Dienstag, 31. Mai 2016

Einstieg ins zentrale Hochland (13.04.2016 - 17.04.2016; aktueller Standort: Santa Ana, Veracruz)


@ Patrick: Aus Mexiko alles Liebe zum Geburtstag. Bis bald im Süden, wir freuen uns tierisch !
@ Erika: Muttchen, die allerliebsten Wünsche gelten dir zu deinem runden Geburtstag. Wir feiern zwar nicht persönlich mit dir/euch, sind aber in Gedanken immer zugegen. Viel Spaß und wir melden uns.

Wir hatten die Küste des Bundesstaates Jalisco verlassen und schraubten uns die Sierra Madre Occidental auf 1.600 m Höhe hinauf und rasteten einen Tag in Tequila vor den Toren der Herradura Destillerie (Kartenlink).

Tequila ist eine weitere Pueblo Mágico und ohne es genau zu wissen vermute ich, dass einzig der Ursprung des alkoholhaltigen Getränks Grund dafür ist. Von Tequila, der Stadt, sahen wir nur die Durchgangsstraße, von der Umgebung zahlreiche Felder der blauen Agave. Nur diese Agavenart darf zum brennen des Tequilas verwendet werden und Tequila darf sich nur Tequila nennen, wenn er aus einer dieser 5 Bundesstaaten kommt: Jalisco, Guanajuato, Nayarit, Michoacán und Tamaulipas. Die in dieser Region ansässigen Destillerien produzieren mehr als die Hälfte des auf den Markt kommenden Tequilas.
Wir suchten die Casa Herradura in einer alten Hazienda auf. Wir entschieden uns für eine Führung in diesem Haus, weil uns derer Tequila einfach schmeckte und so endeten wir neben dem Friedhof in direkter Nachbarschaft.
Die Tour durch das alte Anwesen war sehr gut und seine 5 Euro Eintritt mehr als wert. In der Hazienda wurde schon früher von einem Pater heimlich Tequila gebrannt und heute ist Herradura ein landesweit bekannter Name. Angeblich machen sie einige Sachen anders als ihre Mitstreiter, obs stimmt oder nicht das Resultat schmeckt wie gesagt lecker.
Gebrannt wird das ganze Jahr über. Die blaue Agave benötigt 9 Jahre bis sie reif und geerntet wird. Ein Jimador entfernt zielgenau die einzelnen „Blätter“ auf dem Feld und entnimmt der Ananas (so wird die Agave danach wegen ihres Aussehens genannt) das Herz. Ca. 40 Kilo bleiben so pro Agavenpflanze übrig. Durch Wasserdampf wird das Fruchtfleisch bei 95°C in 26 Stunden weichgekocht (anders als bei anderen). Die Agave ist nun weich und zuckersüß, ähnelt Honig im Geschmack. Sie wird zerkleinert und darf 3-5 Tage fermentieren. Dies geschieht in offenen (!!) Stahlkesseln und der Grund hierfür scheint auch einmalig in der Tequila Herstellung zu sein. Für die Fermentierung müssen Bakterien zugesetzt werden und natürlich wachsen diese auf Zitruspflanzen. Herradura machte es sich einfach und pflanzte auf dem Anwesen alle Arten von Zitrusgewächsen und die Bakterien gelangen über die Luft direkt in die Bottiche. Durch diesen Prozess geben die Bakterien dem Tequila eine eigene Zitrusnote, dem Herradura typisch. Danach wird zweimal destilliert und das Endprodukt in Flaschen bzw. Fässer abgefüllt. Bevor es in die Flasche geht werden diese mit Tequila gespült, nicht mit Wasser, da das den Geschmack verfälschen könnte (auch etwas was nur Herradura macht). Aus einer Agavenpflanze (ca. 40 Kilo Material) werden so ca. 8 Liter Tequila! In 4 Tagen produziert die Casa Herradura 150.000 Liter Tequila... das ganze Jahr hindurch... nicht schlecht wie ich meine. Ähnlich dem Rotwein schmeckte uns der in Eichenfässer gereifte Tequila (11 Monate oder 4 Jahre) besser. All dies in 2 Stunden und da wir die einzigen Englischsprachigen in der kleinen Tour waren, bekamen wir unseren eigenen Führer . Perfekte Organisation in einem perfekten Haus.








Es waren nur noch 60 Kilometer bis zur zweitgrößten Stadt Mexikos. Mit 6 Millionen wahrlich nicht klein wollte Pancho trotzdem direkt in die City. Unser anvisiertes Ziel war ein großer Park, nur dass wir ein Nobelviertel mit Luxusvillen aussuchten konnte ja keiner ahnen. Zuerst war das Verkehrsaufkommen enorm, die Straßen eng und wir der einzige Lkw. Der erste Polizist, so dachten wir, hält uns sofort an. Aber nichts dergleichen und so kamen wir bis zur Abfahrt an den Park und schlagartig war Ruhe. Kein Verkehr und die Häuser größer und größer, die Mauern höher und höher und die Sicherheitsanlagen massiver und massiver werdend. Jetzt sind wir aber sicher dran wenn die Polizei auftaucht. Aber immer noch kein Problem und wir fanden wahrscheinlich den einzigen freien Bauplatz. Die Anwohner der Gegenseite beäugten uns argwöhnisch und die Polizei patrouillierte im 30 Minutentakt, aber wir parkten ohne behelligt zu werden und machten uns auf ins Zentrum von Guadalajara.
Die Hauptstadt des Bundesstaates Jalisco war ein famoser Auftakt zu unserer Reise durch die spanischen Kolonialstädte. Zentrum bildete die mit gelben Kacheln verzierte Kathedrale, umgeben von 4 Plätzen, die wiederum von Barockbauten umsäumt waren. An diesem Tag suchten wir noch keinen der Stadtpaläste oder Herrenhäuser auf, sondern ließen uns treiben durch die Straßen, durch die Märkte und den Plazas. Einzig das ehemalige Waisenhaus besichtigten wir. Es ist heute das Kulturzentrum der Stadt und in den Ausstellungssälen wurden unterschiedliche Themen präsentiert. Für uns war das Herzstück die Kapelle, in der José Clemente Orozco (einer der größten Künstler dieser Art) Wände und Decken bemalte. Auf eigens bereitgestellte Bänke durfte der Besucher sich lang machen, um seine Meisterwerke zu bestaunen. Murals, also Wandmalereien, werden in allen kommenden Einträge über die Kolonialstädte zu sehen sein. Sie gibt es überall und waren früher Mittel zum Zweck, um der Bevölkerung die Geschichte der Stadt, der Region oder des Landes nahe zu bringen. Es gab kein einziges Mural dem wir enttäuscht den Rücken gekehrt hätten. Alle waren fantastisch. Treppenaufgänge, Wände und Decken, teils komplette Innenhöfe waren bemalt. In einer Detailfülle der komplette Wahnsinn. Neben vielen anderen Dingen sind die Wandmalereien einer der Reichtümer Mexikos Kolonialstädte. Um dies jetzt schon vorweg zu nehmen wir sind der Meinung, dass ohne die Kolonialstädte gesehen zu haben, ein Besuch Mexikos nicht komplett ist bzw. man einen sehr wichtigen Aspekt des Landes nicht erfahren durfte.
Kurz und bündig: Wandmalereien sind unser Ding!











Nach der ruhigen Nacht im Nobelviertel wechselten wir die Straße (nicht minder hochpreisig) und starteten wieder an der Kathedrale unsere zweite Runde des Sightseeing. Über das Innere des sakralen Baus mit seinen 11 Altären über den Präsidentenpalast und dem Gouverneurspalast, in dem das berühmte Wandgemälde im Treppenaufgang zu sehen ist, welches Pater Miguel Hidalgo bei seiner Rede ans Volk zeigt, in der er 1810 zur Unabhängigkeit aufruft und somit den elfjährigen bewaffneten Unabhängigkeitskrieg auslöste. Auf dem Balkon des Gouverneurspalastes wurde ebenfalls die Unabhängigkeit ausgerufen und wie ich glaube die heutige mexikanische Flagge dem Volk präsentiert.
Die Dimensionen im zentralen Bereich Guadalajaras waren enorm, die Plätze riesig und mit reichlich Brunnen bestückt. Wir besuchten einen der größten Märkte des Landes und wurden an Bangkok erinnert. Wellblechbuden unter einem riesigen Dach, Miniaturgänge und Läden an Läden die nur dem Besitzer Platz genug boten sich hinzusetzen. Das Angebotene war fast überall gleich, gewiss war, dass es alles Fälschungen und Raubkopien waren. Markenklamotten für 2 Euro sind selbst in Mexiko nicht zu haben. Ein irrer Dampf lag unter dem Hallendach geschwängert mit Essensdüften, Ausdünstungen und Abgasen. Die Temperatur kurz vorm sieden und nach 20 Minuten wollte ich nur noch Himmel über mir sehen.
Später am Nachmittag trafen wir uns mit Jorge, den wir in Loreto auf der Baja im Supermarkt kennengelernt hatten. Er lebt in der Metropole und gab uns unzählige Tipps zur Stadt und dem restlichen Land. Dank ihm besuchten wir Gegenden, die wir sonst nicht aufgesucht hätten. Bekommen immer noch Updates, was wir sehr schätzen .
Irgendwann war der Akku leer und kurz nachdem wir wieder an Pancho waren, besuchte uns doch noch die Polizei. Als wir aber versicherten nur eine Nacht an diesem Standort zu stehen und morgen aufbrechen wollen, waren die Herren zufrieden gestellt. Dies taten wir auch. Nachdem wir im Internet fertig waren kurvten wir aus der Stadt, froh keine Macke verursacht zu haben.











Wir hofften ein Städtchen zu erreichen welches uns Jorge empfahl, aber Aufgrund eines Unfalls und einer gesperrten Straße wurde daraus nichts und wir hängten uns an andere Lkws die über kleine Schotterstraßen den Unfallort umfuhren. Unsere Kolonne kam langsam, aber unaufhaltsam weiter. Ein älterer Herr, komplett in einer Staubwolke gefangen, bekam seinen Mund gar nicht mehr zu. So viel schwerer Verkehr kam dort vielleicht noch nie durch. Dieser kleine Umweg kostete uns eine Stunde, aber so erreichten wir wenigstens einen anderen Ort und beschlossen dort, direkt auf einem großen Parkplatz am Fluss zu stehen. War eine gute Wahl, denn...
San Juan de los Lagos war ein Wallfahrtsort und der Platz vor der Kathedrale und deren Zufahrtswege gerammelt voll mit Menschen und Verkaufsständen aller Art. Decken, Kleider, Spielzeug, religiöse Mitbringsel, CDs, Blumen, Bücher, Obststände und Brathähnchenspieße, all dies und viel mehr an diesem Samstag. Die Kirche mit der winzigen Statue der Guadalupe trat in den Hintergrund, wir fanden das Spektakel in den Gassen viel interessanter. Am Sonntag wollten wir ganz früh einen weiteren Blick in die Kathedrale werfen, aber bis wir um 8 Uhr vor deren Tür standen, wollten uns schon 5 Leute Brathähnchen mit Tortillas verkaufen. Generell ist Mexiko ein beschauliches Land und speziell am Morgen geht vor 10 Uhr oft gar nichts. Anders wenn es um Religion geht; dann ist früh nicht früh genug. Die Morgenandachten sind voller als die späteren und wenn ich im Plural schreibe, meine ich auch mehrere. Die Kathedrale in Mexiko-City hält mit 14 Messen am Sonntag noch immer unseren Rekord, aber 10 Messen an einem Sonntag bekommen alle Kirchen hin, egal wie groß die Stadt ist! Werktags ca. 6 Mal und samstags irgendwas dazwischen. Also die Kirche verpassen fällt sehr schwer...




Nach einer Stunde auf der Straße erreichten wir Lagos de Moreno, die Stadt welche uns Jorge empfohlen hatte. Und er versprach nicht zu viel. Die Kleinstadt hatte einen wunderschönen Stadtkern, mit einer Kirche, die wuchtiger kaum hätte sein können. Das Innere, komplett in blau gehalten, begutachteten wir nur von der Eingangstür aus. Wie gesagt an einem Sonntag eine Kirche ohne Predigt vorzufinden grenzt in Mexiko ans wunderliche.
Die Sträßchen verbanden kleinere Plätze mit Kirchen und gesäumt wurden diese von alten Häusern in Gelb- und Rottönen. Nach einem späten Mittagessen ging es weiter nach Norden und auf etwa 1.800 m über Meereshöhe. Nach einem kurzen Besuch im Freibad (mit frischem Wasser, was den Mexikanern kaum störte, da sie nur das Dosenbier unter den Palmschirmen vernichteten) parkten wir an einem Fußballfeld vor den Toren einer weiteren Großstadt. Aguascalientes im gleichnamigen Bundesstaat lag direkt vor uns, aber anstelle nach einem ruhigen Nachtlager in den Straßen der Stadt zu suchen, zogen wir es vor auf das verlassene Grün des Fußballfeldes am späten Nachmittag zu blicken.







Morgen feiern wir Geburtstag und bis dahin aus dem Ort der heißen Quellen,
Grüße von der ganzen Besatzung