Auf den ersten Blick überwältigte Puerto Escondido uns nicht. Nach der ersten Nacht war dies allerdings anders (Kartenlink).
Puerto Escondido ist eine Pazifik-Kleinstadt und liegt an einer weit geschwungenen Bucht mit einigen Stränden.
Zugegeben es gibt schönere Strände am Pazifik, aber trotzdem zieht dieser Ort Besucher verschiedenster Art an. Mexikanische Familien schätzen die Bucht und ihre günstigen Optionen im Hinblick auf Hotels und Restaurants.
Rucksackreisende die Auswahl an verschiedenen Strandtypen, die Kneipen und die sehr günstigen Hostels. Surfer hingegen beten die Zicatela-Bucht wegen ihrer Wellen von April bis November an.
Wir steuerten direkt den 30-40 m breiten Sandstrand Zicatela an, der etwas außerhalb der Stadt lag. Fanden einen
guten Parkplatz und schlugen im übertragenen Sinne unsere Zelte auf. Wir liefen den 4 Kilometer langen Sandstrand bis ans Ende und sahen dabei auch einige Wellenreiter. Auf der Uferpromenade (ca. 2 km lang) schlenderten wir
wieder zurück.
Was hat es nun mit den Wellen auf sich. Sie brechen in einem schnellen Rhythmus und so muss der Surfer nicht lange
auf die richtige warten. Sie werden im Sommer 5 Meter hoch und das wichtigste sie brechen auf 300-600 Meter. Uns wurde erklärt dies sei Rekord weltweit, weshalb mehrere internationale Wettbewerbe jedes Jahr dort abgehalten
werden. Wir sahen sofort das Besondere. Dabei entstand eine durchgängige Wellenröhre, die die Profis durchfahren. Soweit sie eben können. Es war klasse diesen Wellen zuzuschauen. Normal bricht sich eine Welle auf ein paar
Metern und läuft an beiden Seiten weiter und dann aus. Hier machte es permanent rums und die nächste 400 Meter Welle krachte auf die Meeresoberfläche. Schlag auf Schlag. Ein langer Wellenkamm und dann die Röhre, die auf
dem Ozean entlang raste. Wahnsinn!
Zu Abend holten wir uns einen frisch geräucherten Fisch (Kilo für 1,20 Euro) beim Nachbarn und suchten uns eine
Kneipe mit TV. Zufällig landeten wir im Fish & Taco und zufällig setzten wir uns an den Tisch, an dem bereits Vater und Sohn saßen. Es folgte eine verrückte und kostspielige Nacht. Mexiko spielte unentschieden im letzten
Gruppenspiel gegen Venezuela und sicherte sich somit Platz 1. in ihrer Gruppe. In ihrem nächsten Spiel in der K.o.-Runde wurden sie von Chile mit 7:1 zerlegt. Dies sahen wir zum Glück nicht.
Vater und Sohn waren so wie wir ordentlich im Spielgeschehen. Brett ist Mexikaner und Besitzer einer Bar, die direkt
am Fish & Taco angeschlossen war. Sein Vater, immer noch englischer Staatsbürger, lebte 31 Jahre in Mexiko und nun seit 4 Jahren auf den Philippinen. Der Vater, wir haben seinen Namen vergessen, vertilgte Bier und Mezcal
(Agavenschnaps) in rauen Mengen und wir erfuhren, dass er sich noch in dieser Nacht ein Tattoo eines Weißkopfseeadlers stechen lassen möchte. Er trank sich Mut an und um 23 Uhr kam endlich der Tätowierer, ein sehr guter
Freund von Brett (Brett hatte 42 Tattoos). Edvardo der Tätowierer musste aber gleich wieder weiter um Farbe und Nadeln zu kaufen. Ne Stunde später war er wieder im Laden. Dann fing er an den Adlerkopf auf Folie zu zeichnen
und eine halbe Stunde später war er auch damit fertig. Bretts Vater schon lange. Der 69-jährige hatte sich fachmännisch volllaufen lassen. Man was haben wir 5 gelacht. Brett wollte das Tattoo gleich im Restaurantbereich
stechen lassen, aber irgendwie kamen sie zur Einsicht, dass vielleicht nicht jeder Gast Lust auf diese Aktion zwischen Fisch und Krappencocktail hätte. Also wechselten wir 5 in die Bar. Dort war es stockdunkel und wir mussten
Licht an den Tresen legen. Dazu bekam Edvardo noch unsere Stirnlampe und kurz nach 1 Uhr nachts legten sie dann los. Bretts Vater hatte trotz Vollsuff leichte Schmerzen und wir tranken im gut zu. Mit jedem Bier bekam man in
der Bar einen Mezcal aufs Haus. Bei 1,50 pro Bier und einen doppelten 48% Schnaps aufs Haus zeigte diese Mischung auch bei uns Wirkung. Bei Bretts Vater zeigte sie so viel Wirkung, dass er um 2 Uhr plötzlich aufstand und
schwankend verkündete er habe genug und gehe zu Bett. Edvardo wollte gerade anfangen die Federn zu weißen, aber so blieb ihm nichts weiter übrig als zusammen zu packen. Brett brachte seinen Vater nach Hause und wir blieben
bis um 4 und stellten dann fest, dass unser Handy weg war. Wir ließen es gutgläubig und gut beschwipst auf einem Bartisch liegen und dann war es als wir gingen weg.
Wir schwankten über den Strand zurück zu Pancho, verschliefen den ganzen Morgen und quälten uns ein bisschen
über den Strand, um unseren Kater auszukurieren. Gegen Abend schauten wir wieder im Fish & Taco vorbei, aber unser Handy war nicht wieder aufgetaucht. Vereinbarten am kommenden Tag ein Treffen mit Brett und waren froh
als wir uns früh am Abend wieder aufs Ohr hauen konnten. Geiler Abend, saublödes Ende!
Brett hatte seinen Vater dabei, der sich an nichts mehr erinnern konnte ☺. Gingen zusammen einen Kaffee trinken und dabei packte Brett ein neues Handy aus, welches er
seiner Freundin vor 4 Tagen geschenkt hatte, die es aber nicht mochte. Inklusive SIM-Karte und kleines Guthaben zahlten wir schlussendlich den Neupreis, aber dafür mussten wir nicht ein Handy suchen und auf spanisch erklären
was wir wollten. Er sagte selber er wolle es nicht und hatte das gleiche Modell wie wir zuvor (wer böse denkt er hatte unseres schäme sich). Wie dem auch sei, jetzt sind wir für 75 € schon halb Mexikaner. Unsere Ländervorwahl
lautet jetzt 0052.
Bei unserem Nachbarn kauften wir wieder Fisch. Einen halben aus dem ich ein Filet heraus schnitt welches uns für
zwei Essen reichte. 75 Cent zahlten wir für den fangfrischen Fisch! Das Reisen am Meer kann sagenhaft günstig sein...
Nach dem wir auch noch Grünzeug hatten fuhren wir am Pazifik weiter. Nach einer Stunde Fahrt kamen wir durch La
Ventanilla, die ihre Mangrovensümpfe mit einem Plakat umwarben. Wir folgten der Beschilderung und gelangten in ein winziges Fischerdorf, wo sie 2,50 Euro für eine einstündige Kanutour wollten. Da konnten wir nicht nein
sagen. Zusammen mit zwei Spaniern (sie übersetzten uns Erklärungen die wir nicht ganz erfassten) ging es durch ein paar Flussarme der Mangroven. Der Mangrovensumpf in La Ventanilla ist 3 auf 7 km groß und man schätzt die
Population an Spitzkrokodilen auf über 2.000 Stück. Die Art wird richtig groß sei aber laut Führer harmlos, solange man nicht in die Nähe einer Mutter mit Nachwuchs kommt. Nachwuchs sahen wir reichlich
und die Mütter auch und auch wenn sie wie Scheintod an der Böschung oder im Wasser liegen können sie blitzschnell reagieren. Nicht schwimmen und nicht die Hand ins Wasser hängen. Ein Elterntier kam unserm kleinen Kanu
sehr nahe und lag etwa einen halben Meter von uns entfernt im seichten Wasser. Plötzlich glaubte keiner von uns vier mehr, dass diese Krokodile völlig harmlos seien. Auf der weiteren Tour sahen wir Schildkröten, diverse
Wasservögel und jede Menge Grüner Leguane. Wir hatten Mangoschalen dabei und die lieben diese Tiere. Ein Pulk von in etwa 15 Tieren machten sich über sie her und ließen uns so ganz nahe kommen.
War ne super Stunde und danach blieb noch Zeit genug einen Platz für die Nacht zu suchen. In den nächsten beiden
Dörfern fanden wir ihn nicht, aber in Puerto Ángel, an einer sehr schönen kleinen Bucht gelegen, stellten wir Pancho an der Straße ab und mussten nur noch 20 Meter bis ans Wasser laufen. Wir hatten nicht den Eindruck,
dass sich viele ausländische Touristen in dieses Städtchen verirrten und hatten die Bucht am Morgen, abgesehen von den Fischern und den Pelikanen, für uns alleine.
Als wir zum wiederholten Male spottbillig unsere Wasserreserven auffüllten, fragten uns die beiden Angestellten
wieso wir denn nach Oaxaca an den Pazifik kommen, wo doch die Lage im Bundesstaat von Tag zu Tag prekärer wird. Wir wussten natürlich von nichts und waren erstaunt welche Lage prekärer wird. Sie teilten uns mit, dass in
Oaxaca und dem Nachbarstaat Chiapas die Lehrer schon seit 6 Wochen demonstrieren und sie bereits seit über 2 Wochen Straßensperren errichten und diese nach und nach ausweiten. Lehrer die seit 6 Wochen demonstrieren und Straßensperren
errichten? Warum und wie ist dies möglich? Sie demonstrierten gegen einen Gesetzesentwurf, der den Schulbesuch kostenpflichtig machen könnte. Die beiden Bundesstaaten gehören zu den ärmsten des ganzen Landes und die Lehrer
möchten vermeiden, dass im ländlichen Bereich die Eltern es sich nicht leisten können ihre Kinder zur Schule zu schicken. Tolle Sache, aber Straßensperren? Nach mehreren Wochen der Demonstration, wie z.B. vor der Kathedrale
in Oaxaca-Stadt, oder wie bei einem Protestzug zum Flughafen in Mexiko-Stadt legten die Lehrer nach und machten zuerst wichtige Schlüsselstellen im Straßennetz dicht und später auch noch weitere Straßen. Der Lieferverkehr
wurde komplett unterbunden, damit kein Kraftstoff an die Tankstellen geliefert werden konnte. Gleiches galt für Lebensmittelgeschäfte, die von Tag zu Tag leerere Regale hatten. Bis zu diesem Tag hatten wir davon nichts gehört
und dies obwohl schon 50 Straßenblockaden in Oaxaca existierten (wir wissen nicht wie viele im Nachbarstaat). Vor allem weiter südlich um eine große Kraftstoffraffinerie war alles dicht. Dort ließen 4 Sperren kein Auto
durch, manche Personen sagten für 40 Euro pro Sperre könnten Privatfahrzeuge durchfahren. Aber dies wären dann nur 4...
Als wir dies hörten entschleunigten wir und fuhren nach Bahía San Agustín an den Strand. Ein Schild verkündete
es wären 13 Kilometer und so versuchten wir unser Glück. Die Schotterpiste war schlecht, das winzige Nest und vor allem der Strand umso besser. Es gab ein paar einfache Restaurants am Wasser (machten um 18 Uhr dicht) und
am Ende dieser Kette kamen mehrere unbebaute Flecken von denen wir uns einen auspickten. Hatten unseren eigen Strand im Hotel Pancho. Die Bucht hatte leichte Wellen, glasklares Wasser und einige Korallen direkt in der Bucht.
Wir blieben dort zwei Tage, faulenzten, planschten im Ozean, gingen schnorcheln und liefen zu zwei anderen, wesentlich raueren Stränden. Es war klasse dort. An beiden Tagen kam je ein Ausflugsboot vom nahe gelegenen Huatulco
(auf einem waren die beiden Spanier von der Krokotour) und das wars. Sonst waren dort nur Fischerfamilien. Einem Fischer half ich sein Boot am Abend ins Wasser zu schieben und dafür bekamen wir am kommenden Morgen 2 Red Snapper
geschenkt. Schmeckten bombastisch!
In Bahía San Agustín interessierte sich niemand für Lehrer oder deren Streiks.
Nach einem letzten Bad in der Bucht benötigten wir nicht einmal eine Stunde bis nach Bahía de Huatulco. Das dies
ein Großprojekt der staatlichen Entwicklungsbehörde für Tourismus war konnten wir nicht übersehen. Es begann mit dem Flughafen und ging über in Luxus-Hotelanlagen mit Golfplätzen und Jachthafen. Rund um Huatulco lag
satter grüner Regenwald, was aber nicht der Grund für das Großprojekt war. Vielmehr liegen in 9 Buchten 36 Strände, die meisten mit Korallenriff frei Haus und tiefblauem oder türkisfarbenem Wasser. Einige Buchten sind
als Naturschutzgebiet ausgeschrieben, so dass man nur per Boot an deren Strände gelangen kann. Wir besuchten nur 4 Strände und fanden an allen das gleiche Bild. Hotelanlagen und etliche Menschen am Strand bzw. im Wasser.
Der Strand von La Entrega war wohl der schönste in unseren Augen. In dieser Stadt erlebten wir die Auswirkungen des Lehrerstreiks zum ersten Mal. Alle Tankstellen waren geschlossen, die Supermärkte führten fast keine frische
Produkte mehr. Als wir in einem Café saßen, gab es nur noch Kaffee oder Tee. Die Kühltheke war abgestellt. Es gab keinen Muffin oder Croissant, keinen O-Saft oder ne Coke. Dort erzählten uns die beiden Damen dieser Streik
könnte sich noch für Monate hinziehen und es könnte noch schlimmer werden. An diesem Tag wurde Oaxaca-Stadt lahm gelegt. Wir waren noch vor wenigen Tagen dort und nun hatten die Lehrer 4 Zugangsstraßen verbarrikadiert.
Auch unseren Weg nach Puerto Escondido aus dem Hochland kommend. Wir wurden nervös.
Da die Stadt uns keine Möglichkeit bot mit Pancho ans Wasser zu gelangen fuhren wir 10 km weiter bis nach La Bocana.
In dem sehr kleinen Dorf gelang uns dies, auch wenn der Strand nur 20 Meter lang war. Am späten Abend kam ein mächtiges Gewitter über uns und die Straße verwandelte sich in einen Fluss. Es schüttete für 2 Stunden und
endlich kühlte es ab. In dieser Nacht hatten wir kühle 23°C ☺.
Die Auswirkungen des Lehrerstreiks wurden immer deutlicher. Wir hatten die Straßen fast für uns alleine. Pkws
wurden kaum noch bewegt, da die Zapfsäulen hier seit 3 Wochen trocken lagen. Wir verbrachten ein paar Stunden im Netz um einige Informationen zu bekommen. Ergiebig war dies allerdings nicht. Die Fronten waren verhärtet,
keine Aussicht auf Besserung.
Den Nachmittag verbrachten wir am Strand und am Abend fuhren wir zum Dörfchen hinaus.
Es war Montag. Direkt am Strand hatte ein junger Surflehrer seinen Shop und er war um 6 Uhr frühs in der Schlange
vor der Tanke gestanden. Am Abend zuvor um 21 Uhr hatten die Streikposten via Facebook verkündet die Sperren für eine Stunde zu öffnen um Kraftstoff und Lebensmittel durchzulassen. Danach werden sie die Sperren wieder für
7 Tage schließen.
Der Surflehrer bekam Benzin, aber wie viele wohl nicht? Viel schlimmer, erzählte er uns in der Nacht seien in Oaxaca-Stadt
unbeteiligte Passanten aus fahrenden Autos erschossen worden. 6 Menschen mussten wegen dem Zorn vieler Bürger sterben. Er sagte wenn wir können sollen wir verschwinden; er schämte sich für sein Land. Wir folgten seinem
Rat und verwarfen unsere geplante Route. Es sah so aus als sollten wir die Pazifikküste nach Norden fahren, über Acapulco zurück nach Mexiko-Stadt, Puebla ein zweites Mal sehen und am Atlantik in Richtung Yucatán-Halbinsel
weiter reisen. Was für ein Umweg, aber wenigstens hatten wir noch die Chance zu fliehen.
Zwischen Straßenblockaden,
die Eingeschlossenen
PS: Stand heute: Die Lehrer kontrollieren immer noch die Straßen!