort. Simone begann wieder von den Campingstühlen zu reden und mir schwante Übles. Wir waren ca. 5 Kilometer südlich des Ortes unseres gestrigen Malheurs und bewegten uns auf festen Wegen, die durch hellbraune verkrustete Erde führten. Dann standen wir direkt vor dem Sand und nach einem kurzen Test wollten wir dort nicht rein. Also wollten wir drehen und uns einen besseren Platz suchen, einen wo wir die Wellen sehen und nicht nur hören konnten.
Ich lief vom Sand zurück über die vegetationslose Erde und dachte ich könne, anstelle im Rückwärtsgang, fix 15 Meter zum nächsten Weg fahren. Tolle Idee, katastrophale Auswirkung.
8 Meter (Panchos Länge) geradeaus über die Oberfläche und dann schlagartig in die Tiefe. Mit allen Rädern sackten wir durch die nur 5 cm starke Kruste, rein in lehmartigen Boden. Die Räder drehten rund, waren voll mit schmierigem schwerem Dreck. 24 Stunden später an fast der gleichen Stelle und nein wir fahren doch nicht täglich über Strand. Wir doch nicht; so eine Schei...
Sandbleche bereit legen und los gings. Oder doch nicht. Nichts ging. Der Untergrund war viel übler als Sand, die Bleche halfen nichts. Mit dem Spaten versuchten wir die Reifen freizulegen, schwitzten in der prallen Sonne wie die Schweine und verminderten den Reifendruck auf über die Hälfte. Die Reifen waren platt und wir genauso. Pancho bewegte sich!!! In die Tiefe, anstatt nach vorn oder hinten. Mit jedem Versuch verloren wir 3 Zentimeter an Höhe und an Hoffnung. Ein Licht am Ende des Horizonts in Form eines weißen Pick-ups und eines Mexikaners, der kein Wort englisch konnte. Wozu auch, die Lage war offensichtlich. Er half uns sofort schaufeln. Wir legten unser Stahlseil um seine Anhängerkupplung, aber sein Pkw war nicht stark genug um uns einen Impuls zu geben. Im Gegenteil wir sanken weiter im 3 Zentimeter Takt. Wir machten uns geistig bereit eine Nacht im Schlamm zu verbringen, als auch unser Helfer resignierte. Er forderte mich sofort auf in seinen Wagen einzusteigen und wir fuhren ins Dorf, um ein paar Kumpels von ihm aufzusuchen. Er erzählte, alle lachten und ich stand schief lächelnd zwischen ihnen. Nach einer gefühlten Ewigkeit stand ein Freund auf und wir fuhren eng gequetscht auf Fahrer- und Beifahrersitz des Pick-ups zu einem Traktor, der aussah als wäre er schon 2 Jahrzehnte nicht mehr bewegt worden. Der Kumpel kam 30 Minuten später zu Pancho, hüpfend auf dem kaputten Sitz des alten Schleppers. Der erste Versuch mit Hilfe der neuen Zugmaschine endete in einem gerissenen Stahlseil. Pancho sackte daraufhin bis auf beide Achsen in den Dreck. Gar nicht gut, denn jetzt konnten sich die Kurbelwellen nicht mehr frei bewegen. Unsere Helfer knoteten geschwind das Seil zusammen und versuchten es erneut. Kein Erfolg. Jetzt legten sich beide mit dem Spaten ins Zeug und förderten die Achsen frei und alles was irgendwie ging. Wir suchten Holzstämme in der Umgebung und hämmerten diese unter die Reifen. Die Sandbleche kamen oben drauf und wir versuchten es erneut mit dem Bulldog. Erst musste ein Liter Kühlwasser nachgefüllt werden, denn so wie es oben rein lief, lief es unten direkt wieder raus. Wir machten ein paar Zentimeter und diesmal in die richtige Richtung. Weiteres Holz und Sträucher kamen unter die Räder und dann war es geschafft. Wir kamen nach über 3 Stunden frei und haben daran an diesem Tag nicht mehr geglaubt. Unsere Helfer waren total fertig und wir gaben jeden 500 Pesos (ca. 25 Euro). In Deutschland undenkbar, hier in Mexiko zauberte dies ein Lächeln auf die Lippen.
Wir machten uns nicht die Mühe unsere schmierigen Utensilien zu säubern oder gar wegzuräumen; wir wollten nur ins Meer und danach ein Bier, oder auch zwei. Wir schliefen dort, schnurzpiepegal ob wir die Wellen sahen oder nicht.




Als wir am Morgen unseren Kram verstaut hatten und auf weichen Reifen langsam zur Tankstelle im Ort krochen, verbot ich Simone noch einmal unsere Campingstühle zu erwähnen. BITTE nie wieder „wir hätten doch noch genug Zeit um die Stühle auszupacken“.
Wir versuchten unseren Kompressor, um die Reifen wieder auf 6 bar Druck zu bekommen, aber da passierte gefühlt nichts. An der Tankstelle ging es nur bedingt schneller. Kurz vor 5 bar wollte aber auch dieser Kompressor nicht mehr. Wir wurden an eine Reifenwerkstatt (gibt es häufiger als vollständige Werkstätten) auf die andere Straßenseite verwiesen. Auch dort zog Pancho seine Show ab und bevor wir mit 5,5 bar in den Reifen und 2,5 Euro in deren Trinkgeldkasse wieder aufbrachen, luden wir die Jungs ein um Panchos Innere zu begutachten. Auch hier fand Pancho neue Freunde.
Danach fanden wir den richtigen Weg nach Süden. Wir folgten einer guten Schotterstraße, den Ozean im Blickfeld. Nach 20 Kilometer war Schluss mit guter Schotterstraße. Was folgte waren Stunden im 2. Gang und Wellblechpiste im groben Kies. Wir versuchten es schnell und wurden praktisch zerschmettert. Wir flogen auf den Sitzen und in der Kabine flog auch so einiges wie wir am Abend feststellen mussten. Also fuhren wir 15 km/h aber auch dies war oft noch zu schnell. Beidseitig der Straße existierte ein weiterer Pfad, von Fahrern erschaffen die wie wir mit dieser Straße nicht umgehen konnten. Wir versuchten es dort und kamen ein bisschen schneller voran, mussten aber immer wieder auf die Fahrbahn zurück und dabei eine kleine Böschung rauf oder runter. Unsere Wortwahl an diesem Nachmittag war nicht Jugendfrei. Zum Verdruss kam hinzu, dass der Pazifik aus unserm Blickfeld entschwand und wir uns, nur von Steinen umgeben, bei über 30 Grad quälten. Seitenrouten sind oft schön, aber genauso oft harte Arbeit.
Wir sprachen darüber hier bloß keinen Platten zu bekommen und trafen prompt auf eine junge mexikanische Familie, die mit Plattfuß auf der Straße (wenn man das so nennen mag) standen. Sie hatten ein Reserverad, aber keinen Wagenheber dabei. Damit konnten wir aushelfen und nach 30 Minuten ging es weiter. Aber bitte wer lebt in so einer Region und fährt ohne Wagenheber durch Steinwüste? Wir waren doch sehr verwundert. Nach 6 Stunden und 70 Kilometer wurde der Weg etwas besser. Wir erreichten unsere zweite Ortschaft an diesem Nachmittag und hielten an einer Lagune direkt an der Straße. Was waren wir erschöpft. Ein paar Minuten konnten wir noch Wasservögel beobachten, dann wurde es auch schon dunkel.


Gut erholt versuchte ich mich wieder als Jäger. Den Angelhaken ausgebracht und der noch ruhigen Lagune beim Sonnenaufgang beiwohnend, tranken wir unseren Kaffee. Natürlich machte uns kein Fisch das Vergnügen, als Abendessen in unsere Pfanne zu landen.
Weiter an der Küste entlang und wenigstens auf halbwegs brauchbaren Pisten kamen wir in Punta Abrejos auf unseren 50.000sten Kilometer während unserem Abenteuer in Amerika. An dieser Landspitze ging es dann wieder weiter auf asphaltierter Fahrbahn. Knie und Rücken waren überaus dankbar. Nach gut einer Stunde erreichten wir die Mex 1, nach einer weiteren Stunde kamen wir in dem Oasenstädtchen San Ignacio an. Dattelpalmen wuchsen am Flussufer, am Marktplatz standen uralte Schatten spendende Lorbeerbäume und die Mission wurde 1728 aus dickem Lavagestein errichtet. Die Tour zur Walbeobachtung in einer weiteren Bucht war uns mit 60 US Dollar zu teuer und so fuhren wir nach ein paar Stunden Aufenthalt weiter in Richtung Golf von Kalifornien.
Diesen erreichten wir am späten Nachmittag. Wir parkten am Wasser in Sichtweite zu Santa Rosalía, welchem wir am kommenden Tag unsere Aufwartung machten.








Wir besichtigten die Kleinstadt am frühen Morgen, liefen ein paar Straßen auf und ab und fanden eine Kirche von Herrn Gustav Eiffel. Klingt irgendwie bekannt? Es ist der Erbauer des Eiffelturms, der diese Kirche 1887 konstruierte. Die Kirche Santa Bárbara wurde aus Stahlfertigteilen erbaut und von der ortsansässigen Kupfermine 1890 gekauft, um dann nach Mexiko verschifft zu werden.
Nachdem unser Vorrat an Backwaren aufgestockt war fuhren wir 60 km bis nach Mulegé. In dieser Oase verbrachten wir unsere Nacht am Leuchtturm und nachdem wir beim Aussteigen darauf hingewiesen worden sind, dass eine Kneipe namens Pancho Villa direkt am Strand lag, genehmigten wir uns ein Bier dort. Oder auch zwei...






Mehr aus der Dattelpalmenoase demnächst.

Von den Sandwühlern,
Stefan - Simone