Mittwoch, 13. Juli 2016

Wieder am Atlantik (27.05.2016 - 31.05.2016; aktueller Standort: Puerto Morelos, Quintana Roo)


@ Alfons: Schon wieder ist ein Jahr vorüber... macht nichts es kommen noch viele! Paps, alles alles Liebe zum Geburtstag. Nächstes Jahr kommen die Grüße aus Südamerika .

Es waren nur noch etwas mehr als 170 km bis zum Atlantik. Locker an einem Tag zu schaffen und die Nacht am Strand verbringen. So dachten wir und irrten leider. Wir kehrten Xilitla den Rücken und fuhren den ganzen Tag. Den Bundesstaat Hidalgo kreuzten wir wieder für ein paar Stunden und kamen in Veracruz an. Noch nicht in der gleichnamige Stadt am Atlantik, sondern im Bundesstaat (Kartenlink).

Wir haben es schon öfters erwähnt und auch vor kurzem über die Straßen- und Verkehrssituation in Mexiko geschrieben, bei der der Begriff Topes viel. Mexiko ohne Topes wäre wie Weihnachten am 13.07, wie Ostern auf dem Mond, oder Dieter Bohlen und gute Musik. Eine Wunschvorstellung, eine Utopie, etwas was es einfach nicht gibt! Allerdings hätten es 448 Topes weniger auf diesen Kilometern auch getan. Dann wären nur noch 2 pro gefahrenen Kilometer gekommen. Zugegeben alles etwas überspitzt, aber so extrem wie an diesem Tag hatten wir es vorher und auch nachher nie wieder mit den Bremsschwellen. Überall waren sie, oft ohne Beschilderung. In Kurven, den Berg runter in unbewohnten Regionen und wehe es kamen 3 Häuser. 6 Topes mindestens und jetzt stellt euch vor es kam ein Dorf mit 212 Häuser! Wir fuhren mehr 20 km/h als 50. Wir kamen nicht vom Fleck und es war grausam. Die Knie schmerzten bereits zum Mittagessen und wir fluchten und beschwerten uns lautstark in Panchos Fahrerhaus. 2 gute Dinge hatte der Tag. Wir bekamen am Straßenrand in Hidalgo so gute Litschis wie noch nie zuvor. 70 Eurocent das Kilo. Limetten, Bananen und Mangos kauften wir an anderen Topes. Es gab ja ein paar...
Und der Stellplatz für die Nacht an einem Fluss. Wir sahen von einer Brücke aus Mexikaner im Fluss planschen und Wäsche waschen und da hatten wir endgültig genug von diesem mistigen Gehüpfe über die Fahrbahnhöcker. Wir stellten uns direkt ans Wasser, erfrischten uns und liefen ins kleine Dorf. Dort trafen wir Jose auf seiner Gitarre üben. 2 Stunden versuchten wir unser leidiges spanisch an ihm. Jose war sehr geduldig und da sein Vater Arzt war, kam er in seinem Land schon ziemlich herum und konnte uns sehr viel interessantes von Mexiko vermitteln. Dass uns die Moskitos wieder belagerten brauche ich wohl nicht zu erwähnen.


Nach einem Morgenbad im Fluss ging es wesentlich besser durch den Staat Veracruz (nur gering größer als Bayern). Auch hatten wir die Berge hinter uns gelassen und so bewegten wir uns schnell auf Papantla zu. Papantla ist die Heimat der Voladores, derer die fliegen. Genau deswegen trägt diese kleine Kolonialstadt und Zentrum des Vanilleanbaus den Titel Pueblo Mágico. Es war der Tag des Champions League Finales und die Kneipen waren voll, überall lief die Übertragung und kaum passierte etwas Entscheidendes strömten die Straßenhändler ins nächste Haus um, wie in Deutschland, den Schiedsrichter zu beschimpfen oder ihm lautstark zuzustimmen. Dies war genau genommen unterhaltsamer als die Vorführung der Voladores. Wer sind nun aber diese, die da fliegen? Vogelmenschen?
Wohl kaum. Es ist ein 1.400 Jahre alter religiöser Brauch, bei dem 5 Darsteller einen Holzstamm (heutzutage meist aus Beton) empor klettern und sich 4 von ihnen an einem beweglichen Rahmen an einem Bein festknoten und in 13 Umdrehungen zu Boden schweben. Der Fünfte spielt die ganze Zeit auf der Spitze des rotierenden Rahmens auf einer kleinen Flöte und schlägt eine winzige Trommel. Mit Vorspiel dauerte das Ganze 10 Minuten, das Fußballspiel einiges länger .
Wir starteten Pancho für lediglich weitere 6 Kilometer. Es war später Nachmittag und wir wollten ganz früh eine weitere Tempelanlage besichtigen und von anderen Reisenden wussten wir, dass wir auf dem Parkplatz der Anlage pennen können. Also stellten wir uns auf die riesige Grasfläche der archäologischen Stätte von El Tajín. Dem Nachtwächter gaben wir 1,50 Euro, obwohl er beteuerte der Parkplatz sei frei, aber er gegen eine kleine Aufmerksamkeit nicht verschlossen sei. Kein Problem und für die stille Nacht (abgesehen von den Insekten) hat es sich sowieso gelohnt.





Noch während unseren Spanischübungen am Morgen fuhren die ersten 5 Tourbusse vor. Hallo hatten wir was versäumt? Es war kurz nach 7 und die Anlage öffnete erst um 8 Uhr! Was die schon so früh hier wollten blieb uns ein Rätsel, aber mit der erhofften Ruhe in El Tajín war es wohl vorbei.
El Tajín war eine weitläufige Anlage. Wer sie erbaute ist heute unklar, sie wurde verlassen vorgefunden. Zwischen 300 n. Chr. und 1100 n. Chr. hatte sie ihre Blütezeit und wurde später wieder vom Dschungel übernommen. Die siebenstöckige Nischenpyramide gilt wohl als bedeutendstes Bauwerk von allen, wir empfanden sie als eine der schönsten Pyramiden Mexikos. Auf einer quadratischen Grundfläche von 35 m Seitenlänge trägt die Pyramide 364 Nischen, mit dem Tempel auf der Spitze 365. Man weiß, dass die Pyramide komplett bemalt war, die Nischen blau und rot, die Steinfassade trug einen farbigen Verputz. Ganz El Tajín schien vollständig in Farben erblüht gewesen zu sein. Modelle im Museum zeigten dies jedenfalls so. Wenn es annähernd so aussah, muss die Stadt wunderschön gewesen sein. El Tajín schien ein Trainingslager für Fußballer, oder Austragungsort der präkolumbischen Ballspielmeisterschaften gewesen zu sein. 17 Ballspielplätze wurden bis heute gefunden (etliche Teile sind noch im Urwalddickicht verborgen), so viele wie wahrscheinlich nirgendwo sonst. Im Ernst, es wird vermutet dass El Tajín ein Zentrum des Pelota (Ballspiels) war. Was auch immer es war und wer auch immer sie erbaut hat, wir fanden die archäologische Stätte mit all seinen Tempeln und Ballspielplätzen grandios. Besonders aber die Nischenpyramide, schöner als die Sonnenpyramide in Teotihuacán. Zur Mittagszeit waren wir mit unserer Besichtigung fertig, aßen einen Happen in Papantla und fuhren die letzten 35 Kilometer bis an den Atlantik.














Am 31.05.2015 verabschiedeten wir uns in Labrador, Kanada für eine lange Zeit vom Atlantik. Fast genau ein Jahr später (29.05.2016) waren wir wieder zurück. Allerdings waren wir von der Qualität der Strände etwas enttäuscht und daher fuhren wir weiter in Richtung Veracruz mit der Hoffnung auf Besserung. Wir versuchten ein paar kleinere Plätze, aber nirgendwo konnten wir bleiben. Wir fragten einen Fischer am Wegesrand und er wollte uns einen Platz auf einer Kuhweide direkt am Meer zeigen. Wir kamen dort an und blieben prompt wieder einmal im Sand stecken. Man merkt wir werden langsam geübt, denn wir versuchten erst gar nicht irgendwie frei zu kommen. Wir montierten sofort die Sandbleche ab und der Fischer holte inzwischen Treibholz vom Strand. Mit vereinten Kräften waren wir schnell wieder frei. Aber auch dort war es nicht wirklich schön, noch dazu standen wir auf privatem Grund, weshalb der Fischer meinte er könne uns einen Platz direkt am Wasser zeigen. Na gut versuchen wir es. Der Fischer stand außen auf dem Trittbrett und hielt sich am Außenspiegel fest und ich fuhr langsam, damit wir ihn nicht an einem Busch abstreiften. An einer Stelle musste er einen toten Baum zur Seite drücken und als wir einen Fluss erreichten, an dessen Mündung wir eine winzige Fischersiedlung mit 6 Holzbaracken sahen, wussten wir wohin er uns lotsen wollte. Der Weg dorthin war definitiv nicht für einen Lkw gedacht und als wir die Holzhütten erreichten standen die Koniferen sehr eng beieinander und ein Ast war viel zu tief. Für uns hieß es umdrehen, für den Fischer ich besorge kurz eine Machete. Er kletterte kurzerhand den Baum hoch und hieb mit der verrosteten Machete den armdicken Ast ab. Ganz geschwind und das Problem war beseitigt. Danach noch durch die Bäume hindurch und ab auf den Steinstrand. Bis wir ausstiegen war der Fischer bereits im Wasser und warf sein Netz aus. Der Platz war nicht viel besser als der vorherige, wir aber müde genug um dies zu verdrängen. Von der Nachbarhütte wurden lange Hälse gemacht, aber erst als der Sohn der Dame aus dem 2 km entfernten Santa Ana eintraf kam ein Gespräch auf. Wir konnten mit ihm auf englisch reden und er fand unser Vorhaben spitze. Kam gleich mit Litschis und einer Wassermelone vorbei, später um uns zum Essen einzuladen, aber wir hatten bereits gekocht. Äußerst freundlich. Seit langem hatten wir in der Nacht endlich wieder eine Meeresbrise im Inneren, himmlisch.


Der Aufbruch vom Steinstrand verlief anders als geplant. Dass die Bäume eng standen sagte ich bereits und mit dem falschen Winkel kamen wir mit Pancho nicht durch die Bäume hindurch. Mit dem rechten Rad schabte ich die Rinde eines Baumes ab und links blieb der Blinker hängen. Ich konnte den Blinker noch retten, aber kaum waren wir durch die Bäume hindurch gab es einen Knall und man hörte pfeifende entweichende Luft. Ein Blick aus dem Fenster genügte und ich sah sofort, dass ich an der Luftfiltereinheit ein Außenventil abgefahren habe. Interessanterweise blieb der Druck noch stabil. Wir schalteten ab und besichtigten das Malheur. Der Herr vom Vorabend kam heran und zusammen inspizierten wir den Schaden. Hatte das Ventil (Luftpresser) schön abrasiert. Wir bekamen den Vorschlag unterbreitet das Loch mit einem 2-Komponenten Kleber abzudichten. Benito Esquivel, Fischer und Koch und der Herr der sehr gut englisch sprach hatte damit seine Heizung abgedichtet als er in den USA lebte. Beides zusammen gerührt und ab auf das Metall. Nach einer halben Stunde wurde es langsam fest und nach einer vollen Stunde wollten wir (naja hauptsächlich ich) nicht länger warten und ließen Pancho wieder an. Nach 5 Meter zischte die Luft wieder und wir verloren diesmal auch etwas an Druck. Sofortiger Stopp. Man war ich sauer auf mich... Benito war der Ansicht, dass wir zu früh los wollten. Vermutlich war er im Recht. Er kam mit einer anderen Lösung. Als Fischer besitzt man Fiberglas und Harz, um sein Boot abzudichten. Damit kam Benito an und machte sich fachkundig ans Werk. Einzig wir sollten längere Zeit warten, am besten 24 Stunden. Super ein paar Meter weg vom Meer, keinen Luftzug dafür aber Moskitos und wir in einem Nest mit 7 Menschen. Dafür war sich unser Helfer aber auch sicher, dass wir kein Problem mehr mit unserem Loch haben würden. Er fuhr uns dann nach Santa Ana und holte bei einer Bekannten ihr Internet Passwort. Dann lud er uns auf ihrer Veranda ab und wir konnten wenigsten anfangen einen Blog online zu setzen. Danach weckten wir ihn aus seinem Nachmittagsschlummer und es ging zurück an den Atlantik. Er kaufte schnell bei einem Fischerfreund einen soeben gefangen Fisch, den er für uns am Abend zubereitete. Sagenhaft lecker, außer die Nacht die wurde stickig.
Wir können uns über die Gastfreundlichkeit der Mexikaner wahrlich nicht beklagen!


Das Provisorium hielt, das Loch war mit steinhartem Fiberglas überzogen. Gegen 11 Uhr waren wir in Veracruz. In der Nähe der Stadt landeten die Spanier am 21.04.1519 erstmals an Mexikos Küste. Die erste spanische Siedlung wurde gegründet. La Villa Rica de la Vera Cruz (Reiche Stadt des wahrhaftigen Kreuzes) war geboren, das heutige Veracruz. Heute ist die älteste Stadt Mexikos die vielleicht größte und bedeutendste Hafenstadt des Landes mit ca. 500.000 Einwohnern. Sie soll exotisch, heiß und pulsierend sein. Marimba-Spieler sollen in den frühen Abendstunden ihre Xylophone bearbeiten. Harfen- und Gitarrenklänge sollen durch die Parks hallen und der Song La-Bamba überall zu hören sein.
Wir parkten einige Querstraßen außerhalb des Zentrums wie üblich, liefen in die Stadt wie üblich und fanden eine tote Stadt vor, überhaupt nicht üblich. In Veracruz war es heiß, aber die Stadt war verfallen und pulsiert hat dort schon länger nichts mehr. Der Malecón samt dem kleinen Strand waren menschenleer. Nicht mal Autos parkten an der langen Uferstraße und wir fragten einen in der Hitze dösenden Budenbesitzer ob Lkw’s hier fahren und parken dürften. Klar, warum nicht? Tja warum eigentlich nicht bei soviel Autoabstinenz. Wir holten Pancho und parkten direkt vor dem kleinen Strandabschnitt und konnten endlich unser Wohnzimmer mit Frischluft versorgen. Wieder rein ins Zentrum und hofften, dass der Abend besser werden würde. Auf dem Marktplatz spielte eine Band 3 Lieder, 4 Paare tanzten dann war Schluss. Harfe, Gitarre oder Xylophon suchten wir vergebens, gutes Essen auch und La-Bamba hörten wir kein einziges Mal, auch wenn das Lied von Veracruz stammen soll. Wir erlebten den Abgesang auf eine Stadt.
Das einzig Gute war der Stellplatz direkt auf dem Malecón, ruhiger Schlummer garantiert .



Aus dem heruntergekommenen Veracruz,
die Reisenden