Vor einem Jahr feierten wir meinen Geburtstag am Atlantik in New Brunswick, Kanada. Heute stießen wir in einer
halbwüstenartigen Gegend im zentralen Hochland von Mexiko an. Bevor es aber einen Keks mit einem Schluck Tequila gab besichtigten wir die Stadt Aguascalientes (Kartenlink).
Die Stadt mit ca. 500.000 Einwohner liegt in einem der kleinsten Bundesstaaten. Trotz der Größe der Stadt waren
die Verkehrswege eng und es gab kaum Parkmöglichkeiten für uns. Das Zentrum durften wir mit Pancho gar nicht erst befahren, aber es war ohnehin schon mühsam genug. An einer kleinen Plaza etwas außerhalb fanden wir an der
Straße eine Lücke (auf dem Parkplatz durften wir auch nicht parken, da wir zu groß).
Mit dem Bus ging es in die Innenstadt, aber bis auf den Kern sahen wir nicht viel. Der Regierungssitz indes war
imposant. Die Architektur im Inneren, sowie die großen Wandgemälde an den Stirnseiten des Innenhofes belohnten uns für das Gegurke durch die Straßen. Die Kathedrale aus dem 18. Jahrhundert überragte den gesamten zentralen
Platz, aber von innen war sie sehr schlicht im Vergleich zu anderen kirchlichen Gebäuden in den Kolonialstädten.
Bis zur nächsten großen Kolonialstadt war es zu weit und so fuhren wir in einem der vielen Hidalgo’s von der
Straße und an einen ausgetrockneten See neben dem Dorf. Die Landschaft in der Region um Aguascalientes (heißes Wasser im Bezug auf die vielen Thermalquellen), Zacatecas und San Luis Potosí hatte einen Charakter von Halbwüste.
Tatsächlich ist es eine Wüstensteppe mit vielen Kakteen, fast alle von ihnen blühten und auch Yucca Palmen standen vielerorts in Blühte. In Kalifornien in den Parks angepriesen (Joshua Trees), wuchsen sie im Hochland an
vielen Stellen, aber so viele wie in dieser Region sahen wir danach nicht wieder. Auch ihr Wuchs stach die kalifornischen Vertreter locker aus. Sie waren doppelt und dreimal so groß mit Stämmen so dick typisch für einen
alten Baum. Nichts gegen den Joshua Tree Nationalpark, aber die Yucca Palmen hier in Mexiko gewannen jeden Vergleich.
Als wir parkten kamen uns ein paar Mädchen aus Hidalgo besuchen. Sie waren uns gegenüber sehr misstrauisch und
doch sehr neugierig. Olga, die älteste konnte ein paar Worte englisch, ihre Schwestern nichts. Wir versuchten möglicherweise erfolglos in spanisch zu erklären was wir bei ihnen neben dem Dorfsee machten, wo wir her kamen
und wo wir hin wollten. Vieles ging der jungen Olga sicherlich über ihren Horizont, ist sie selbst noch nie weiter als 20 Kilometer von ihrem Dorf weg gewesen. Ihr Papa war aber schon einmal in Zacatecas und sie war so stolz
dies zu erzählen, da dies unsere nächste Tagesetappe war und sie mitreden konnte. Später als wir aßen klopfte es kurz an Panchos Tür und bis wir öffneten war die kleine Olga wieder 10 Meter entfernt, aber diesmal in
Begleitung einer ihrer älteren Brüder. Sie fragte nur kurz: „Stefan, woher kommst du?“ Ich sagte Deutschland und sie zu ihrem Bruder: Siehste hab ich dir doch gesagt (oder so was ähnliches ☺). Danach winkten beide und rannten wieder weg.
Nach dem Essen gab es Geschenke; einen mit Zuckerstreusel garnierten Keks und angestoßen wurde mit Tequila, Herradura
natürlich.
Der Bundesstaat Zacatecas ist so groß wie der südliche Teil der Baja California und besteht wie gesagt aus Wüstensteppe. Hidalgo lag bereits innerhalb dieses Staates und die Provinzhauptstadt erreichten
wir am späten Vormittag des nächsten Tages. Zacatecas, die Stadt, ist Unesco-Welterbe und bietet dem Besucher auf 2.470 m Höhe einiges. Sie liegt eingebettet
in einer Talsohle zwischen unbewaldeten, kahlen Hügeln. Die barocke Innenstadt wurde aus einem roten Stein, namens Cantera errichtet und viele opulente Klöster und Kirchen standen zur Besichtigung offen. Den Reichtum verdankt
diese 150.000 Einwohner zählenden Stadt, dem schier unerschöpflichen Silbervorkommen in den Bergen. Selbst heute nach fast 500 Jahren werden viele Minen noch immer abgebaut.
Da die Stadt in einer Talsohle liegt, sind die engen Gässchen dementsprechend steil und kurvig. Meine Navigatorin
schaffte es doch tatsächlich mich ins letzte Eck in eine Sackgasse zu manövrieren. Die Gasse gab keinen Platz zum drehen und ich musste auf einer privaten Einfahrt den Zaun etwas drücken, um Pancho in Gegenrichtung zu bringen.
Allerdings standen wir dann sehr gerade, hoch oberhalb der Stadt und fast neben dem Eingang zur Edén Mine. Einen Herrn, der seinen Briefkasten leerte, fragten wir ob wir vor seinem Haus stehen bleiben könnten und er hatte
kein Problem damit. Also rein ins Abenteuer Mine.
Ein paar Jahrhunderte sprudelte Silber im Überfluss aus der Edén Mine und nachdem sie 1960 geschlossen wurde, baute man sie soweit aus, um sie Besucher präsentieren zu können. Mit einer kleinen Bahn ging es rein und auch wenn wir von der auf
spanisch gehaltenen Tour nicht viel verstanden, gefiel sie uns doch sehr. Während der Tour leuchtete der ehemalige Bergwerkarbeiter immer wieder auf Mineralienschichten und auch Silber sahen wir im Gestein. Silberadern waren
noch reichlich vorhanden, aber im Vergleich zu anderen Stollen und Minen in der nahen Umgebung, lohnte sich hier der weitere Abbau nicht mehr. Schon irre, da lag genug Silber um noch etliche Leute reich zu machen, aber irgendwie
hatte da keiner mehr Lust darauf.
Danach liefen wir runter in die Stadt. Und was war diese Stadt schön! Die alten Prachtbauten säumten Plätze
und die Kirchen konnten nicht schlicht gehalten sein, die Kathedrale z.B. verband spanischen Barock mit indianischer Steinmetzarbeit. Die Hauptfassade war komplett mit filigranen Reliefs überzogen, dafür war das Innere eher
einfach. Ganz im Gegenteil die Santo Domingo. Von außen etwas heruntergekommen, erstrahlte Gold im Inneren. Neun vergoldete Altäre schmückten die beiden Seiten, von unten bis zum Kuppelansatz.
Es galt noch zahlreiche weitere Kirchen in den engen Gässchen zu finden, das Aquädukt aufzusuchen und ein Nobelhotel
wollten wir auch nicht nur von außen betrachten.
Das Quinta Real hatte die alte Stierkampfarena als zentralen Innenhof in ihr Bauprojekt integriert. Rundbögen dienten nun als Fensterverkleidung und das rondellartige Bauwerk beherbergte die
Gourmetküche, Bars, diverse Säle und private Essnischen mit Blick auf die Darbietungen im Innenhof. Natürlich keine Stierkämpfe...
Das Hotel Quinta Real war genauso schön und elegant wie der Rest der Stadt. Das Rathaus, wie alle öffentlichen
Gebäude und Hotels in Mexiko dem Besucher geöffnet, zeigte wieder grandiose Wandgemälde.
An Parks lagen kleine Cafés, Kneipen waren in der Innenstadt verteilt, Märkte lagen im Zentrum, immer gut wenn
der kleine Hunger plagte und so verbrachten wir zwei unvergessliche Tage in Zacatecas. Vom Berg La Bufa, den man per Fuß, Auto oder Seilbahn erzwingen konnte, erstreckte sich die ganze Innenstadt zu unseren Füßen. Sagenhaft,
mehr braucht man nicht sagen. In Zacatecas hätten wir es locker noch länger ausgehalten, den Flair der roten Stadt kann man sich nicht entziehen. Nicht ohne Grund zählt sie zu einer der schönsten Kolonialstädte des Landes.
Ein Cafébesitzer hat uns von einer archäologischen Stätte erzählt, die ca. 50 km entfernt von Zacatecas auf
einem Berg liegen soll. Den Abstecher gingen wir ein und fanden La Quemada beachtlich. Wir hörten oder lasen davor nichts von den Ruinen und erwarteten nicht viel und waren
deshalb umso mehr begeistert, als wir den Berg in der Halbwüste fanden und auf ihm eine große Anlage die sich über den ganzen Hügel erstreckte.
Die Erbauer, wer ist unklar, schufen nicht nur eine riesige Mauer um ihre Stadt, sondern legten 170 km Steinwege
zu anderen Städten an. Um 900 n.C. hatte La Quemada ihre Blütezeit, danach verging die Hochkultur langsam wie überall in Mexiko. Viele Anlagen fanden die Spanier im 16. Jahrhundert verlassen und schon teilweise von der
Natur zurückerobert vor. So auch diese.
Es gab mächtige Steinsäulen die ein Tempeldach stützten, eine extrem steile Pyramide, Ballspielplatz und Wohnhäuser,
Treppenstufen so steil und schmal, dass sie Zuhause nicht freigegeben wären und auf dem Gipfel der jüngste Altar des Areals. Der Weitblick über die zigtausend Kakteen war allein schon die Anfahrt wert. Als wäre dies nicht
genug, hatten wir die Anlage zusammen mit 5 im Schatten dösenden Wärtern und 3 Maurern für uns alleine. Ach ja 2 Esel waren auch zugegen...
Nach ein paar Litern Wasser ging die Fahrt weiter durch öde Gegenden, abseits der großen Straßen. Joshua Trees,
oder ihre Verwandten, und kleine Dörfer begleiteten uns auf unserem Weg in Richtung San Luis Potosí. Irgendwann neigte sich auch dieser Tag seinem Ende und in einem kleinen Dorf mit hübschen Namen fanden wir einen Stellplatz
abgeschottet hinter einem kleinen Hügel inmitten von Agaven. Vom Hügel sahen wir Villa Gonzales Ortega, aus Panchos Fenster nur Natur.
Kommen wir zu unserem nächtlichen Besuch. Es war kein Opossum oder Stinktier, welches Simone aus ihrem Schlummer
um 23.30 Uhr riss, sondern ein Pick up. Ich war wie immer noch am tippen und dachte mir nichts weiter, als vom Dach des Fahrzeuges eine Batterie Halogenlichter Pancho in ein Flutlichtmeer tauchte. Was folgte war eine der befremdlichsten
und beängstigendsten Erfahrungen bis dato.
Es klopfte sofort an Panchos Außenhaut und auf spanisch wurde gerufen. Ich schaute aus dem Fenster und sah 2 Polizisten.
Ich solle bitte aussteigen, was ich prompt machte und fand mich 4 Polizisten gegenüber. Einer lief ständig um Pancho, einer stand auf der Ladefläche des Pick ups. Ich registrierte dies aber nur am Rande, denn was meine
Aufmerksamkeit bannte war das Maschinengewehr, was mich aus einem Meter im Ziel hatte. Polizist Nummer 3 visierte meine Brust, kaum stand ich auf dem Wüstenboden, er senkte sein MG während der Kontrolle bis auf meine Hüfthöhe,
aber aus seinem Schussfeld gelangte ich nie. Wie im schlechten oder auch guten Hollywood Film, war Nummer 4 der Macher. Ungelogen, die Szene wird dem einen oder anderen bekannt vorkommen, nur wird niemand mich als Nebendarsteller
gesehen haben. Nummer 4 war gar nicht wie ein Polizist gekleidet, sondern mit hellem Cowboyhut, Lederstiefel und schwarzer Jeans und schwarzem Hemd unterwegs. Der ältere Herr hatte einen mexikanischen Schnauzer, schwarze
Haare und wie selbstverständlich seine rechte Hand auf dem weißen Griff seines Trommelrevolvers im Pistolengürtel. Er sprach und nur er. Schön auf spanisch ein paar Standardfragen. Dann wollte er meinen Führerschein sehen
und ich musste ihm und Mister MG meinen Rücken zuwenden, um meine Papiere zu holen. Ich hatte so viel Schiss wie schon lange lange vorher nicht mehr. Es spukten mir unzählige Filmschnipsel im Kopf herum wie entweder der
weiße Griff des Colts das Halfter verlässt und der Lauf auf meinen Rücken zielte, oder wie MG ein Nicken erhält und er kurz den Stecher betätigt. Ich hoffte und schlotterte, meine Beine waren weich wie Pudding. Meine
Papiere wurden im Scheinwerferlicht des Polizeiautos kontrolliert, für gut empfunden und dann kam weißer Colt auf mich zu, grinste (ich dachte jetzt passiert es) reichte mir meinen Führerschein und Pass und sagte auf englisch
„alles ok mein Freund, kein Problem los lass uns Hände schütteln“. Ich schüttelte ihm die Hand und meine Erleichterung war mir wahrscheinlich ins Gesicht geschrieben, denn er sagte noch etwas um mich zu beruhigen, was
ich allerdings nicht bewusst registriert habe. In dem Augenblick ging mir nur durch den Kopf, dass ich leben, dass wir leben werden. Diese 3 Minuten versetzten mich dermaßen in Schrecken. Ich dachte nur daran, dass sie uns
töten könnten ja werden und niemand jemals die Wahrheit erfahren würde.
WARUM? Ich weiß es nicht. Es war eine Kontrolle, wie sie sie sicher oft durchführen. Zum Teil lag es an besagten
Filmen, in denen die mexikanische Polizei nicht als dein Freund und Helfer gezeigt wird, zum anderen an die negative Berichterstattung der Medien. Wenn wir etwas über Mexiko in den Nachrichten hörten, ging es um Wirbelstürme,
Cancún als sicheren Touristenort, Drogen, Kartellkriege, Tote in den Straßen von Mexiko-Stadt oder über die Korruptheit des Polizeiapparats und dessen Machenschaften mit den Kartellen.
Zugegeben ohne wahren Kern würden diese Dinge nicht verbreitet werden, aber wenn wir jetzt sagen, dass wir bis
auf zwei Ausnahmen auf grundehrliche, freundliche und hilfsbereite Polizisten trafen (und wir treffen sehr oft auf sie, da wir sehr oft kontrolliert werden), würde dies niemand auf der Welt senden oder drucken. Also tun wir
es. Mexiko ist nicht schlimm, vor allem dann nicht wenn man zufriedener Reisender ist.
Wie gings weiter? Sie stiegen ein, fuhren in die Nacht und ich trank einen Tequila und ein Bier mit Simone um meine/unsere
Nerven zu beruhigen. Simone hat am Fenster alles mitverfolgt und nicht minder gezittert. Schöne Anekdote, hoffentlich ein Unikat!
Mit schönen Städten geht es weiter,
die Angsthasen