Dienstag, 23. Januar 2018

Das argentinische Seengebiet 2 (21.11.2017 - 26.11.2017; aktueller Standort: Punta Arenas, Magallanes und Chilenisches Antarktisterritorium)

Wir befanden uns in der Aussteigerstadt El Bolsón im argentinischen Seengebiet. Auf 250 Höhenmeter hatten wir eine milde Nacht wie schon lange nicht mehr (Kartenlink).

Die Temperaturen sollten sich schnell ändern. Sie sackten förmlich ab, als wir in aller Früh zum Startpunkt einer Wanderung düsten. Vom Ort ging es auf einem Schotterweg durch den Wald. Links, recht, hoch und höher. Am Ziel hatten wir nur noch 6 Grad, dafür befanden wir uns aber auf 1.180 Meter. Die Kälte währte aber nur kurz, denn zum einen stand die Sonne am blauen Himmel und zum anderen war der Wanderweg knackig. Die Wanderung schön zu nennen wäre eine Übertreibung, viel zu steil war der Anstieg. Für Simone war sofort klar „Lass den Stefan mal alleine den Piltriquitron hoch rennen“. Also kraxelte ich in meiner schnellen Gangart den Berg hoch. Da das Tal so schmal war, wurde die Aussicht auf die gegenüberliegende Bergseite, wieder die Grenzseite zu Chile, besser und genialer. Kurz vor dem Refugio auf 1.500 Meter war ein Skulpturengarten im Wald angelegt. Künstler aus ganz Südamerika hatten dort Holzarbeiten im Wald ausgestellt. Am Refugio hielt ich für ein paar Minuten und machte mich dann an die nächsten 350 HM. Die Aussicht war fantastisch, sie war eine der schönsten die ich auf einer Wanderung sah. 180 Grad konnte ich die Gebirgsflanke auf weit über 200 km sehen. Kein Witz, ich sah den Tronador bei Bariloche (125 km per Straße) und darüber hinaus. Ich sah nach Süden den Lago Puelo und alles was an seinem Ende und darüber hinaus lag. Ich sah den Vulkan Michinmahuida mit seinen 2.404 Metern, der schon weit in Chile an der Carretera Austral lag. Es war ein irres Band aus dunklen Bergen mit weißen Spitzen. Durchgehend eine Eishaube. Ich stand dort oben im Schnee und stapfte über den Sattel, wollte aber die letzten 250 Höhenmeter auf die Spitze des Berges nicht angehen, da einfach zu viel Schnee lag. Blieb ich also um zu bibbern, denn es war ordentlich windig und ohne Bewegung wurden die verschwitzten Klamotten nur allzu schnell sehr kalt. Wenn jemand irgendwann mal in El Bolsón sein sollte, möchte ich dieser Person bei schönem Wetter dringendst diesen Anstieg empfehlen. Es sind nur gut 2 Kilometer und jeder wird fluchen da die Steigung mörderisch ist, aber am Ende wird die Strapaze vergessen sein. Garantiert!
Ich kam mit Glückshormonen überflutet bei Simone an und rechtzeitig, um mit ihr zu Mittag zu essen. Dann kam Franzose Vincent, den wir kurz am Cerro Lopéz in Bariloche kennengelernt hatten. Er war mit einem winzigen Auto unterwegs und zwar seit Neujahr 2016 von Tucson, USA. Es war zu witzig, denn wir verbrachten unser erstes Silvesterfest genau in dieser Großstadt in Arizona und brachen demnach gemeinsam auf, um durch Amerika nach Süden zu reisen. Unsere Wege hatten sich vorher aber noch nie gekreuzt. Wir verbrachten eine Stunde mit ihm und dann marschierte er los und wir fuhren den Berg wieder hinab.
Es ging 20 km weiter und alsbald standen wir vor dem Lago Puelo im gleichnamigen Nationalpark, der im November noch kostenfrei war. Wir parkten und wanderten weitere 3 Stunden zuerst entlang der Strände und dann durch den Berghang. Üppig grün war der Wald und als wir gegen 17 Uhr die Runde zu Ende hatten wollten wir nicht mehr fahren. Wir holten die Erlaubnis ein, uns in/unter den Windschatten eines Baums direkt ans Seeufer zu stellen. Ging in Ordnung und so parkten wir 10 Minuten später mit dem Hintern zum tiefblauen Wasser. Wir schaukelten nur noch leicht, was zum einschlafen sogar sehr sehr nett war. Wieder so ein Schlafplatz, den man nur per eigenem Auto auswählen kann.





















Nach der erholsamen Nacht ging es zurück nach El Bolsón und direkt weiter an den Río Azul. Viele Wanderwege erwarteten uns dort und wir wählten den zum Refugio Hielo Azul (blaues Eis). Allerdings fing der Weg auf einer steinigen steilen Straße schon schlecht an und blieb auch im Wald ein steiniger Weg, auf dem Quads Lebensmittel zum Refugium beförderten. Die Sonne brannte hernieder und nach 6 km hatten wir die Nase voll. Nur über groben Schotter einen Berg hoch machte überhaupt keinen Spaß. Wir drehten um und waren schon zur Mittagszeit am Ausgangspunkt zurück. Auf dem Rückweg in die Stadt stoppten wir kurz am Wasserfall Escondida und parkten wieder in einer ruhigen Seitenstraße in der Kleinstadt. Wir gönnten uns ein Eis und nach dem Essen gingen wir wieder auf ein Bier in eine Kleinbrauerei.







Es hieß Abschied nehmen vom südlichen Teil des argentinischen Seengebiets. Prinzipiell hätte die Straße 40 noch weitere 110 km durch diese Region geführt, aber wir wollten ja wieder bei Pucón über die Grenze nach Chile. Also Bäcker und dann mit duftenden Brötchen und ein paar Butterkeksen zurück nach Bariloche. Dies war der Plan, aber eine Straßensperrung zwang uns nach einer Stunde zum Halt. Die Blechkolonne war schon mehrere hundert Meter lang und wir wurden von der Polizei zu den anderen Lastwagen nach vorne an die Straßenseite gewunken. Warum die Straße gesperrt war verstanden wir nicht völlig, aber etwas mit der einheimischen Bevölkerung und gefährlich war Grund genug den Verkehr abzuriegeln. Wie gut dass wir Kekse hatten .
Um Punkt 12 Uhr Mittag hieß es dann los. Jeder wollte der Erste sein und die Polizisten hatten alle Hände voll zu tun, den Verkehr in geordnete Bahnen starten zu lassen. Wir Lkws kamen am Schluss und ich hielt bei der nächstmöglichen Gelegenheit und ließ jeden vorbei. Auf diese Rennfahrerspielchen hatten wir Drei keine Lust. Gemächlich ging es weiter und nun hatten wir alle Zeit der Welt die gelbblühende Landschaft zu bewundern. Direkt durch Bariloche hindurch und dann hielten wir für ein sehr spätes Mittagessen an einem Traumplatz am See Nahuel Huapi. Wir standen direkt vor dem blauen Gewässer und hatten doch Gras und Bäume um uns herum. Vögel nicht zu vergessen. Eine Halbinsel hätten wir über den Steinstrand anfahren können. Feuerstellen zeugten von der regelmäßigen Nutzung von Insidern. Wenn es nicht erst halb drei gewesen wäre und wir nicht noch ein paar Kilometer mehr geplant gehabt hätten, wäre dies unser Platz für die Nacht gewesen. Im Nachhinein hätten wir einfach stehen bleiben sollen! Beim nächsten Mal...
70 km fuhren wir am Ufer des größten aller Seen im Seengebiet entlang. Der Nahuel Huapi wollte kein Ende nehmen. Die Böschungen waren überall in voller gelber Blüte. Ein Traum. Tiefblaues Wasser, mit Restschnee bedeckte Berge und dieses Gelb. Wir erreichten Villa La Angostura, welches seinen Namen (angosta heißt eng) einer schmalen Landenge verdankt, die die Kleinstadt mit der bewaldeten Halbinsel Quetrihué verbindet. Wie im ersten Teil beschrieben, war auch diese Stadt ein mustergültiges Beispiel wie sie sich dem Tourismus unterwerfen konnte. Im Reiseführer steht sie sei ein Juwel, wir waren irritiert wie eine gezüchtete Stadt diese Auszeichnung erhalten konnte. In unseren Augen schrecklich.
Wir parkten auf dem Parkplatz direkt an der Landenge und liefen ans Wasser. Der Wind war stark und frisch und so blieb es bei einem Kurzbesuch.









Wir packten unsere Rucksäcke zusammen und betraten erneut die Landenge und somit den Nationalpark Los Arrayanes. Die Uhr sprang auf 8.30 Uhr und am Rangerhäuschen verkündete ein Schild, dass erst ab 9 Uhr ein Angestellter zugegen sei. Wir ignorierten das Schild und liefen los. Bezahlen, so sagten wir uns, könnten wir auch noch hinterher, wobei 12,50 Euro pro Ausländer ganz schön happig waren. Dies war ein gängiger Preis für argentinische Nationalparks. Entweder sie waren kostenfrei oder eben 250 Pesos, wobei Parks oft nach Sektoren unterteilt und auch hier manche frei und andere gebührenpflichtig waren.
Die 14 km lange Wanderung bis ans Ende der Halbinsel war schön, aber nichts besonderes und erst auf den letzten Metern kamen wir durch den Wald der Arrayanes, die dieser Nationalpark schützen soll. Ein Arrayán ist ein Myrtengewächs mit zimtfarbener, glatter Rinde. Beim Spaziergang durch diesen Baumbestand duftete es herrlich und auch die Bäume sahen witzig aus, aber der Eintrittspreis lag in unseren Augen doch etwas zu hoch, weshalb wir später am Rangerposten vorbeimarschierten als hätten wir bezahlt. Etwas gemogelt...
Auf eine zweite Nacht auf dem Parkplatz hatten wir keine Lust und deshalb warfen wir Pancho an. Mit Villa La Angostura ließen wir auch den Nahuel Huapi hinter uns und begaben uns auf die Route der 7 Seen. Wie die Argentinier diese abzählten ist uns nicht bekannt, denn selbst auf den Schildern am jeweiligen Aussichtspunkt über den Seen waren 8 Seen betitelt. Auch wurden nur die großen Seen gezählt, alles bis zur Größe des Starnberger Sees wurde unterschlagen (nur eine grobe persönliche Einschätzung), denn tatsächlich lagen ca. 40 Seen entlang dieser Route. Wie dem auch sei, wir kamen bis zum ersten bzw. zweiten See wenn der Nahuel Huapi mitgezählt wird. Am Aussichtspunkt über den Lago Espejo (Spiegel) blieben wir. Ein Deutscher Pionier gab dem See seinen Namen, weil er ihn am Morgen erblickte.














Um 8 war der See spiegelglatt und die Berge im Hintergrund spiegelten sich im Wasser. Daher der Name Espejo. Es folgte See auf See und Aussichtspunkt auf Aussichtspunkt. Dazwischen kam ein großer Wasserfall und ständig ging es durch Wald. Die Straße 40 war hier wirklich grandios. Weit oberhalb des Sees Lácar (der letzte bzw. der erste der 7 Seen Route) kamen wir über eine Anhöhe und blickten hinunter auf dieses riesige Gewässer. Die Höhenmeter waren schnell abgearbeitet und dann mussten wir nur noch dem Seeufer folgen, bis wir in der nächsten hochtouristischen Stadt ankamen. Sankt Moritz, ähhh ne falsch San Martín de los Andes. Verständlicherweise lockt die Stadt mit ihrer traumhaften Lage ganzjährig Scharen von Besuchern an, aber wieder konnten wir dem idyllischen Blockhausstil der Stadt nicht viel abgewinnen. Unser erster Stopp begrenzte sich auf den Nachschub an frischen Brötchen. Dann ging es direkt weiter und wir verließen die Stadt am anderen Ende. Ziel war der Startpunkt für die Wanderung auf den Cerro Colorado. 800 Höhenmeter in 2,5 km. Alle unsere Wanderungen waren kurz, aber pikant im Anstieg. Teufel auch was pusteten wir nach dem Mittagessen, als wir in der Sonne nur gelegentlich in den Genuss der schattenspendenden Südbuchen kamen. Bald sahen wir den Lácar unter uns und als wir die letzten Bäume hinter uns hatten (wieder mit Schnee in den Schatten) lag der Gipfelkopf mit rotem Vulkansand vor uns. Die letzten 50 Meter und es pfiff gewaltig um unsere Ohren. Sicht gleich null, nur rote harte Vulkanasche. 5, 4, 3, 2, 1 Meter und wir standen oben und dann durfte der Kiefer nach unten klappen. Fast so geil wie der Ausblick in El Bolsón, hatten wir hier einen 360° Blick. Nach jeder Seite Berge und Vulkane. Wir sahen wieder den Tronador bei Bariloche, den mächtigen Lanín auf der Grenze zu Chile, den rauchenden Villarrica in Chile und ebenso den Doppelvulkan El Mocho und Choshuenco ebenfalls im Nachbarland. Unter uns lagen kleine Seen und das Tal in dem San Martín lag. Im Windschatten einer kleinen Steinmauer staunten wir eine halbe Stunde, wir wollten den Gipfel nicht verlassen und mussten doch wieder hinabsteigen. Was für ein tolles Erlebnis.
Zurück ging es für die Nacht in die Stadt und einen Parkplatz zu finden war nicht schwer. Die Straßen waren allesamt breit und in einer neben einem Bächlein stellten wir den Motor ab. Am Abend luden wir einen Blog hoch und probierten das nächste lokale Bier. Ein Tag so schön wie der andere. Wandern in begeisternder Natur und am Abend ein Bier vom Fass .
















Sonntag und wie immer sonntags war fast nichts geöffnet. Wir liefen ein paar Straßen auf und ab und machten uns dann aus dem Staub. Die Strecke führte nach Junín de los Andes, allerdings war sie bei weitem nicht mehr so auffällig wie weiter südlich und ohne zu halten fuhren wir wieder auf den Pass bis kurz vor den Grenzposten. Das Wetter war kein Vergleich zu dem bei unserer Ankunft und so ließen wir Pancho am Besucherhäuschen für den Nationalpark Lanín und liefen zum Lago Tomen. Dieser Teil des Nationalparks war wieder kostenfrei und so nahmen wir den kleinen Ausflug gerne mit. Es hätte noch die Möglichkeit gegeben bis an die Schutthalde am Vulkanhang zu laufen, oder zwei kleine Lagunen im Araukarienwald zu erkunden, aber mein Magen zwickte an diesem Tag etwas und so beließen wir es mit dem See Tomen.
Der 3.776 m hohe Vulkan verabschiedete uns aus Argentinien, denn kaum waren wir einen Kilometer weiter mussten wir nur 3 Minuten an der Grenze warten und durften anschließend bis zum chilenischen Posten rollen. Der Ausflug ins argentinische Seengebiet hat sich mehr als gelohnt. Locker hätten wir doppelt so viel Zeit veranschlagen können!






Ende Teil 2
Simone