Bei sommerlichen 20 Grad am Morgen tranken wir unseren Kaffee mit Blick aufs Meer im Freien.
Von Malibu ging es dann los in die Metropolregion Los Angeles, oder Pueblo de los Angeles (Dorf der Engel um 1781), LA oder Stadt der Engel (Kartenlink).
Der Küstenhighway Nummer 1 folgte unaufhaltsam der Bucht und brachte uns den Hochhäusern immer
näher. Wie stets in Städten durfte Stefan zum fahren ran und wo es noch gemütlich losging, wurde es bald ernst in der morgendlichen Rushhour. Die zweispurige Fahrbahn wurde voller und voller, Baustellen kamen hinzu, die
Seitenränder, wo erlaubt, waren restlos zugeparkt und da mussten wir mit Pancho durch. Inzwischen schrecken uns die Städte nicht mehr, man muss nur etwas konzentrierter sein als sonst. Kurz nach der Getty Villa bogen wir links ein in eine der bekanntesten Straßen LA’s. Kaum die Küste verlassen, kurvt der Sunset Boulevard die Santa Monica Berge hinauf. Wir schnauften
auf der rechten Spur, vorbei an nobler werdenden Häusern, die Berge hoch. Gleich nach hundert Meter kam das erste Verbotsschild für Trucks. Alles mehr als 5 Tonnen darf den Sunset Boulevard nicht befahren. Wurscht, wo sollten
wir auch hin?? In jeder „besseren“ Straße gab es Gewichtsbeschränkungen. Wir hofften, keinen Polizisten zu begegnen und falls doch auf unseren Wohnmobilstatus hinzuweisen. Um es vorweg zu nehmen, wir wurden in LA nicht
angehalten, obwohl wir sicherlich mehr als 50% unserer Zeit in Zonen unterwegs waren, die eigentlich tabu für uns waren.
Also wir den Sunset hoch, um ihn dann noch vor erreichen von Beverly Hills zu verlassen, da unser
erstes Ziel erreicht war. Das Getty Center.
Jean Paul Getty, einst reichster Mann der Welt, baute die Getty Villa als Museum für seine Kunstschätze,
die er der Öffentlichkeit zeigen, besser gesagt als Geschenk präsentieren wollte. Schon zu Lebzeiten lud er Gäste, sowie jedermann herzlichst ein, in seiner Villa seine Kunstgegenstände zu bestaunen. Nach seinem Tod führte
die Jean Paul Getty Foundation die Sammelleidenschaft fort und muss jährlich mindestens 4,2% des Startkapitals von 4,5 Milliarden Dollar für neue Kunstobjekte ausgeben. 200 Mio. jedes Jahr für Kunst, das muss man sich mal
auf der Zunge zergehen lassen. Das Getty Center wurde gebaut, da die Villa zu klein wurde (auch Parkprobleme). Ich las die Sammlung umfasse mehr als 45.000 Objekte und nur 3% werden wechselweise im Getty Center der Öffentlichkeit
präsentiert. Beide Standorte sind eintrittsfrei, nur Parkgebühren in Höhe von 15 US-Dollar müssen gezahlt werden. Das Getty Center ist schon architektonisch ein Meisterwerk. Es thront hoch über Beverly Hills, ist in allen
Bereichen lichtdurchflutet, verfügt über mehrere Brunnen, Gärten und dergleichen und bietet einen weiten Blick über die Küste (Santa Monica, Venice Beach), Beverly Hills, die Hochhäuser der Downtown und einigen weiteren
Stadtteilen. Nun ja wenn kein Smog über der Stadt liegt.
Dies bringt mich kurz zur Geschichte der Stadt.
Im September 1781 offiziell vom spanischen Gouverneur gegründet, erblühte die Stadt mit dem
Goldrausch von 1848-51 (nördlich von Sacramento) just nachdem Kalifornien von Mexiko an die USA im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg fiel. So wuchs die Einwohnerzahl von
1850 bis 1900 von 1.600 auf über 100.000 an. In den nächsten 10 Jahren verdreifachte sie sich und 1932 knackte die Stadt die Millionengrenze. Heute leben in den 15 Stadtdistrikten fast 4 Mio. Menschen, erweitert man dies
auf die durchgängig bebaute Fläche endet man bei fast 12 Mio. Im Osten und Norden wird LA von Bergen begrenzt, im Westen bildet der Pazifik die natürliche Grenze. Die City leidet unter ein massives Umweltproblem, Tage ohne
Smog sind eher selten und laut Wikipedia belastet die größte Kraftfahrzeugdichte der Welt (!) die Stadt.
Da Los Angeles wie San Francisco direkt an der San-Andreas Verwerfung liegt, resultiert daraus
eine massive Erdbebengefahr. In der jüngeren Geschichte war das schwerste Beben im Jahr 1857 mit einer 7,9 auf der Richterskala.
LA ist der weltgrößte Standort für Flugzeug- und Raumfahrtindustrie und weltbekannt für seine
Kino-, Radio-, Fernseh- und Musikproduktionen.
So weit ganz kurz. Was wir vom Getty Center sehr gut sehen konnten ist die extreme Zersiedelung
der Stadt. Die 15 Distrikte sind in eine Vielzahl von Bezirken unterteilt, die sich wiederum in ihrem Charakter sehr unterscheiden. Manche sind reine Geschäftsbezirke wo andere reine Wohnsiedlungen sind. Gleiche Abgrenzung
weisen die Bezirke zum Teil in ihrer Bevölkerungsgruppe auf (Herkunft, Alter, Bildung, Einkommen etc. auch wenn wir dies natürlich nicht von einer Terrasse aus sehen konnten). Das Panorama welches man vom Getty sieht, zeigt
ein paar Wolkenkratzer in Santa Monica, ein paar einige Blocks weiter, dann Wohngegend mit Grünflächen, dann wieder 10 Hochhäuser, dann ganz viele Einfamilienhäuser bis ganz weit im Osten, kaum im Smog erkennbar die eigentliche
Downtown mit dem nächsten Schwung Hochhäuser kommt. Gar nicht mal viele, aber dieses Bild entspricht exakt dem Gefühl von Los Angeles. Eine Aneinanderreihung von Städten, ohne eigentlichen Kern. Kein auf den Punkt kommen,
Strand reiht sich nahtlos an Strand, bloß bewegt man sich in unterschiedlichen Städten, Beverley Hills, Hollywood, Slums, Downtown, alles ist fließend, vieles uninspirierend. Die Stadt der Engel packt einen nicht, viel
Blendwerk, noch größer die Kluft zwischen Arm und Reich.
All dies wussten wir an diesem sonnigen Tag noch nicht. Das Getty Center war großartig, sehr
reell es war uns zu groß. Die Kunst erschlug uns und irgendwann schlenderten wir nur noch durch die Galerien und verbrachten viel Zeit auf den diversen Terrassen hoch über der Stadt.
Als wir mit Kunst gesättigt waren fuhren wir quer durch die Straßen, um schnellstmöglich nach
Venice Beach zu kommen. Am Strandboulevard liefen wir nach Norden bis zum benachbarten Santa Monica. Venice war verdreckt, sehr viele Süchtige lagen an Hauswänden gelehnt und ständig wollte uns irgendwer etwas verkaufen.
Illegales. Richtung Santa Monica wurde es besser, aber hübsch war es dort beileibe auch nicht. Als wir so liefen und uns gerade unterhielten wie (un)wahrscheinlich es wohl ist einer berühmten Person zu begegnen joggte an
uns ein Herr vorbei und mir (Stefan) blieb der halb vollendete Satz im Hals hängen, da ich der Meinung war diesen Herrn zu kennen. Ich hätte schwören können Thomas Hitzelsberger gesehen zu haben. Nun gut wir liefen weiter
und über den bekannten Santa Monica Pier (Ende der Route 66) und wieder zurück nach Venice Beach. Das gleiche wieder, wir laufen, reden und da joggt der gleiche Herr nochmal an uns vorbei. Diesmal rief ich ihm gleich in
englisch hinterher, ob er nicht Thomas Hitzelsberger sei und er drehte sich im Laufen nur um und grinste uns fett an und zeigte uns den erhobenen Daumen. Also so unwahrscheinlich ist es einen ehemaligen deutschen Fußballnationalspieler
in LA zu treffen ☺.
Danach ging es wieder raus nach Malibu und zu unserem Meer-Straßenparkplatz.
Gleiche Abfolge wie am ersten Tag. Volle Straßen umso näher wir Santa Monica kamen, aber vorher
wieder in den Sunset Boulevard eingebogen. Diesmal fuhren wir aber weiter und fuhren somit durch Beverly Hills (gähn, man sieht nichts) und gelangten automatisch nach Hollywood, welches wir aber auch links liegen ließen.
Wir steuerten Pancho auf einen Freeway und au Backe der war schon 4-spurig in beiden Richtungen. Und dies war nur ein Zubringer. Um zu den Warner Brothers Studios in Burbank zu gelangen mussten wir noch auf den großen Bruder einschwenken. Plötzlich 7 Spuren, jede voll bis zum bersten. Stop and Go. Was für ein Graus.
Gefühlt waren wir für die wenigen Kilometer ewig unterwegs, aber irgendwann trafen wir an den Filmstudios ein. Mit fast 60 Dollar kein Schnäppchen, aber es war unglaublich interessant mal hinter die Kulissen blicken zu
können. Wir fuhren in einer sehr kleinen Gruppe durch die Stadt- und Landschaftsbühnen. Wir sahen wie es hinter den Häuserfassaden zugeht wo unzählige Blockbuster gedreht wurden, oder Fernsehserien wie „The Big Bang
Theory“. Z.B. wurde die Szene aus Jurrasic Park wo die Akteure von Raptoren verfolgt werden auf einem Gelände von 15 auf 10 Meter gedreht. Ein 40 cm tiefes Betonbecken, das wahlweise mit Wasser, Matsch, Schnee, Sand etc.
gefüllt werden kann umgeben mit etwas Bambus. Das war alles. Krass, aus nichts einen Oscar für Special Effects.
Wir waren auch in den schallisolierten Hallen, in denen die viele Serien gedreht werden. Es ging
durch Holzgänge mit unzähligen Seilen, Kabeln und Lüftungen über uns bis man in eins der Ministudios trat. Immer das gleiche Setting und so werden Filmrolle um Filmrolle gefüllt. Ist mal länger Pause werden sie, man
könnte sagen einfach zusammengeklappt und in einer anderen Halle geparkt. Das lies sich dann so: Küche aus Serie XY, Kellerraum aus XX und Bar aus XZ. Die Holzpakete waren dabei nicht einmal einen halben Meter dick.
Wenn ich mich richtig erinnere, war Emergency Room mit George Clonney die längste Produktion,
aber Friends die erfolgreichste. Zum Abschluss durften wir noch die Kostüme und Requisiten aus dem neuen Batman/Superman Film sehen. Berühmtheiten auf dem Set? Vielleicht haben wir Bradley Cooper aus Hangover gesehen, könnte
aber auch jemand ganz anderes gewesen sein. Die Warner Brothers Studios waren ihr Geld wert, zeigten aber auch wieder deutlich, dass in Hollywood (für uns gilt dies für ganz LA) alles nur Show und Blendwerk ist. Wir sahen
so viele Details aus diversen Filmen, dass kurz die Regung aufkam es wäre besser gewesen den Besuch nicht angetreten zu sein.
Wir quälten uns wieder durch verstopfte 7 Spuren, um in Beverly den Rodeo Drive zu sehen. Salopp gesagt, Kaufhäuser nur nicht für unser Budget. Armut war dort verbannt. Zurück ins nächste Scheingebilde: Hollywood. Auf dem Sunset und
Hollywood Boulevard war es touristisch, die Seitenstraßen zeigten bereits das ganze Elend. Menschen in Papphütten auf dem Bürgersteig. Fährt man den Sunset zu weit (immer noch Hollywood) braucht man nicht mehr in die Seitenstraßen.
Menschen vegetieren inmitten der Milliardenindustrie Hollywood auf der berühmten Straße. Es war schrecklich. Wir parkten für die Nacht im Grenzgebiet von Hollywood.
Zu allem Überfluss mussten wir feststellen, dass unsere Führungsschiene aus Plastik, die die
Schiebetür des Kleiderschranks die nötige Richtung gibt, gebrochen war. Fast fertig mit der Innenisolierung und die nächste Baustelle gleich aufgetan. Kurzerhand klebten wir die Tür an den Schrank fest und entfernten die
Schiene am Boden.
Wir liefen nach dem Kaffee los und bemerkten, dass sich über Nacht ein paar Obdachlose auf dem
Bürgersteig um Pancho breit gemacht haben. Die haben ihre Plastikflaschen gezählt und waren so apathisch, dass sie uns kaum wahrnahmen. Wir liefen auf dem Walk of Fame, den Gehweg mit eingelassenen Sternen und machten zig Bilder. War super interessant, aber auch da das gleiche Bild. Sterne waren mutwillig beschädigt, mit
Erbrochenem voll, belagert von Heimatlosen. Dazu kamen noch aufdringliche und freche Tourenverkäufer. Einer hat uns mehrfach beleidigt, nachdem wir ihn ignoriert hatten, was wir für Touristen sind die einmal im Leben nach
HOLLYWOOD kämen und dann nur blöde Sterne in der Straße fotografierten. Armleuchter.
Wir passierten den Ort der Oscar Verleihung. Das TCL Chinese Theatre in direkter Nachbarschaft zum Dolby Theatre, macht den Eindruck eines asiatischen Tempels ist aber der Ort schlechthin für Premieren und Glamour. An dem Tag
als wir vor dem Kino standen trafen wir auf hartgesottene Star Wars Fans. Noch 8 Tage bis zum Kinostart des neuesten Star Wars Films (Das Erwachen der Macht) und sie campten dort schon seit Tagen. Mitten in Hollywood. Ein
paar Meter weiter bekam Ron Howard, Schauspieler und Regisseur seinen 2ten Stern. Michael Keaton, war einer der Herrn der die Laudatio auf Ron hielt. Alles war schön abgesperrt, Security, Polizei und natürlich Fernsehteams waren zur Stelle und so sehen
wir dies im TV. Was die Kameras nicht zeigen, sind wiederum die Bettler die an der Absperrung liegen. Die wurden zuvor einfach ein paar Meter zur Seite befördert. Hört sich übertrieben an? Na dann viel Spaß im Moloch Los
Angeles. Die Stadt der Engel hat es geschafft uns in nur 3 Tagen all das Abstoßende zu präsentieren, vor dem uns so viele Personen auf unserem Weg durch Nordamerika gewarnt haben. Wir machten uns schleunigst vom Acker (nachdem
wir 1 Stunde im Stau standen).
Wir wollten LA über die San Gabriel Mountains verlassen, doch leider war Pancho nicht zulässig
für diese Strecke. Gefrustet parkten wir mal wieder illegal, diesmal in Montrose.
Wir mussten einen Umweg um die Berge fahren und kamen dann endlich raus aus dem Ballungsgebiet
der Megacity. Und wohin kommt man, wenn man Los Angeles nach Osten verlässt? In die Wüste. Die Mojave Wüste war erreicht.
Aus der Stadt der Illusionen,
die 3 Panchos