Samstag, 19. November 2016

Im größten Land Zentralamerikas (30.09.2016 - 04.10.2016; aktueller Standort: Puerto Viejo de Talamanca, Limón)

Die Einreise dauerte eine Stunde und dieses Mal lag es an uns. Nach den Büros der Immigration von Honduras kamen sofort die der Kollegen aus Nicaragua. Ein Herr füllte einen Zettel aus schaute kurz ins Innere von Pancho und ließ uns strahlend weiterfahren. 400 Meter weiter und wir mussten unsere Pässe vorzeigen. Auf dem Weg dorthin wurde Pancho, wie bei fast jeder Einreise, desinfiziert und wir zahlten mit unseren letzten Lempira und bekamen ein paar Córdoba zurück. Schmuddelige Papiernoten ersetzten Hochglanzplastikscheine. Unsere Pässe wurden fix abgearbeitet und wir mussten nur noch zahlen. Der Beamte wollte 10 US Dollar pro Person und 90 Córdoba (ca. 3 Euro) für was auch immer. Wir hatten 2 x 20 Dollar Scheine einstecken und reichten sie ihm. Der eine verschwand sofort und der andere wurde uns nach kurzem zögern wieder gereicht, da er einen winzigen Riss in der Mitte hatte. Er wurde zuvor schon in Honduras abgelehnt und so standen wir vor dem Schalter und hatten bloß noch die 30 Córdoba Wechselgeld von der Desinfektion und diesen 20er. Wir sollen den Schein wechseln lassen und wieder kommen. 5 Meter weiter lauerte schon einer der Herren die durch das Währungswechseln ihre Brötchen verdienen. Er nahm den Schein und schüttelte den Kopf und deutete auf den Riss (vielleicht 1 mm lang). Der Grenzbeamte sah dies alles und konnte uns doch nicht weiter helfen. Wir hatten mehr als genug Geld mit uns und in Pancho noch 400 Dollar mehr, konnten aber wegen 2 Dollar nicht weiterfahren. Mein Dickschädel wollte nicht einen anderen Schein holen gehen und so argumentierte ich auf spanisch und englisch mit dem Herren. Plötzlich kam ein Jugendlicher zu uns, fragte den Beamten etwas und streckte uns dann 60 Córdoba zu. Sei ok meinte er und ging. Wir drehten uns um und sahen seine Mutter ihr Portemonnaie schließen. Wir waren zu perplex um viel zu sagen und nickten ihr dankend zu. Sie lächelte, nickte und beide gingen davon. Dies war unsere erste Begegnung mit Nicaragua (Kartenlink).

Die nächste ereignete sich 30 Sekunden später als wir schon am rollen waren und von 2 Personen angehalten wurden. Sie wollten uns eine Versicherung verkaufen und ich verstand plötzlich nichts mehr. Zuckte die Schultern und sie fragten wieder und ich sagte ich verstehe sie nicht. Dann wurde gegrinst und sie winkten uns weiter. Was solls fahren wir halt ohne Versicherung. Wir kamen in den ersten drei Tagen an 4 Kontrollen vorbei; an 3 wurde geblitzt und an einer wurden Stichproben durchgeführt. Uns erwischte es und wie gut, dass wir mittlerweile diese Antworten auf spanisch können. Woher wir sind, woher wir kommen und wohin wir wollen. Papiere wollte der Herr sehen und ich dachte schon Mist jetzt sind wir gleich fällig, aber sie sind immer in der Wohnkabine und dies sagte ich dem Officer auch. Er wartete und während ich langsam die Leiter runter ließ und die Tür aufschloss erzählte ich von unserer Reise, wir kamen auf deutschen Fußball von dem er Fan war und als ich dann die Tür öffnete sagte er wir können weiter fahren er brauche die Papiere nicht mehr sehen. Schwein gehabt! Manchmal ist es gut wenn man etwas labern kann .

Nach einigen Kilometern auf sehr sauberen Straßen in perfektem Zustand kamen wir an die erste Siedlung im Hochland von Nicaragua. 5 Häuser im lichten Kiefernwald und ein kleiner öffentlicher Park. Ein großes Schild verkündete WiFi und tatsächlich saßen wir 5 Minuten später in diesem Park auf dem Boden, schauten die sich wiegenden Bäume im Sonnenschein zu und skypten mit der Familie. Eine Dame die vorbeilief winkte uns zu und da war es wieder dieses Gefühl willkommen zu sein.
Nicaragua war auf Anhieb anders und es blieb auch so.

Dieser Teil vom größten Land Mittelamerikas eignet sich besonders gut zum wandern. In den Wäldern oder in Kaffeehainen und eine Kleinstadt hat einen Canyon durch den man wandern, schwimmen und klettern kann. Dieser Aufenthalt war eingeplant und ein oder zwei Tage in den Bergen zum laufen auch, aber da Simone sich am Tag zuvor den Schnitt mit der Glasscherbe zugezogen hatte mussten wir es sein lassen. Sie konnte nur humpeln und so hofften wir auf später, auf die Vulkane.

Wenn ich schon die Vulkane erwähne ein paar Sätze zu Nicaragua. Das Land hat eine Fläche von etwas mehr als 129.000 km² (so groß wie Griechenland) und besitzt zwei Nachbarn. Das unbeliebte Honduras im Norden und Costa Rica im Süden. Die anderen beiden Seiten werden von der Karibik und vom Pazifik eingefasst. Parallel zum Pazifik zieht sich eine Vulkankette durchs Land, von denen einige aktiv sind weshalb Nicaragua auch das Land der tausend Vulkane genannt wird. Zwei große, ja riesige Seen grenzen das Bergland und die weite Karibikebene (Dschungel so weit die Füße tragen) von den Vulkanen und den Ballungszentren ab, die im schmalen Korridor zwischen Seen und Pazifikküste liegen. 6 Millionen Menschen leben in Nicaragua, davon mehr als eine in der Hauptstadt Managua am gleichnamigen See. Der viel größere Nicaraguasee ist das größte Binnengewässer Zentralamerikas und ca. 15 mal so groß wie der Bodensee in Deutschland.

Wir fuhren weiter und erreichten am Nachmittag die große Stadt Estelí. Am ersten Bankautomaten holten wir uns gebührenfrei Geld und auch eine Wäscherei im Zentrum fanden wir auf Anhieb. Die Besitzer waren sehr hilfsbereit und luden uns ein direkt vor ihrem Laden die Nacht zu verbringen. Sie würden die Wäsche bei uns abliefern, was sie später auch taten. Zimmerservice...
In der Zwischenzeit liefen wir durchs Zentrum mit knurrenden Mägen. Ein Laden lockte uns besonders und so landeten wir bei Claudia Valenzuela. Wir tranken jeden Tag in Nicaragua einen Fruchtsaft. Mit oder ohne Milch, pur oder gemischt aber so umwerfend gute wie bei Claudia fanden wir danach nicht wieder. Alles was auf ihrer Karte stand war selbst gemacht und selbst angebaut und da sie gut englisch sprach blieben wir einige Zeit bei ihr. Als wir gingen lud sie uns zum Frühstück am kommenden Morgen auf ihrer Farm ein.
Die Nacht vor der Wäscherei verlief sehr ruhig und dies war der erste Tag in Nicaragua. Hätte besser nicht laufen können!



Nach dem wir die Besitzer der Wäscherei fragten ob wir später wieder zurück kehren könnten und die Greisin von nebenan auch noch die Hand schüttelten fanden wir, dank Claudias erstklassigen Skizze, ihre Ranch auf Anhieb. Ihr Anwesen war top, umgeben von ihren Obstbäumen und den Äckern ihres Bruders. Der kam nach 15 Minuten ins Haus und wollte wissen wem der Truck vor dem Tor sei. Er war völlig aus dem Häuschen. Wir erzählten und wurden lecker bekocht. Als Claudia gehen musste bot sie uns an so lange vor ihrem Gatter parken zu bleiben wie wir wollten. Sie verstand aber dass wir weiterziehen wollten und so landeten wir wieder im Zentrum von Estelí. Wir schlenderten durchs Zentrum, aßen billig in einem jüdischen Lokal und warfen einen kurzen Blick in die große Kathedrale. Später tranken wir wieder einen Fruchtsaft bei Claudia (z.B. Maracuja oder Mango-Ananas-Orange oder Erdbeere oder Apfel-Kokos-Pistazie oder oder oder) und langten beim Grillfleisch am Abend ordentlich zu.

Nach einer weiteren ruhigen Nacht verließen wir die Stadt und nach und nach auch das Bergland. Wir fuhren einen kleinen Abstecher zum Wasserfall La Estanzuela welcher hübsch war, aber einen den man nicht gesehen haben muss. Als wir von der Panamericana in Richtung León abbogen waren wir so gut wie auf Meeresniveau. Wir fuhren durch grünes Weideland und erst näher am Pazifik kamen Zuckerrohrfelder hinzu. Wie wir so fahren und neben Guns N' Roses über die schöne Landschaft plauderten schälte sich aus der Ferne zu unseren Linken der erste Vulkan aus dem Dunst. Freudige Erregung lief unsere Rücken hinunter. Wir sahen nicht einen Vulkan dort über dem Zuckerrohr, sondern einen der derzeit aktivsten des Landes. Der 1.280 m hohe Momotombo rauchte pausenlos und so passierten wir ihn, wahrscheinlich die einzigen die begeistert waren. Kühe und Menschen zeigten jedenfalls keine Reaktion.
Nach weiteren Minuten sahen wir mehr und mehr Hügel vor uns liegen und da es in diesem Abschnitt keine Berg gibt, wussten wir jegliche Erhebung ist auf vulkanische Aktivität zurückzuführen. 3 prächtig aussehende Kuppen formten eine Erhebung links von uns und rechts rauchten 2 weitere massive Erhebungen. Ich weiß nicht einmal deren Namen, aber als wir zwischen ihnen hindurch fuhren und die Musik röhrte hätte ich nirgends sonst sein wollen. WOW!
Kurze Zeit später trafen wir an einer Tankstelle seit langer Zeit wieder auf einen Reisenden und einen mit Hamburger Kennzeichen. Fabian war allerdings aus Würzburg (Unterfranken sei uns herzlich gegrüßt ) und seit 6 Jahren alleine unterwegs. Wir schätzten ihn auf Anfang 30 und hatten wieder jemanden vor uns der noch viel bekloppter ist als wir.

Als wir uns von Fabian verabschiedet hatten, kurvten wir an der Großstadt León vorbei und hielten direkt auf die Strände Poneloya & Las Peñitas zu. Dies sind sozusagen die Hausstrände der Stadt, aber am späten Sonntagnachmittag waren viele schon wieder auf dem Rückweg und wir konnten direkt am Wasser parken. Zurück am Pazifik, zurück an der rauschenden Brandung, zurück in der Hitze und zurück an langen Stränden, die wir endlich wieder anfahren konnten. Wir holten uns gleich ein Bier von einer Strandbar und verputzen den wahrscheinlich größten Burger in Amerika. Danach gings ins Wasser und auf eine kurze Erkundungstour zum anderen Strand. 3 km mit wenigen Personen, Sonnenuntergang und zwei baumelnde Seelen. Was war es schön wieder das Rauschen zu hören...






Nach einem langen Strandspaziergang fuhren wir die 20 Kilometer zurück und betraten die Innenstadt von León. Da wir keinen schönen Platz fanden fragten wir einen Motorradverkäufer ob wir uns auf dessen Parkplatz stellen könnten. Da diese Geschäfte immer einen 24 Stunden Sicherheitsdienst haben, brauchten wir uns für 1 Euro keinen Kopf machen. Dies war was er verlangte.

1524 wurde die Stadt am Fuße des Vulkans Momotombo gegründet, aber bereits nach 90 Jahren und einigen Naturkatastrophen wieder aufgegeben. Die Hauptstadt des Landes während der Kolonialzeit wurde daraufhin an ihren heutigen Platz verlegt und zählt heute ca. 200.000 Bürger. Wegen ihrer damaligen Bedeutung strotzt die Stadt vor Kirchen und kolonialen Bauten, von denen heute aber viele marode sind. Dies gab der politischen und intellektuellen Stadt einen besonderen Charakter. Am Abend waren die Kneipen voll und tagsüber wurde auf den Plätzen debattiert. Aufgrund ihrer Nähe zum Pazifik und den vielen Vulkanen in ihrer direkten Umgebung inkl. des Managuasees war León ein Reiseziel weit oben auf unserer Liste in Nicaragua. Auch ohne einen Vulkan bestiegen zu haben bestätigte die Stadt ihren Anspruch auf das vielleicht attraktivste Zentrum in diesem zentralamerikanischen Staat.
Zuerst liefen wir zum zentralen Platz mit der größten Kathedrale Zentralamerikas. Das schneeweiße Gotteshaus erschlug uns fast, war aber im Inneren sehr schlicht. Vor den beiden Nebenportalen standen auf einem Podest die beiden Löwen, die Namensgeber der Stadt. Viele der restlichen Gebäude um den Hauptplatz sahen sehr mitgenommen aus und was uns zu Beginn irritierte gefiel uns nach 2 Tagen doch sehr gut. Die Mischung passte. Bei unserem Streifzug durch die Straßen trafen wir auf tolle Kirchen, schöne restaurierte Paläste, die erste Universität des Landes, perfekt gestylte Straßen, Bäckereien an jeder Häuserblockecke, Wandgemälde, zerfallene Häuser, Ruinen, Bettler und ehemalige Brandherde. Zudem stolperten wir über ein Lokal, welches für 2 Euro einen Mittagstisch bereithielt. Aus 20 verschiedenen Hauptgerichten bzw. Beilagen konnten wir uns einen Teller zusammenstellen und ein Getränk war auch dabei. Wir beide nahmen Schweinebraten mit Grünzeug und Kohlenhydraten und einen frisch zubereiteten Maracujasaft. Seit Belize hatten wir kein Schweinefleisch mehr. Wir fanden es nicht zu kaufen (gemischtes Hackfleisch gab es) und konnten es auf keiner Speisekarte finden. In Nicaragua gab es wieder Schwein, in allen Formen und auch Maracujasaft. Es gab überall Säfte und egal welche Fruchtsorten erhältlich waren, Maracuja war immer dabei. Glaubt uns dies, nach 18 Monaten schmeckte dieser erste Schweinebraten wie Ambrosia und die Maracuja war der dazugehörige Nektar. Die Angestellten merkten dass wir Appetit hatten und grinsten als wir am kommenden Tag wieder bei ihnen auf der Matte standen. 2 mal Schweinebraten was sonst!
León war wirklich faszinierend mit nur wenigen Touristen und als die Schatten länger wurden, machten wir es den Einheimischen gleich und gesellten uns unter ihnen in eine Kneipe. Für sehr wenig Geld genehmigten wir uns ein paar Bier und kauften am Abend bei einem Straßenhändler 2 Schweinesteaks. Zufrieden mit der Welt schliefen wir auf dem Motorradparkplatz.






Praktisch taten wir das gleiche wie am Tag zuvor. Straßen rauf und runter laufen, einen Kaffee schlürfen und später einen Fruchtshake auf die Hand nehmen. Am Nachmittag rollten wir weiter, da wir keine zweite Nacht auf dem Parkplatz verbringen wollten. So schön war er dann doch nicht. Wir fuhren zum alten León am Managuasee wollten dort aber nicht bleiben (etwas schmutzig), bekamen dafür aber den Vulkan Momotombo aus unmittelbarer Nähe zu sehen. Eine Wolke saß fest über den Gipfel und hätten wir 15 Minuten länger ausgeharrt hätte uns wahrscheinlich der Atem gestockt. Wir waren schon 10 Kilometer entfernt als wir die Wolke nach oben hin aufreißen sahen. Eine riesige Wasserdampfwolke drückte sich empor und sie wuchs und wuchs. Beim nächsten Straßenkreisel verwirrten wir die anderen Autofahrer, da wir mehrfach im Kreis fuhren um einem Blick auf den Vulkan werfen zu können.
Danach dauerte es noch 20 Minuten und wir waren wieder am Meer. Etwas weiter südlich am Playa El Velero. Irgendwie war es eine private Wohnsiedlung aber da die Strände in Nicaragua frei sind mussten wir uns nur registrieren und durften passieren. Der Pförtner hatte auch keine Einwände gegen das campen am Strand. Wir sollten halt nachts nicht durch die 2 Straßen laufen, aber dort waren eh fast alle Häuser verrammelt und somit hätte sich niemand an uns gestört. Egal wir befolgten seine Bitte und gingen in die Brandung. Keine 10 Meter vom Pazifik verbrachten wir eine wunderbar ruhige Nacht. Das Wellenrauschen und der leichte Windzug waren alles was wir verspürten.









Von den Pazifikstränden,
die Verzückten