Donnerstag, 10. November 2016

Auf der Carretera del Norte nach Nicaragua (25.09.2016 - 30.09.2016; aktueller Standort: San José, San José)

Copán Ruinas lag hinter uns und ein langer harter Tag auf Honduras Straßen vor uns. Bevor wir diesen allerdings antraten hielten wir bereits nach 30 gefahrenen Kilometern um einer Einladung zu folgen (Kartenlink).

Direkt an der Straße lag das Familienunternehmen der Welchez. Zwei Tage zuvor hatten wir das Vergnügen Vater und Sohn beim Ulmer Thomas Wagner kennenzulernen. Die beiden Juans waren nicht zu Hause, aber der jüngste Sohn des Kaffeeunternehmens hieß uns willkommen und wusste über uns bestens Bescheid. Er hatte alle Fakten parat und wir staunten nicht schlecht, aber angeblich waren sein Vater und Bruder von unserem Unternehmen ziemlich angetan und sie hörten nicht auf der Familie unsere Geschichte zu erzählen .
Wir bekamen Kaffee eingeschenkt (vom feinsten) und einen kostenlosen Crashkurs in Kaffeeanbau obendrein. Die Multimillionäre scheinen sehr bodenständig geblieben zu sein, welches sie wirklich sympathisch machte. Sie bieten den kleinen Kaffeeplantagenbesitzern ihre Infrastruktur an und wollen dafür nichts. Außer dass Welchez bessere Konditionen aushandeln kann, da sie so mehr exportieren können als nur von ihren eigenen Hängen. Die Kleinbauern müssen aber nur die getrockneten Bohnen abliefern und bekommen ohne weitere Arbeit den vollen Betrag pro Kilo geröstete Bohnen (ihr Gewinn ist viel größer als wenn sie die Bohnen in Honduras verkaufen müssten). So wächst der internationale Anteil an Kaffee aus Honduras jährlich; auch in Deutschland ist der Kaffee vom Welchez Imperium zu finden.
Leider blieb es beim kostenfreien Kaffee. Finanziell wurden wir nicht gesponsert, aber wir wollen nicht unverschämt werden, guter Kaffee ist uns immer einen Stopp wert.

Dann hieß es fahren und als wir kurz vor der berüchtigsten Großstadt Honduras ankamen verbesserte sich schlagartig die Straße. Die Carretera del Norte (Straße vom Norden) beginnt bei San Pedro Sula (erhielt 2012 den Titel als gefährlichste Stadt der Welt) und führt den Verkehrsteilnehmer bis in die Hauptstadt im zentralen Süden. Unerwarteterweise erreichten wir so den Lago de Yojoa, einen weitestgehend unerschlossenen See der von dichtem tropischen Wald eingeschlossen ist. Am nördlichen Ende des großen Sees steuerten wir wieder eine Brauerei an, ausnahmsweise aber nicht seines Bieres wegen. Einerseits liegt der See malerisch zwischen Bergen, aber andererseits ist er so gut wie nicht zugänglich. Also brauchten wir vor Ort einen Veranstalter und die Brauerei hat sich einen gewissen Ruf erarbeitet. Wir hätten auf dem Gelände parken können wollten aber keine 7 Dollar zahlen und fanden auch die restlichen Preise sehr gepfeffert. Wir sagten den Verantwortlichen klar ins Gesicht, dass wir diese Preise nicht zahlen werden und uns direkt auf die Straße vor ihrem Anwesen stellen werden. Ohhhh unsicher!!! Gefährlich!!!! Nicht gut!!!! Und wie immer fielen auch sie auf die gleiche Frage herein wie jeder in Mittelamerika. Jedermann ist immer stolz behaupten zu können, dass alles tranquilo ist. Ruhig, friedlich, gelassen, entspannt, sicher etc. Also fragen wir immer ob die Stadt, das Dorf, der Stellplatz oder was auch immer tranquilo ist. Zu 99% lautet die Antwort immer: natürlich, völlig, kein Problem. Auch hier. Wir schmunzeln dann immer und fragen provozierend nach also ist es doch nicht unsicher? Meist merken die Angesprochenen, dass sie sich in einen Widerspruch gebracht haben und bestätigen die Sicherheit vor Ort. An der Brauerei fingen sie an zu erzählen es würden tagsüber Schulkinder vorbeilaufen und die könnten ja was kaputt machen. Teufel auch, diese Gewaltverbrecher in einem 921 Seelen Dorf! Uns schlotterten die Beine als wir Pancho am Straßenrand abstellten (übrigens fast am Dorfende in einer Seitengasse). Ein Passant winkte uns beim parken zu und meinte toller Platz zum parken, besser gehts nicht. Super ruhig und sicher. Tranquilo eben...
Trotzdem mieteten wir am kommenden Tag ein Doppelkanu in der Brauerei und ließen uns zu einem Fluss bringen. Die nächsten 3 Stunden paddelten wir am Seeufer entlang. Schilf und Bäume säumten den Fluss und ständig schreckten wir Reiher und Eisvögel auf. Leider auch ein Wespennest welches wir am Ast übersahen. Plötzlich hörten wir es brummen und zum Glück flogen alle bis auf eine Wespe in die entgegengesetzte Richtung. Die eine aber stach mich direkt in die rechte Schulter, die daraufhin anschwoll. Bis wir wieder zurück waren, war von der Schwellung nichts mehr zu sehen. Schwein gehabt. Da wir die ganze Zeit in der Sonne paddelten waren wir ziemlich erschöpft. Diese Art der Betätigung waren wir gar nicht gewohnt und fanden auch nicht so recht gefallen daran.
Als wir weiter fuhren kauften wir in der nächsten Kleinstadt Gemüse und Obst auf der Straße, Fleisch beim offenen Metzger und Brot beim Bäcker. Danach ging es am Seeufer entlang, ohne es allzu oft zu sehen und bogen dann links ab um in die Berge zu gelangen. Ein Nationalpark war unser Ziel, aber da wir nicht für diesen Tag zahlen wollten, es war schon 15 Uhr, suchten wir ein Plätzchen außerhalb der Parkgrenzen. Die Straße war eng und ging über Stock und Stein. Ein Kabel kappten wir fast und wir dachten schon es könnte mit einem schönen ebenen Plätzchen nichts werden, als wir an ein riesiges Anwesen vorbei kamen. Fußballplatz, Feuerstellen und riesiger Wiese am Waldrand inbegriffen. Wir verstanden das Plakat nicht ganz, dachten aber es sei ein Campingplatz. Fast richtig. Es war nur ein Aufpasser dort und wir fragten ihn ob wir für eine Nacht auf der Wiese parken könnten. Er rief seinen Chef an und gab mir sein Handy. Dieser sprach sehr gut englisch und es stellte sich heraus, dass es ein christliches (Freizeit-)Camp war, welches immer von Donnerstag bis Sonntag belegt war. Heute war Montag und somit hatte der Verantwortliche kein Problem damit. Danach unterhielten wir uns mit dem Wächter bis es dunkel wurde. Er war sehr interessiert und nahm sich Zeit und sprach langsam, damit wir auch alles verstanden. Wir durften alles auf der Anlage nutzen und da es schon ruhig war als wir ankamen könnt ihr euch vorstellen wie die Nacht wurde. Sternenklar mit vielen Glühwürmchen auf der Wiese und sonst nichts.
Dafür wurde der Morgen laut, aber nicht durch Menschen, sondern wegen der vielen Vögel die „lärmten“. Wir sahen viele Montezumastirnvögel (namentlich kennen wir ihn aber erst seit unserer Tour mit unseren Freunden), Weißstirnamazonen und farbenfrohe Fischertukane. Kolibris waren wie immer viele unterwegs, aber die sind eher ruhige Vertreter der fliegenden Zunft. War ein tolles Morgenkonzert und ich musste unsere Spanischübungen abbrechen, da ich ständig aus dem Fenster spähte.



Nach diesem perfekten Start in den Tag machten wir uns auf die letzten 6 Kilometer bis in den Nationalpark. Wir waren die ersten im Cerro Azul Meámbar NP und sagten wir würden über Nacht stehen bleiben wollen. Erst wollte der Parkwächter viel zu viel Kohle und wir taten dies ab und erklärten wir fahren dann halt wieder am Nachmittag und plötzlich ging es dann sehr viel günstiger. Genaugenommen konnten wir frei auf einer schönen Wiese inmitten der Natur parken. Der Eintrittspreis beinhaltete das parken des Autos und nichts anderes taten wir ja auch .
Wanderschuhe an und auf in den Nebelwald. Wir liefen bis zum späten Nachmittag und kamen durch unterschiedliche Waldformationen. Vom tropischen Regenwald bis in den mit Flechten und Moosen behangenen Nebelwald. An diesem klaren Tag war von Nebel aber keine Spur. Riesige Baumfarne passierten wir, gelangten an 2 Wasserfälle, hatten einen spektakulären Blick auf den Lago de Yojoa und Simone ihre Begegnung mit einer Schlange. Ich lief hinterher und machte gerade ein Foto eines 15 m hohen Baumfarns, als Simone ein paar Meter vor mir auf dem Weg plötzlich aufschrie. Ich fuhr herum und lief los als sie rief Vorsicht eine Schlange! Und da kam sie schon, die dünne grüne Schlange mir entgegen. Ich machte auf dem Waldweg Platz und auf meiner Höhe preschte sie weiter und direkt einen dünnen Ast empor. Erst als sie den Waldboden hinter sich hatte entschleunigte sie. Ich glaube die Schlange (eine Natter würde ich sagen) ist genauso erschrocken wie Simone. Sie wäre fast auf sie getreten. Wunderte sich noch was ein grüner Schlauch mitten auf dem Weg macht, als dieser zum Leben erwachte und an ihr vorbeischoss. Als das Adrenalin sich legte lachten wir und bewunderten das schöne Tier.
Nach einem wunderbaren Wandertag verbrachten wir den Sonnenuntergang im Restaurant und schauten aus dem Panoramafenster. Die Nacht wurde wieder still, nur Zikaden sangen ihre Lieder.








Der Morgen begrüßte uns wieder mit vielen Vögeln. Diesmal schnappten wir unseren Kaffee und setzten uns auf eine Holzbank und schauten Tukane, Papageien und Kolibris beim Frühstück zu. Tukane oder jeglicher größere Vogel ist ein Ah-Erlebnis, aber Kolibris die den ganzen Tag von Blüte zu Blüte zu hüpfen scheinen sind unsere wahren Favoriten. Es leben zig Arten in Mittelamerika und alle haben sie ein schillerndes Federkleid gemein. Wenn man sich ruhig verhält kann man bis auf wenige Zentimeter an ihnen herankommen, wenn sie an denen mit Zuckerwasser gefüllten Spendern in der Luft zu stehen scheinen. Nur sind sie so unendlich schwierig zu fotografieren. Sie sind nie da wo die Kamera fokussiert.

Es ging weiter auf der Carretera del Norte nach Comayagua. Dies war die erste Hauptstadt von Honduras und für lange Zeit das Herzstück des Landes. 1880 wechselte die Landesregierung nach Tegucigalpa. Comayagua konnte mit noch vielen kolonialen Bauten aufweisen und in der Innenstadt ging es sehr gemächlich zu. Sie hatte etliche Plätze und wie in Kolonialstädten üblich jede Menge Kirchen. Die Kathedrale von Comayagua ist die größte ihrer Art aus der Kolonialzeit in Honduras. Sie war von innen und außen beeindruckend und eine 900 Jahre alte Uhr mit der alten römischen 4 zierte ihren Turm (IIII anstatt der heutigen IV). Vom Kirchturm war der Blick sensationell. Da wir nicht in der Stadt nächtigen wollten machten wir uns am Nachmittag wieder auf die Socken und fuhren bis kurz vor Tegu, wie die Honduraner ihre Hauptstadt nennen. Auf fast 1.500 Höhenmetern parkten wir etwas abseits der Straße und hatten vor am nächsten Tag die Grenze zu überqueren.









In Tegu kamen wir schnell an und hörten auch über diese Stadt nur Schlechtes. Für Verkehrsteilnehmer gibt es keine Umgehungsstraße sondern man muss die in einem Talkessel liegende Stadt fast zentral durchqueren. Die Millionenstadt liegt spektakulär an bewaldeten Hängen mit dem Zentrum im Tal und wir fanden das Erscheinungsbild überaus ansprechend. Von oben sah die Stadt knallig bunt aus mit einem markanten Turm in der Mitte. Wir hielten nicht, kurbelten die Fenster hoch und verriegelten die Türen. Dies ging gut bis wir durch eine Baustelle mussten und im Stop und Go Verfahren langsam den Berg empor krochen. Viel Pedalarbeit war gefragt. Kaum waren wir an der letzten Baumaschine vorbei mussten wir wieder auf die Bremse, da ein Bus schlagartig vor uns anhielt. Pancho ging daraufhin aus und wollte nicht mehr anspringen. Hinter uns setzte sofort ein Hupkonzert ein (da kennt man auf der schmalen Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika kein Erbarmen). Der Zündschlüssel entlockte unserem treuen Gefährten nur ein Winseln und nach einigen Versuchen trat ich das Gaspedal voll durch. Dabei sprang Pancho an und wir waren wieder am Rollen. Wir rätselten was passiert sein könnte kamen aber auf keine Lösung.
Wir dachten wir seien im Endspurt als 30 km vor der letzten größeren Stadt bei einer Talfahrt Pancho ausging. Wir mussten bremsen da vor uns ein Auto abbog und plötzlich war der Motor aus. Ich zog sofort nach rechts und ließ Pancho ausrollen. Wir hatten großes Glück, dass wir direkt an einer Tankstelle hielten und eine Reifenwerkstatt auf der anderen Straßenseite war. Pancho war tot und nach 3 Minuten kam der Chef der Werkstatt rüber und fragte ob er helfen solle. Klar warum nicht, denn wir sind bekanntlich keine Mechaniker. Im Nachhinein müssen wir leider sagen, dass es ein schlechter Mechaniker war. Hoffentlich versteht er vom Reifenwechseln und reparieren mehr. Unter anderem reinigte er die Kontakte an den Batterien, prüfte den Dieselfilter und reinigte ein Schauglas in der Dieselleitung. Dieses schrottete er fast. Er fand ein Loch in einer Druckluftleitung, welches wir schon kannten. Nur dass es so groß war war uns neu. Er zückte sofort sein Messer und kappte die Leitung in der Mitte. Tja dann war der Plastikschlauch auf einmal sehr kurz und er bekam ihn kaum fest. Schnitt noch eine Dichtung kaputt und machte große Augen als ich ihm auf seine Frage antwortet: Nein wir haben kein Ersatz von diesem Schlauch bzw. Dichtung dabei. Irgendwann war die Druckluftleitung wieder dran und er fand das wahre Problem. Da er auf dem Motor und dem Kompressor herumturnte beschädigte er einen Dichtring im letzteren. Wir merkten dies später am Tag, als wir etwas Öl aus dem Kompressorkopf blubbern sahen. Nun gut das Problem war ein gerissener Gaszug. Deshalb sprang Pancho nicht an, da er kein Standgas bekam. Betätigten wir den Gashebel manuell schnurrte Pancho sofort los. Mit einer Zange verdrehte er beide Enden des Stahlseiles bis diese hielten. Zufrieden waren wir nicht und unsicher ob dies Provisorium hält sowieso und als er dann 25 Dollar wollte zahlten wir diese zähneknirschend. Für Honduras war dies ein fürstliches Gehalt. Aber und dies müssen wir ihm zugestehen verhalf er uns wieder zurück auf die Straße.
Wir zitterten uns nach Danlí (die letzte Stadt vor der Grenze nach Nicaragua) und fanden durch puren Zufall eine Werkstatt, die das genaue Gegenteil zu unserm schlechten Mechaniker war. Wir suchten und fanden einen uns empfohlenen Mechaniker, der allerdings erst später am Tag Zeit gehabt hätte und parkten neben einem Supermarkt. Gegenüber war ein Wellblechschuppen und ein Schild verkündete Mechaniker. Ich wollte nicht, aber Simone meinte wir fragen da mal nach. Der 65-jährige Chef ließ uns gleich auf seinem Grundstück fahren und versicherte uns der Gaszug wäre schnell repariert. Er ließ ein Bauteil besorgen, bohrte etwas daran herum und nach 90 Minuten waren die beiden Enden des Seiles fest verschraubt. Er wollte dafür 4 Dollar und lud uns ein über Nacht stehen zu bleiben. Wir sagten dankend zu, denn für die Grenzüberquerung war es uns jetzt zu spät. Als der Nachtwächter kam wurden wir einander kurz vorgestellt und dann verabschiedeten wir uns in die Stadt um etwas zu Essen und anschließen mit einem kühlen Bier den Abend endlich beruhigt ausklingen zu lassen. Unsere letzte Nacht in Honduras nach einem aufregenden Tag.
Was im Trubel der Reparaturen unterging: Simone ist am Straßenrand etwas auf und abgelaufen und dabei in eine Glasscherbe getreten. Sie ging direkt durch die Gummisohle ihres Latschen und in den Fußballen ihres linken Fußes direkt hinter einen der Zehen ins Fleisch samt Sehne. Sie wusch die stark blutende Wunde gut aus und desinfizierte sie auch. Ich bekam davon nichts mit, da ich mit dem Mechaniker an Pancho beschäftigt war. Simone hatte für ein paar Tage Schmerzen beim laufen und humpelte für ca. eine Woche. Heute merkt sie nichts mehr davon .

Nach einem kurzen Spaziergang durch Danlí verabschiedeten wir die Werkstattcrew, tankten und fuhren noch 50 Minuten bis an die Grenze bei Las Manos. Hundert oder mehr Lastkraftwagen parkten beidseitig auf der Straße was uns aber nicht beirrte. Wir fuhren vor bis zum Kontrollpunkt, gaben wiederholt unsere Fingerabdrücke ab und waren 15 Minuten später offiziell aus Honduras ausgereist.


Honduras war nicht so unser Ding und wir hofften, dass Nicaragua besser wird. Ob es so war könnt ihr in Kürze nachlesen. In der Zwischenzeit mag sich einer alle Bilder auf der fertigen Honduras Seite auf unserer Homepage ansehen.

Auf nach Nicaragua!
Simone & Stefan