Mittwoch, 6. Januar 2016

Schichtvulkane (12.10.2015 - 22.10.2015; aktueller Standort: Las Cruces, New Mexico)


@ Dagmar: Alles alles Liebe zum Geburtstag! Ist zwar schon drei Tage her, aber wir denken so oft an euch. Hoffentlich klappt es mit eurem Besuch...
   
Kaum war Seattle gen Süden verlassen, schälte sich alsbald der schneeweiße Gipfel von Mount Rainier aus dem Horizont. Eine Stunde später und wir passierten den höchsten Gipfel der Kaskaden mit fast 4.400 Metern Höhe an seiner Ostflanke (Kartenlink).
Der immer noch sehr aktive Schichtvulkan bot ein beeindruckendes Bild und wir mussten kurz halten, um ein paar Bilder zu schießen. Von Fairbanks in Alaska waren es zu diesem Zeitpunkt 2.587 km, die wir auf der Panamericana zurückgelegt haben. Wir blieben nicht viel länger als uns mit Kartenmaterial an der Einfahrt zum Nationalpark einzudecken, denn unsere Route sah vor auf dem Rückweg, von einem weiteren Vulkan, an den Flanken von Mt. Rainier zu wandern.
   

   
Auf der Weiterfahrt durch die Nordkaskaden in Richtung Mount St. Helens National Volcanic Monument blieb ein weiterer ganzjährig weißer Gipfel stets in unserem Blickfeld. Die Gletscher und somit der Gipfel des Mt. Adams zeichneten sich von dieser Seite (Nordwesten) durch eine sehr runde und gleichmäßige Form aus. Im Sonnenschein strahlte der Vulkan permanent und so gab es fortwährend schöne Aussichten.
Für die lange Anfahrt hoch zum Krater des Mt. St. Helens war es an diesem Tag zu spät und so suchten wir in den Wäldern nach ein geeignetes Fleckchen und warteten auf den kommenden Morgen, um uns die Windy Pass Road hochzuschrauben.
    
Die Serpentinen zogen sich hin und bis auf Wald und später "leere" Hügel war nichts zu sehen. Die Regionen, die von uns als leer erachtet wurden, waren im Inbegriff wieder aufgeforstet zu werden. An einem Aussichtspunkt, an dem wir aber nicht viel wahrnahmen, trafen wir einen Forstarbeiter und der erzählte uns, dass der Waldbestand von den niederen Regionen in die höheren Gefilde nach und nach wieder aufgestockt wird. Er deutete, wie als Antwort auf eine Wolkenkette in der Ferne und auf unserem weiteren Weg hoch zur Windy Ridge sahen wir nicht nur die offensichtliche brutale Zerstörung des Waldes, sondern auch zum ersten Mal den Krater des Mount St. Helens, einem Schichtvulkan der 1980 für Furore sorgte.
    
Mount St. Helens liegt, wie alle Vulkane der Kaskadenkette, auf dem pazifischen Feuerring (Ring of Fire) und ist überaus aktiv. So auch am 18. Mai 1980 als der Schichtvulkan (besteht aus mehreren Schichten, im Gegensatz zu einem Schildvulkan) völlig überraschend in einer spektakulären Eruption 3 Tage ununterbrochen Gestein, Lava, Asche und heiße Gase in die Atmosphäre schleuderte. Dabei schmolzen die Gletscher völlig ab und die Erdrutsche aus diesem Gemenge schossen mit über 320 Stundenkilometer die Nordflanke des Berges hinab. Jegliches Leben in nördliche Richtung auf über 10 Kilometer wurde schlagartig vernichtet. Der Himmel über Washington State verdunkelte sich auf über 200 km. Der Spirit Lake an der Nordflanke gelegen nahm sehr viel des Auswurfs auf und stieg dadurch über 65 Meter an; seine Oberfläche verdoppelte sich dabei.
3 Tage und einige kleinere Erdbeben später, war das Ergebnis der vulkanischen Aktivitäten ein um 400 Höhenmeter reduzierter Berg. Sein Krater war 1,5 km breit, nach Norden aufgebrochen.
    
Spirit Lake, halb gefüllt mit Treibholz lag friedlich unter uns, ebenso der Vulkan vor uns. Unvorstellbar, dass dieser leblose Gesteinshaufen solche Urgewalten entfesseln konnte. Auf einem 12 Kilometer langen Weg durch das Lavafeld fanden wir die ersten Büsche/Bäume, sowie eine große Herde Hirsche, die ebenfalls nicht beunruhigt war. Wir liefen dort ganz alleine und genossen die Ruhe und Entrücktheit dieses Ortes. Zur einen Talseite lag üppiger Wald, auf der anderen lagen die grauen Stämme alle in einer Richtung, Zahnstocher gleich. Die willkürliche Zerstörung hätte plastischer nicht seien können!
Wir verließen diesen tollen, aber eigenartigen Ort am Nachmittag und fuhren wieder den selben Weg zurück, um Mt. Rainier unsere Aufwartung zu machen.
    





   
Ähnlich wie am Mount St. Helens verbrachten wir die Nacht außerhalb des Nationalparks und fuhren im Morgengrauen an der Nordseite hoch zum Sunrise Meadow. Dort am Besucherzentrum blieben die Türen geschlossen, dauerhaft für dieses Jahr, denn die Saison war zu Ende. Ein Techniker, der den Strom abstellte und die Wasserversorgung winterfest machte, war Feuer und Flamme für Pancho und verriet uns, dass nachdem die Station zu sei auch kein Ranger zur Sunrise Meadow mehr kommen wird. Freies campen für uns, direkt an der Nordseite des Vulkans und der Begriff "Sonnenaufgang Bergwiese" wird ja auch was zu bedeuten haben. Wir waren auf den nächsten Morgen gespannt, aber erst powerten wir uns wieder aus, indem wir eine lange Wanderung durch die fantastische Natur unternahmen. Ob der Fernblick vom Fremont Lookout weit über die Kaskaden bis zum Mt. Baker und an die Grenze zu Kanada, weiter bis zu den Olympic Mountains auf der gleichnamigen Halbinsel im Nordwestzipfel von Washington State, oder die Wälder und Flüsschen in den Niederungen, oder die majestätischen Gletscher und der weißblaue Gipfel des Berges an sich, dieser Tag wird unvergesslich bleiben.
Mit dem Sonnenuntergang kamen wir völlig ausgepumpt wieder zurück. Pancho nahm uns freudig auf, nur um uns kurz nach 4 Uhr bei völliger Dunkelheit wieder aus den Federn zu werfen. Anziehen, Kaffee kochen und dann den Sonnenaufgang bewundern. Zuerst wurde die Nacht rosa bis orange mit Wolkenschlieren am Himmel, dann der Schneegipfel rosa. Die umliegenden Berge färbten sich, je nach Größe, auch nach und nach in dem gleichen zartrosa Glanz. Dann wurde alles rötlich, bis final die Sonne über die Bergwelt aufging. Die gelben Gräser nahmen die ersten Strahlen auf und funkelten golden zu Tausend. Wir waren platt und trotz der Kälte verbrachte zumindest einer, Betonung liegt auf einer, über eine Stunde im Freien um dem ganzen Schauspiel beizuwohnen.
Happy wie sonstwas fuhren wir auf die Südseite. Was wir dort wollten dürfte inzwischen jedem klar sein.
    





   
Das Paradise Gebiet liegt tiefer und ist viel einfacher zu erreichen als die Sunrise Gegend. Nicht verwunderlich also, dass auf den Wegen viel mehr los war. Logo sind wir rein in die Wanderschuhe und einmal mehr über Stock und Stein durch die Natur getappt. Auch dieser Loop war schön, aber die Aussichten bei weitem nicht so umwerfend wie auf der anderen Bergseite. Nicht dass es schlecht war, der Nisqually Gletscher war spitze und die Blicke auf Mt. Adams sowieso, aber die Nordseite war einfach eine Wucht.
    




Kaum waren die Berge verlassen, ging es ziemlich zügig durch Farmland nach Westen. In Lacey, einer Nachbarstadt von Olympia (die Hauptstadt des Bundesstaates) hielten wir an einem Home Depot, da wir nach einigen Tagen in den Bergen mal wieder einen Blog hochladen wollten. In Kanada war es flächendeckend untersagt an besagter Baumarktkette zu nächtigen und da wir noch relativ unerfahren in den USA unterwegs waren, fragten wir lieber nach ob wir für eine Nacht stehen könnten. Beim ersten Anlauf weiter im Osten war es kein Problem und diesmal?
Die Gefragte war überrascht, da noch nie jemand auf die Idee kam auf dem Parkplatz zu nächtigen, aber sie wüsste nicht warum es nicht gehen sollte. Entscheiden wollte sie es dann aber doch nicht und rief die Managerin. Diese war genauso überrascht, aus dem selben Grund. Sie ging mit uns dann vor die Tür und als sie Pancho erblickte war alles geregelt. Sie rein in den Laden, raus mit 2 Kolleginnen, Handys wurden gezückt und dann kam die Erlaubnis, dass wir so lange stehen bleiben könnten wie wir wollen. Dauerhaft wenn es sein muss. Wenn das mal kein Angebot war .
    
Wir beschränkten uns dann doch nur auf eine Nacht und fragten später nur noch ein einziges Mal nach, ob wir auf dem hauseigenen Parkplatz pennen können. Auch an dem Home Depot war es kein Problem und seitdem ziehen wir, wenn es sich nicht vermeiden lässt, Home Depot oder Lowe’s (ein weiterer Baumarkt) immer Walmart vor. Da ist nachts Ruhe angesagt und das Internet ist tadellos!
    
Wir fuhren weiter und rein in die Olympic Peninsula. Ein Picknick am Wegesrand und am Nachmittag erreichten wir Port Angeles (Kartenlink). Dort befindet sich das Hauptquartier des Nationalparks und wir deckten uns mit reichlich Kartenmaterial ein. Uns wurde sofort klar, auf der Halbinsel gibt es Möglichkeiten im Überfluss. Das UNESCO Weltnaturerbe besteht im Kerngebiet aus den Olympic Mountains, die wiederum von zerklüfteten Stränden umgeben sind. Die Regenwälder reichen bis an die Strände heran und so findet man in fast allen Regionen riesige umgestürzte Bäume quer über die Strände verteilt. Ob Sandstrand, schwarzer Kiesel, Felsen oder Klippen für jedermann ist eine Strandform dabei. Der gemäßigte Regenwald war genauso üppig wie auf Vancouver Island und nicht ohne Grund, denn die Halbinsel zählt zu den regenreichsten Gegenden der USA. Wo es viel regnet gibt es Flüsse, wo Flüsse sind, sind Wasserfälle und Seen nicht weit. Zusammen mit den Gletschern in den Mountains ein Eldorado für Wanderer.
    
Die Wettervorhersage für die kommenden Tage war durchwachsen, speziell für das bergige Halbinselinnere. Simone war nicht sonderlich betrübt darüber, da sie genug Höhenmeter in den letzten Tagen meistern musste. Schnief, aber wir verzichteten auf die Olympic Mountains komplett und liefen 4 Tage an verschiedenen Örtlichkeiten.
Da war z.B. die Nehrung von Dungeness, die nicht einmal zum Nationalpark gehört. Ein 8,8 km langer Sandstreifen voll mit Treibholz, an dessen Ende ein Leuchtturm liegt. Wir waren am Morgen die ersten und trafen 2 Rehe am Strand. Blieben nicht die einzigen ungewöhnlichen Gäste. Es war eine herrliche Wanderung. Neben Robben und jede Menge Meeresvögel sahen wir einige Weißkopfseeadler, Falken und einen Kojoten. Am Leuchtturm angekommen trafen wir doch tatsächlich ältere Damen. Drei an der Zahl, bewaffnet mit Kameras und Ferngläser sind sie an den beiden Strandabschnitten durch die Natur gepirscht. Als sie uns erspähten kamen sie wie Bienen zum Honigtopf über uns. Es begann überaus unterhaltsam zu werden. Wir machten mit der Hälfte der neuen Leuchtturmbesatzung Bekanntschaft die, wie wir schnell erfuhren, am Abend zuvor mit dem Auto bei Ebbe hergebracht worden war. Im wöchentlichen Wechsel übernehmen Freiwillige dieses Privileg und öffnen den Leuchtturm für die Öffentlichkeit, halten alles sauber und zeigen das kleine Museum. Dafür durften die 6 Freundinnen für eine Woche kostenfrei im Leuchtturm und im benachbarten Haus einziehen. Wir waren die ersten Kunden für sie wenn man so will und mussten alles anschauen. Die anderen Frauen bekamen wir auch noch zu Gesicht, eine darunter die für ein paar Jahre in Deutschland lebte und so verging die Zeit wie im Fluge. Bis wir wieder an Pancho waren, hatten wir mächtig Hunger und fuhren später durch die beeindruckende Natur. Einen Wasserfall steuerten wir noch an und schliefen an einem Fluss.
    






   
Der Tag am Lake Ozette am Nordwestzipfel war verregnet. Ein Sturm brachte ein paar Tage zuvor Unmengen an Algen und Kelp an Land und in der Zwischenzeit, vereint mit Trillionen Fliegen und verwesenden Meerestieren, lag selbst im Regen ein überaus stechendes Aroma in der Luft. Friesisch feinherb...
    
Auf dem Weg nach La Push mit seinen Stränden gelangten wir durch ein Nest namens Forks. Alle Twilight Fans wissen es natürlich. Dort wurden ein paar Sequenzen der Vampir Schnulze gedreht. Jeder Aspekt wurde dort vermarktet und wir sahen schleunigst zu Land zu gewinnen. Wer weiß was dort von den Bäumen hängt. Übrigens, weit mehr wurde auf Vancouver Island gedreht, nur erfährt man dies dort nicht.
    
Rialto Beach, ein schwarzer Kiesstrand bei La Push war der Hammer. Das Treibholz am Strand riesig, der Wind eine steife Brise und der morgendliche Spaziergang eine Wohltat. Unbedingt anschauen!!!
    





   
Wir verbrachten einen Tag am Hoh River im gemäßigten Regenwald. Das Motto des Wanderwegs: Der Weg ist das Ziel. Man kann dem Fluss bis zum Mount Olympus folgen und dann anfangen den Berg hochzukraxeln. Wir liefen ca. 12 km rein in den Regenwald und kehrten staunend um. Farne, Moose, Flechten, Bromelien, Pilze und Feuchtigkeit egal wohin man schaute. Der Wald zeigte sich in seinem Herbstkleid und immer dann als die Sonne durch die Wolkendecke brach leuchtete und glitzerte es uns um herum. Was soll ich sagen; schön wars!
Dort verbrachten wir ganz legal unsere erste Nacht auf einem Campingplatz. Ein sogenannter „primitive Campground“ für die man nicht zahlen muss. Kein Komfort, aber das brauchen wir eh nicht. Ein Stellplatz ist alles was wir benötigen.
    




   
Den letzten Tag auf der Halbinsel verbrachten wir in der südwestlichen Ecke. Vom Ruby Beach könnte man den ganzen Tag am Strand nach Süden laufen, wir beschränkten uns auf ein paar Stunden und fuhren dann weiter an dem gleichen Küstenabschnitt.
    
Da wir den Columbia River mit seinen 77 Wasserfällen nicht missen wollten, fuhren wir ein weiteres Mal 200 Kilometer durch den Bundesstaat. Wir wählten unseren Streckenverlauf so, dass wir an der Südseite des Mount St. Helens vorbei kamen, um eine über einen Kilometer lange Lavahöhle zu besichtigen. Allerdings liefen wir die Ape Cave nicht komplett ab, sondern beschränkten uns auf den Eingangsbereich. Es war pechschwarz im Inneren und unsere Taschenlampen nicht stark genug. Zu viele Horrorfilme spukten uns durch den Kopf und wir wollten nicht testen, ob unsere Batterien auf halben Weg versagen.
    
Kaum waren wir aus dem Nationalforst heraus und am Columbia River angelangt änderte sich die Landschaft drastisch. Das Farmland war gelb, alles war verdorrt. Trotz Fluss war nichts saftig grün und die Felswände des Flusses sahen schwarz verbrannt aus. Als Kontrast zu den letzten Wochen war es klasse, speziell mit dem nächsten Vulkan im Blickfeld, Mount Hood auf Seiten Oregons, aber die grünen Wälder von Washington State waren der Grund warum wir so viel Freude an diesem Bundesstaat hatten. Vielen Dank für so vieles.
    




   
Im ersten Beitrag über Washington State sprach ich ein noch schlummerndes Problem an. Durch die Feuchtigkeit und unserer eigensinnigen Heizung bekamen wir auch auf der Olympic Peninsula Panchos Innere nie richtig trocken und so erwachte, erblühte unser neues Problem in Form von kleinen grünschwarzen Pünktchen an Teilen der Decke, über der Dusche, in den Kanten, eben an den berüchtigten Kältebrücken. Schimmel wie der Volksmund sagt.
    
Zeitgleich mit dem letzten Eintrag über Washington State haben wir auch auf unserer Homepage diesen Bundesstaat online gesetzt. Viel Spaß mit über 300 Bildern.
    
Vom Columbia River,
die drei Gefährten