Dienstag, 3. April 2018

Der argentinische Teil Feuerlands (27.01.2018 - 01.02.2018; aktueller Standort: La Paloma, Rocha)

Auch die Grenzbeamten in Argentinien waren mit uns schnell fertig. Gelangweilt stempelten sie unsere Dokumente und im Nu waren wir wieder auf der Straße. Noch am Vormittag erreichten wir die Stadt Río Grande am Atlantik. In Kolumbien sahen wir diesen Ozean zuletzt (Kartenlink).

Die Stadt hatte etwa 70.000 Einwohner, aber deren Zentrum erblickten wir nie. Wir erledigten das übliche, einkaufen und tanken und parkten am Meer für ein frühes Mittagessen. Neben uns die Schweizer Veronica und Martin. Beim Verlassen der weniger anschaulichen Stadt hielten wir noch an einer neuen, großen Tankstelle und bekamen dort eine kostenfreie, super heiße Dusche und im Anschluss Internet im Shop. Bevor wir verschwanden füllten wir noch unseren Wassertank und dann zogen die Wanderheuschrecken weiter. 30 km fuhren wir am Atlantik entlang und bogen in ein kleines Schutzgebiet an einer Landspitze. Wir rumpelten durch die Dünen und parkten im Wind mit prächtiger Sicht aufs Wasser. Meeresvögel und ein paar kleine Papageien flogen herum. Sonst war dort nicht viel los, gut für uns.





So heute war klar, wenn wir auf der Straße nicht liegen bleiben wird dies der Tag sein, an dem wir in Ushuaia, am Ende der Welt angelangen. Wir brachen zeitig auf und langsam kamen wir den Bäumen wieder näher. Dann rückten die Berge auf uns zu und in der Kleinstadt Tolhuin hoppelten wir nur über die bescheidene Straße ins Zentrum, weil viele Reisende im Internet von einer Bäckerei schwärmten. Wie jeder inzwischen weiß, sind Bäcker wie Magnete von denen wir mächtig angezogen werden. Allerdings konnten wir den Rummel über diesen Laden nicht nachvollziehen. Die Sachen waren gut, aber nichts was wir in unserem Tagebuch verewigen würden. Wir futterten das Zeug am Lago Fagnano, an dessen anderen Ende wir vor zwei Tagen in Chile waren. Heute parkten wir während eines kurzen Schauers am anderen Ende und konnten wieder nicht bis ganz hinüber schauen. Der See war schlichtweg viel zu lang. Kaum ging es weiter, sahen wir den VW Bus der Schweizer an einer schönen Stelle parken. Sie waren wahrlich keine Frühaufsteher. Bald darauf mussten wir über einen Pass und fanden einen wunderschönen Aussichtspunkt kurz unterhalb des Scheitelpunktes. Dort gab es eine schnelle Mahlzeit mit dem Blick über den Lago Escondido. Wir waren noch nicht fertig, als der schlammbraune VW der Schweizer neben uns ausrollte. Wir trafen sie nun täglich. Wieder ein kurzer Tratsch und dann waren sie vor uns auf dem Asphalt. Wir hatten Zeit und kurvten gemütlich den Berg hinab. Endlich hatten wir wieder Berge um uns herum und viele waren weiß gepudert. An einem Fluss entlang, zwischen ein paar Felsen hindurch, die Landschaft öffnete sich und dann kamen die ersten Häuser. Wasser tat sich vor uns auf und plötzlich tauchten zwei große, hölzerne Pfeiler auf, auf denen Ushuaia stand. Wir waren am Beagle-Kanal und hatten die südlichste Stadt der Welt erreicht.
Als wir in Halifax aufbrachen war dies unser Ziel und wir hätten ehrlich nicht sagen können wie es sich anfühlen würde in Ushuaia anzukommen. So hätte ich es aber beileibe nicht erwartet. Wir hatten so viele kleine und größere Ziele auf unserem Weg gemeistert, dass auch Ushuaia zu einer dieser Etappen wurde. Wir hatten 215 km an diesem Tag vor uns, also packten wirs an und fuhren ans (Mini)Ziel. Genau so kam es dann auch und wir waren weder erleichtert, noch glücklich, noch vielen wir uns in die Arme oder brachen in Tränen aus. Wir knipsten ein Bild und das wars .
Seit dem ersten Tag waren es bis hier her 103.422 km, von Fairbanks in Alaska (unserem Startpunkt des Panamerikanischen Highways) 79.570 km. Allerdings waren es Luftlinie von Fairbanks bis zu unserem Standort nur 14.875 km, da sind wir ganz schön abseits der Wege unterwegs gewesen...
Wir fuhren nach den Feierlichkeiten an einen kleinen Strand mit schönen Blick auf die Stadt in der Bucht und anschließend wieder zurück, um ins Zentrum zu gelangen. Auch hier waren die Straßen grottenschlecht, erst im direkten Innenstadtbereich der ca. 57.000 Einwohnerstadt wurden sie besser.
Ushuaia lag phänomenal am Beagle-Kanal und schmiegte sich an die Ausläufer der Anden. Diese ragten noch immer 1.500 Meter hoch und selbst Gletscher lagen in direkter Sichtweite zur Stadt. Die Stadt wurde als Sträflingskolonie gegründet, zieht heute aber hauptsächlich Besucher mit dickem Geldbeutel an. Ushuaia wird in den Sommermonaten regelmäßig von Kreuzfahrtschiffen angesteuert und ist das Tor in die Antarktis. Für Backpacker oder Selbstfahrer ist es einfach das Ende der Straße nach Süden, bzw. das Ende der Welt mit dem sich Ushuaia gerne selbst tituliert. Beidem kann man widersprechen wenn man möchte. Es gab noch eine weitere Schotterstraße, die noch südlicher endete (kommen wir gleich noch dazu) und Puerto Williams mit 2.300 Einwohner auf der südlicheren chilenischen Insel Navarino kann ebenso behaupten die südlichste Stadt der Welt zu sein. Allerdings kann man darüber streiten, ob diese eher einem Dorf entspricht.
Zurück zu uns. Wir fuhren an der Wasserfront entlang und suchten nach einem geeigneten Platz für die Nacht. Es gab mehrere Parkplätze zwischen zwei Hauptstraßen, weshalb wir diese Option nicht wollten. An einem standen fast nur Wohnmobile, welches die Beliebtheit der Stadt widerspiegelte. Wir fuhren zum Flughafen, welcher auf einer Landzunge im Beagle-Kanal lag. Wir hätten am Flughafen parken können, aber dort war der Wind so eisig, dass wir trotz der Sonne schlotterten. Wir setzten uns ins warme Gebäude, checkten Mails und luden fix einen Blog hoch. Andere Reisende, deren Auto auf dem gleichen Schiff nach Halifax stand und die wir zwei Mal in Kanada zufällig trafen, befanden sich auch in Ushuaia und waren an diesem Morgen von einer 12-tägigen Exkursion vom Südpol zurückgekehrt. Wir versuchten uns zu treffen, hatten aber noch keinen Termin. Auch als wir das Flughafengebäude verließen hatten wir noch keine Nachricht von Frederike und Gary erhalten. Auf der Landzunge war es zu windig und so wollten wir uns neben den anderen Campern einreihen, aber ich erwischte die falsche Ausfahrt am Flughafen (habe wohl zu intensiv das beeindruckende Stadtpanorama vor den Bergen einwirken lassen) und fuhr prompt einem Polizeiauto in der Einbahnstraße entgegen. Wir bemerkten sofort mein Missgeschick und ich erhob meine Hand. Der Polizist gab uns Lichthupe und wir schalteten den Warnblinker an. Der Polizist wollte uns aber gar nicht anhalten, dafür zeigte er mir mehrfach den Vogel als wir im Schritttempo aneinander vorbeirollten. 50 m weiter konnte ich die Fahrspur wechseln. Eine weitere Premiere auf unserer Reise .
Wir parkten also am Beagle-Kanal, der von Kapitän Robert FitzRoy 1831 entdeckt wurde und begaben uns auf einen ersten Spaziergang durch die Hauptstraße. Sie war rein auf den Tourismus ausgelegt. Souvenirläden, Reiseveranstalter, Restaurants und Markenklamotten. Uns sprach sie wenig an und wir kochten lieber selbst ein leckeres Abendessen. Hinterher wollten wir noch ein Bierchen und gingen um 21 Uhr wieder raus. Zu dieser Zeit öffneten die Restaurants, typisch Argentinien. Wir fanden nicht viel zum weggehen und landeten in einem Irish Pub, welches zum Bersten gefüllt war. Als wir uns noch einen Überblick verschafften, sahen wir plötzlich uns zwei bekannte Gesichter an einem kleinen Tisch. Frederike und Gary saßen da und wir hatten eine lachende Begrüßung, umso mehr als wir erfuhren dass sie uns eine Nachricht geschickt hatten um sich hier mit uns zu treffen. In der stand auch, dass heute Frederikes Geburtstag war, was sich nach ein paar Minuten uns dann auch noch eröffnete. Tja einem tollen Abend stand nichts mehr im Wege.










Die Nacht war in Ordnung, auch wenn sie etwas laut war. Wir brachen früh auf und schnappten uns ein sagenhaft leckeres Frühstück in dem großen, saugemütlichen Café in dem wir uns zu späteren Stunde mit Frederike und Gary treffen wollten. Noch mampfend liefen wir langsam die erste Steigung hoch und nach 30 min lag Ushuaia hinter uns. Wir tauchten in Südbuchenwald ein und wanderten den Berg Cerro Medio empor. Als die Baumgrenze hinter uns lag, erstreckte sich unter uns die Stadt und der Kanal zu beiden Seiten. Hinter dem Gewässer lag die Insel Navarino. Wir mühten uns den Berg hoch und wurden ganz am Schluss mit Windböen und einer kleinen Lagune belohnt. Der Ausblick vom Cerro Medio war dann allerdings die Mühe wert, denn wir überblickten die gesamte Landschaft unter uns.
Als wir wieder in der Stadt waren, futterten wir eine Pizza (können wir selbst besser), entspannten etwas und waren um 19 Uhr bereit für die Abendsession. Nachdem wir auf glücklichem Wege Frederike und Gary gefunden hatten, hatten wir einen Spieleabend für diesen Abend vereinbart. Wir zockten bis um Mitternacht und waren die letzten Gäste im Café. Weil wir so viel Spaß zu Viert hatten, hielten wir sofort den nächsten Abend zum Spielen am gleichen Ort fest.











Fast gleicher Tag. Frühstück holen und dann wanderten wir zum Gletscher Vinciguerra hoch. Der Anfang ging durch ein schönes Flusstal, aber dann wurde der Weg steil. Im Wald ging es brachial nach oben und Simone hatte bald die Faxen dicke. Leider bedeutete wandern in dieser Gegend einen Berg hoch mühen, um dann im starken Wind nach unten zu schauen. Ich verstand sie nur zu gut, denn auch mir wäre eine längere, dafür aber weniger steile Wanderung lieber gewesen. Dazu kam, dass wir am Ende eine falsche Biegung nahmen und einen 45 Grad steilen Hang in einem Wäldchen empor mussten, welches kaum höher als wir war. Dadurch endeten wir auf einem Bergrücken gegenüber des Gletschers und Simone weigerte sich anschließend über das Geröllfeld weiter hoch, oder auf der anderen Seite wieder bergab zu steigen. Also blieben wir dort für 10 Minuten, schauten auf einen kleinen See hinab und hangelten uns wieder von Stamm zu Stamm den Hang hinab. Ein kleiner schwarzer Marder sprang vor uns auf dem Weg herum und schien viel weniger Mühe mit dem Berg zu haben.
Wir spielten wieder bis um Mitternacht und sagten dann den beiden Lebewohl. Sie hatten ein Zimmer für zwei Wochen gemietet und würden noch etwas bleiben, wir wollten den nächsten Tag nutzen und einiges erledigen, um dann langsam das Ende der Welt zu verlassen.








Internet war am Morgen angesagt, ein zweiter Bummel samt einkaufen folgte am Nachmittag. Wir holten ein riesiges Weißbrot in dem Café und natürlich zwei Mandelhörnchen. Nirgendwo in Amerika waren sie so gut wie dort! Wir wechselten ein paar US Dollar in der Küche eines Hotels, was sich komisch anfühlte aber korrekt schien, denn selbst eine Bank schickte uns dort hin. Dies war das einzige Mal, dass wir beim Wechseln in Pesos einen kleinen Verlust hinnehmen mussten. Dafür machten wir den wieder wett, als wir an der Tanke standen. Nicht zu glauben, aber in Ushuaia fanden wir den billigsten Sprit. Feuerland ist anders besteuert als das restliche Argentinien und daher konnten wir so billig tanken und nutzten dies, indem wir auch noch die Reservekanister befüllten. Ruck zuck und es war Nachmittag. Wir fuhren in Richtung Strand und noch etwas weiter und standen für diese Nacht endlich wieder ohne Verkehr im Dunkeln. Ushuaia glitzerte als Lichtermeer in der Nacht.



Die Kaffeetassen waren verstaut und wir blickten zum letzten Mal über den Beagle-Kanal hinüber zur Stadt. Dann ging es los und bald lag das Ende der Welt hinter uns. Wir blieben aber noch in den Anden und hielten kurze Zeit später, um einer Lagune unsere Aufwartung zu machen. Simone machte im letzten Moment noch einen Rückzieher, da sie keine Lust auf 500 Höhenmeter hatte und so stürmte ich alleine los. In Rekordzeit brach ich aus den Wald, wild nach Atem pumpend. Dann die letzten 20 Minuten in freiem Gelände und schon stand ich an der Laguna Turquesa. Ringsherum ragten rote Felsen empor und das bläuliche Wasser gab einen krassen Kontrast in diesem Umfeld. Ich erklomm noch eine Anhöhe, blickte hinüber zur Laguna Esmeralda, meinem nächsten Ziel, und weit ins unter mir liegende Tal dem wir später folgen sollten. Ich lief querfeldein und kreuzte später wieder den Wanderweg. Für den nächsten See hielten wir 3 km weiter. Simone blieb lieber in Pancho und ich lief die 16 km wieder solo, bewusst dass dies das letzte Bergpanorama werden sollte welches ich auf unserem Trip sehen sollte. Der Weg war einfach, der Anblick auf die Berge vor mir toll. Ich kam dem Gletscher del Albino näher und nach einem letzten Stück bergan lag die grüne Lagune vor mir, eingerahmt von Bergen. Im Vergleich zur Laguna Turquesa tummelten sich hier Menschenmassen, aber trotzdem tat dies der Schönheit des Ortes keinen Abbruch. Ich blieb nicht lang, schließlich wartete Simone auf dem Parkplatz und zudem wollten wir noch weiter.
So sah unser Plan aus: Ans wahre Ende der Welt fahren! Nach kurze Fahrt zurück in Richtung Río Grande zweigte die Straße „J“ nach rechts ab. 80 km konnten wir ihr folgen. Ein Drittel führte durch Wald und zwischen zwei Bergrücken hindurch und dann waren wir wieder am Beagle-Kanal und zwar genau gegenüber der Stadt Puerto Williams. Wir fuhren am Gewässer weiter und blieben fast immer in direkter Sichtweite. Das Wetter war nicht perfekt und trotzdem war die raue Landschaft wunderschön. Buchten mit Steinstränden, Bäume die vom Wind in bizarre Formen gezwungen waren, freie Campingplätze an kleinen Seen oder eben am Kanal und ein paar Tiere wie Guanakos, Biber und eine Eule. Nach zwei Stunden durch diese Wildnis endete die Straße an einem Militärstützpunkt. Hört sich nach viel an, war ein Holzhaus mit einem parkenden Auto davor. Dies war nun wirklich das sehr unspannende Ende. Weiter südlich ging es per Fahrzeug nicht, wir waren selbst einige Kilometer südlicher als Ushuaia. Nun konnten wir getrost umdrehen, ab dieser Minute gab es nur noch eine Richtung; Norden. Gleichzeitig fing nun das lange Ende unserer Heimreise an; unvorstellbar.
Aber noch nicht heute. Wir parkten 500 Meter weiter direkt auf der Straße „J“, denn es gab ja niemanden der diese Strecke hätte nutzen wollen. Wir sahen nur Füchse.

















Auf die Heimreise,
vom Ende der Welt