Sonntag, 10. September 2017

Die Cordillera Blanca 1 (26.06.2017 - 01.07.2017; aktueller Standort: Cochabamba, Cochabamba)

@ Sophia: Schon wieder ist ein Jahr vergangen... wir dachten an dich an deinem Geburtstag. Nach Heidelberg von ganzem Herzen die allerbesten Glückwünsche nachträglich!

@ Sabrina: Hoch sollst du leben, hoch sollst du leben, dreimal hoch! Alles Liebe zum Geburtstag aus Bolivien und Danke für die Einladung, aber wir schaffen es leider nicht pünktlich !

Ein weiterer Spaziergang nach Caraz brachte Obst vom zentralen Markt in den Kühlschrank. Wir merkten, dass die Auswahl riesengroß war und die Preise erstaunlich niedrig waren. Auch die Fleischauslage konnte sich sehen lassen, aber noch hatten wir etwas. Wir fanden einen weiteren Bäcker, der zu Simones „Leidwesen“ selbstgemachte Mohrenköpfe hatte. Torten in Hülle und Fülle, Pralinen und natürlich auch Semmeln. Also probierten wir eine Praline, nahmen Brötchen mit auf den Weg und Simone machte sich über den Zuckerschaum auf dem gebackenen Keks her. Sie schwärmte wie gut dieser Mohrenkopf war und von da an war klar, wir waren nicht das letzte Mal bei diesem Bäcker (Kartenlink).

Wir verließen das Feld am frühen Nachmittag und erklommen die Cordillera Blanca. Premiere für uns. Die Cordillera Blanca ist die weltweit höchste Gebirgskette außerhalb des Himalayas. Der höchste Berg Perus, der 6.768 m hohe Huascarán, liegt darin und noch weitere 21 majestätische Gipfel über 6.000 Meter. Umgeben von ich weiß nicht wie vielen 5.000 bilden sie eine durchgehend weiße Gletscherwand von ca. 170 km Länge. Eingebettet liegen Dutzende smaragdgrüne und türkisfarbene eiskalte Bergseen. Die Schönheit der Cordillera Blanca lässt sich nicht in Worte fassen. An einem strahlend blauen Tag mit den weißen Zacken gen Himmel möchte man endlos durch diese Wildnis fahren, wandern, schauen und staunen und sich wünschen dieser Tag möge nie zu Ende gehen. Die Gletscher waren ehrfurchteinflößend und so bezaubernd zugleich. Was für ein Naturwunder!

Also hoch die Berge. 32 km von Caraz entfernt liegt der Bergsee Parón. Kaum waren wir aus dem Örtchen, begrüßte uns die Schotterpiste und als wir nach halber Strecke in den Nationalpark Huascarán einfuhren, die Schranke durften wir uns selbst öffnen und bezahlt haben wir auch nichts, wurde der Weg richtig mies. Gesteinsbrocken lagen auf der 2,80 m breiten Piste und die Spitzkehren meisterte Pancho gerade noch. Uns kamen auf diesen 16 km 2 Fahrzeuge entgegen und der Minibus mit 4 Touristen wurde kurzerhand in die Büsche gefahren bzw. geschoben. Sonst hätten wir uns nicht aneinander vorbeizwängen können. Die Laguna Parón lag auf 4.200 Höhenmeter, ihr Wasser war wegen dem Gletschermehl etwas matt und schimmerte aquamarin. Umgeben war sie von 8 Gletschern und wir bekamen unsere Münder vor lauter staunen nicht zu. Wir parkten auf einem kleinen Weg rechts neben dem Bergsee und hatten den höchsten Berg direkt neben uns. Der Huandoy hatte fast 6.400 Meter, der Pisco 5.750 Meter. Die Höhe der Bergriesen schwankte zwischen diesen beiden. Der mit Abstand schönste war der Artesonraju mit etwas über 6.000 Meter und jeder kennt ihn. Seine Pyramidenform soll angeblich das Logo von Paramount Pictures zieren.
Wir legten direkt wärmere Kleidung auf und bewunderten die Ruhe und Erhabenheit dieses Ortes. Wie sich jeder denken kann wurde die Nacht frisch, etwas unter Null, und wir schliefen wieder schlecht. Die Höhe hielt uns die halbe Nacht wach und erzeugte zum wiederholten Male Beklemmungen in der Brust. So ein Scheiß!







Zum Sonnenaufgang standen wir parat und schlürften Kaffee, während sich die Sonne über den Artesonraju schob. Danach wurden die Wanderstiefel geschnürt und wir liefen den 4 km langen See ab. Am hinteren Ende versperrte das Wasser und ein riesiger Felsen das weiterkommen, weshalb wir nicht zur nächsten Laguna etwas weiter oben wandern konnten. Egal wir hatten einen tollen Vormittag und zauderten auch nicht mit den Wolken, die sich an diesem Tag bereits um 9 Uhr breit machten. Normal hat man im Winter, also jetzt, bis zum frühen Nachmittag Zeit.
Übrigens bedeutet Winter in den Anden Sonne, Sonne, Sonne und in etwa die gleichen Tagestemperaturen wie im Sommer (Wolken und Regen). Nur die Nächte kühlen viel stärker ab.
Nach diesem Highlight ging es wieder hinab nach Caraz, aber nicht aufs Feld, sondern da Simones Geburtstag direkt vor der Tür stand, fuhren wir auf einen Campingplatz! Jawohl jeder hat es richtig gelesen: Die Panchos fuhren einen Campingplatz aus freien Stücken an . Es gab nur einen in Caraz und wir hatten schon viel Gutes von diesem Platz gehört. Heißwasserduschen, Trinkwasser, Grillplatz, Internet, eine sehr nette Gastfamilie und genug Platz, dass auch Pancho dort parken konnte.
Das faule Lotterleben konnte beginnen...

Der Campingplatz lag nur 500 Meter von unserem Feld entfernt und wie wir so durch die Erdbeerfelder rumpelten schälten sich schon die ersten Fahrzeuge zwischen den Bäumen heraus. Ein weißer T3, wenn das keine Deutschen sind, ein Zelt nebst Motorrad und ein Toyota und Ford, die wir bereits kannten. Die US-Jungs die wir schon öfters begegneten waren also auch hier.
Wir wurden vom peruanischen Besitzer Jaime eingewunken und parkten mit genug Luft zum Nachbarn neben T3 und Zelt. Hinter uns parkte noch ein anderer Jeep mit kalifornischem Kennzeichen, aber die sollten wir erst am nächsten Tag kennenlernen.
Sebastian und Britta aus Trier kamen 20 Minuten vor uns an und luden uns gleich zu sich an ihren Tisch. Chris aus Australien war mit seinem Bike schon seit Jahren unterwegs und surfte im Schatten sitzend. Tja und wie geht so ein Tag dann weiter? Wir plauderten mit den Trierern, gingen später zusammen zu Fuß in die Stadt und besorgten Lebensmittel und natürlich Mohrenköpfe und Pralinen beim Bäcker. Ich werde es nicht weiter erwähnen, aber Simone und Britta bestanden auf ihren täglichen Mohrenkopf, ergo stand jeden Tag ein Besuch beim Bäcker an!
Jaime hatte ein paar Freunde bei sich auf der Veranda und als alle außer einer gegangen waren lud er uns auf einen Pisco ein. Pisco ist das Nationalgetränk, auch wenn Jaime uns leicht angeschwipst verkündete, dass Peruaner lieber Bier trinken. Versteh ich gut, denn der Weinbrand ist auch nicht mein Fall. Er hat einen sehr eigenen Geschmack, weshalb nur die guten Tropfen pur getrunken werden. Normal serviert man Pisco mit Zucker, Limette und Ginger Ale, oder als Cocktail Pisco Sour (mit einem Eiweiß). Nun ja einem geschenkten Gaul schauen wir nicht ins Maul und so prosteten wir uns zu und kippten das Zeug runter. Super, nächste Runde und nächste und dann war die Flasche leer. Ich holte einige kalte Biere aus dem Kühlschrank und bis ich zurück war hatte Jaime eine Flasche Heidelbeerlikör mit Pisco auf den Tisch gestellt. Bevor wir die köpften bedienten wir uns alle am restlichen Grillfleisch und dann ging es in typisch peruanischer Manier der Flasche an den Kragen. Ein Glas machte zusammen mit der Flasche die Runde und jeder schenkte sich ein, kippte den Inhalt hinunter und gab beides weiter, bis die Flasche leer war. So wird übrigens auch mit einem großen Bier verfahren (auch in Bolivien wie wir jetzt wissen). Hat was und man muss danach nur ein Glas spülen! Super die Peruaner...
Jaime verabschiedete sich (die 4 Euro die er pro Kopf und Tag verlangte hatten wir für 2 Tage schon wieder heraus) und wir machten uns über das Bier her. Trotz 11 Grad hielten wir locker bis nach Mitternacht durch und so konnten wir um Mitternacht auf Simones runden Geburtstag anstoßen. Prost und dann war Feierabend.











Simone war an diesem Tag nur im Internet und quatschte bis um 16 Uhr mit Deutschland. Zwischenzeitlich kam ein weiteres Camperpärchen aus USA/Kolumbien und die restliche Fraktion Amerikaner. Sie waren alle auf verschiedenen Routen für mehrere Tage in den Cordillera Blanca unterwegs gewesen.
Mir blieb es vergönnt mit Britta in die Stadt zu latschen und einzukaufen. Mal richtig einzukaufen! Wir besuchten den zentralen Markt, es gab drei, und hielten an der „Fleischtheke“. Dem ganzen Huhn wurde die Brust in 6 Sekunden herausgerissen, vom Schweinehintern bekamen wir 1 Kilo Steaks und von welchem Teil des Rindes auch immer noch 4 größere Stücke. Noch 6 Würstchen die in der Marktluft abhingen und dann wechselten wir die Seiten. Gemüse und Salat wurden wie vom Sternekoch von mir handverlesen, Kräuter und Soßen wurden in Tüten verpackt und dann schleppten wir das Zeug zum Supermarkt. Supermarkt in Caraz hieß Dosenware, Plastikverpacktes und Alkohol. Zur Ehrenrettung ich kaufte auch Erdnüsse...
Mit Bier und Wein verließen wir den Laden, die Rucksäcke gerappelt voll. Letzter Gang galt unserem Bäcker und neben dem Üblichen erstand ich 20 Brötchen und eine Torte. Giftig gelb war sie verziert und ich ließ noch Happy Birthday oben drauf schreiben. Fertig waren wir und winkten dem nächsten Motortaxi zu, um uns zurück zum Campingplatz bringen zu lassen. Schon gesagt wie toll das ist? Jaimes Frau verstaute viel in deren Kühlschrank, Jaime sicherte zu für uns abends zu grillen und so hüpfte ich unter die heiße Dusche; Simone nahm ja weiterhin Glückwünsche entgegen.
Bei 28 Grad faulenzten wir. Unsere Nachbarn und ich tauschten uns über Routen, Möglichkeiten und dergleichen aus und köpften dann auch das erste Bier um Vier. Dann wurde alles vorbereitet und Jaime warf den Grill um 18 Uhr an. Wir hatten ein fantastisches Essen und die Torte kam nicht nur bei Simone super an. Die Feier erstreckte sich bis auf 11 Grad, also bis um kurz vor 1. Es hatte etwas sehr entspanntes mit Fremden eine Geburtstagsparty zu feiern. Man macht sich keinen Stress, steckt keine hohen Ansprüche an sich selbst (hoffentlich reicht das Essen, hoffentlich schmeckt es jedem, usw.) und rennt niemanden hinterher. Soll sich doch jeder nehmen was er braucht und wer nicht mehr will oder kann, kann in sein Zelt oder Camper fallen. Ja schee wars.





Ehrlich gesagt taten wir am Tag nach Simones Geburtstag nicht viel. Nicht aufgrund eines Katers oder dergleichen, sondern weil wir auf einem Campground waren. Quatschten, begrüßten Sandra und Timo aus Düsseldorf (ebenfalls unterwegs in einem T3) und führten sie in Caraz ein (Bäcker usw.). Verputzten die restliche Torte, Britta flickte ein paar Klamotten mit Simones Nähmaschine, Timo und Sebastian reparierten den Auspuff am neu eingetroffenen Volkswagen und abends kochten die Deutschen und der Australier zusammen. Wieder saßen wir unter freiem Himmel, die Sterne funkelten und die Temperatur halbierte sich. Als sie noch weiter viel gab es den letzten Gute Nacht Wodka und dann gings in die Falle.

Tag der Abreise. Zuerst machte sich Chris auf seiner Maschine vom Acker, fuhr ohne Ziel. Irgendwann wieder nach Europa und dann Afrika. Oder andersrum. Australien und seine Kinder hat er schon seit vielen Jahren nicht gesehen...
Britta und Sebastian aus Trier waren die nächsten. Wollten nach Norden, bis zum 15. August und dann umdrehen, da sie einen fixen Termin für die Heimreise aus Montevideo, Uruguay haben...
Dann kamen wir und nahmen Sandra und Timo gleich mit. Wir wollten hoch zur Laguna 69 und sie waren sich unschlüssig was zu tun sei und kamen dann einfach mit. Auch dieser Bergsee lag im Nationalpark Huascarán, in der Nähe einer der vier Passstraßen. Die Straße hoch in die Anden war nur geringfügig besser als die hoch zur Laguna Parón. Ausnahme war ein Wächter, der am Parkeingang uns ein Ticket verkaufen wollte. Ich sagte frech wir wollen nur über den Pass auf die andere Seite. Er schaute mich schief an und fragte: Ihr wollt nicht campen? Nicht laufen? Ich antwortete: Nein nur rüber. Das sparte uns ein paar Euros.
Es ging wieder eine Schneise zwischen den Gipfeln empor. Links und rechts weiße Berge, allerdings in Wolken gehüllt. Im letzten Licht des Nachmittags ging es vorbei an zwei großen türkisen Bergseen, die langgestreckt im Tal lagen und am Ende des zweiten parkten wir dann umgeben von Eseln auf einer Wiese. Dies war der Parkplatz für die Wanderung hoch zur Lagune 69 und Ausgangspunkt für mehrere Gipfelbesteigungen. Deshalb die vielen Mulis. Etliche Zelte zeugten von den Mutigen, die Tag für Tag die verschiedenen Gipfeln in mehreren Tagen in Angriff nahmen. Bei 8°C kamen wir auf 3.600 Höhenmetern an und hofften, dass der kommende Tag etwas besseres Wetter im Gepäck hätte.


Besseres Wetter hieß Wolken und Nieselregen am Morgen. Es war ungemütlich nasskalt und wir ließen uns alle viel Zeit, da wir fest an eine Besserung glaubten. Die kam aber nicht. Half nichts, rein ins Regenzeug und noch schnell gewartet bis Sandra leckere Sandwiches fertig hatte. Dann ging es los. Wenn die anderen 250 Leute nicht gewesen wären, wäre es sicherlich eine schöne Wanderung geworden. So musste man ständig warten, ob jemand zu langsam vor einen, oder weil jemand ohne Rücksicht einem entgegen kam. Manche Mädchen liefen bei 6°C in kurzer Hose, oder hielten Regenschirme aufgespannt. So liefen Peruanerinnen, wahrscheinlich von der Küste, zu einem arschkalten hellblauen Bergsee auf 4.600 Meter hoch. Oben angekommen sahen wir einige die Sauerstoff vom Tourguide annehmen mussten. So was Verantwortungsloses und Beklopptes haben wir schon lange nicht mehr gesehen. Manche Gören konnten sich für zwei Selfies mit Victory Handzeichen aufraffen, als die Guides schon wieder zum Abmarsch bliesen.
Wir blieben länger und futterten etwas. Die Gletscher direkt hinter der Lagune sahen wir nicht, kurz ein weißer Schimmer zwischen den grauen Wolken mehr nicht. Trotzdem war die Landschaft wieder der Hammer. Wasserfälle an den Hängen, verschiedene Seen und Berge zu jeder Seite. Der mächtige Huascarán war neben uns und wir konnten nur auf dem Rückweg kurz seine Schönheit erahnen. Schade, aber mit Sandra und Timo hatten wir einen schönen Tag und als wir wieder an den Autos waren wärmten wir uns in Panchos Kabine auf. Tee gekocht, Heizung an, Nüsschen aufgerissen (ja wichtiger Einkauf im Supermarkt!) und alles Nasse von uns Vieren in unsere Fahrerkabine geworfen. Muss man sich mal reinziehen. Das Pärchen aus Düsseldorf hatte keine Heizung im Auto und mehrfach eingefrorene Scheiben von Innen. Hardcore!
Heulende Füchse in einer pechschwarzen feuchten Nacht kündeten den Aufbruch der beiden an. Kaum traten sie ins Freie, sprangen 3 Füchse unter Pancho hervor und rannten jaulend in die Nacht. Auch sie suchten ein Dach über dem Kopf .
Wir kochten eine Kleinigkeit und lauschten dem Regen der ununterbrochen an die Scheiben nieselte. In unseren zweiten Nacht hier oben schliefen wir ein paar Stunden mehr als in der ersten.







Von der Laguna 69,
Füchse und Esel