Dienstag, 22. März 2016

Das US-Gesundheitssystem (16.01.2016 - 20.01.2016; aktueller Standort: Acaponeta, Nayarit)


Unser Tag verlief zweigeteilt. Den Morgen nutzten wir, um im Sabino Canyon in Tucson ein paar Kilometer durch die Sonora Wüste zu laufen. Unseren Weg kreuzte eine kleine Familie von Javelinas (Pekaris), die wie kleine Wildschweine ausschauen. Aus der Fahrt heraus und im Wüsten Museum sahen wir Javelinas, aber noch nie von so nah. Sahen schmackhaft aus... Spaß!
Wanderwege führen in 2 Canyons, auf Berge hinauf oder zu Wasserfällen und hätten wir gewusst wie viele Wege es dort gibt, hätten wir vielleicht den ganzen Tag veranschlagt. So waren wir zu Mittag wieder am Parkplatz, leerten die letzten Reste im Kühlschrank und machten uns dann auf, um die alltäglichen Pflichten während des Reisens zu erledigen.
Wasser auffüllen, Toilette entleeren, bisschen putzen, einkaufen, Haare schneiden, Dinge umräumen (haben schon so oft umorganisiert, dass wir die Hälfte der Dinge nicht mehr finden ) etc. Es war unsere letzte Nacht in Tucson und da es uns in der Thunder Canyon Brauerei an Silvester so gut gefiel gingen wir dort noch einmal hin. Wir waren fast pünktlich zum Kickoff (Anstoß) eines Viertelfinalspieles des American Footballs. Schauten eineinhalb Spiele und trollten uns dann, um wieder am Lowe´s zu parken (Kartenlink).





Bevor wir Tucson schließlich verließen stoppten wir an der alten und schönen Missionskirche San Xavier aus dem 18. Jahrhundert. Es war Sonntag und die Kirche zum bersten voll. Machte nichts, schauten wir sie halt nur von außen an und gönnten uns ein Frühstück, etwas was wir sonst nie machen. Auf dem Vorplatz der Kirche hatten indianische Familien ihre Stände ausgebreitet und überall konnte man Frybread für ein paar Dollar kaufen. Herzhaft mit Chili con Carne, mit Salat und Schinken oder süß, etwa mit Zimt und Zucker oder Honig. Nur was ist Frybread? Wir mussten also zwei „gebratene Brote“ versuchen. Was dann kam war ein super leckerer frischer Tortilla, der kurz in heißes Öl geworfen und in diesem ausgebacken wurde. Sah aus wie ein mit Blasen übersäter Crêpes, war knusprig und einfach spitze mit scharfer Chili bzw. Zimt & Zucker. Dazu probierten wir eine heiße Schoko, die weniger unser Fall war. Pulver mit heißem Wasser aufbrühen und kleine Marshmallows für zusätzlichen Zucker rein. Die Schoki war ziemlich wässrig, pappsüß und auf der Oberfläche haben sich die Marshmallows fädenziehend aufgelöst. Nach ein paar Schluck haben wir den Becher den Bienen überlassen...

So jetzt aber endlich los, hopp hopp wir waren lang genug in diesem Teil von Arizona. Auf der 86 nach Westen mit Ziel eines weiteren National Monuments. Wenn man eine Landkarte anschaut, sieht man dass in diesem Bereich nur noch ein paar Indianersiedlungen existieren, ab dem Orgelpfeifen Kaktus NM, liegt westlich nur noch Wildnis bis nach Yuma. Bevor wir die Kakteen beehrten fuhren wir 32 lange Kilometer auf den Kitt Peak hoch. Dieser Gipfel beherbergt die weltweit größte Ansammlung an Teleskopen auf dem gleichnamigen Gelände des Kitt Peak National Observatoriums. Die Anfahrt verlief quälend langsam, oben hatten wir Schnee und kamen durch Zufall genau richtig für eine Führung in eines der Teleskope. Mit unserem Dusel ging die Führung ins Mayall Teleskop, mit 4 Meter Durchmesser das größte Teleskop auf dem Berg. Der 4 Meter Spiegel wog mehrere Tonnen und fast jeden Abend öffnet sich das Gebäudedach, um den Blick auf die Sterne freizugeben. Da Astronome nur nachts ihre Zielobjekte erforschen können, ist tagsüber kaum ein Mensch auf dem Gelände. Die schlafen alle, weshalb man nicht zu laut sein soll, denn das ganze Areal steht frei zu Fuß erkundet zu werden. Insgesamt stehen dort 26 Stationen, von verschiedenen Organisationen. Radioteleskope stellten die Minderheit, optische Spiegel waren ganz klar die Renner.
Die Aussicht vom Kitt Peak war grandios, im Teleskop selbst sah man nicht viel. Die Spiegelaufhängung ja, den Spiegel selbst nein, nur seine Außenverkleidung wenn man so will. Kann man sehen, muss man aber nicht.






Und weiter ging die Fahrt. Durch endlose Trockenheit, staubig und doch nicht unattraktiv. Der Tag neigte sich dem Ende und wir kamen nicht einmal bis zum Orgelpfeifen Kaktus National Monument. Wir parkten kurzerhand in Why, so der Namen des Nestes, auf einem großen ungepflasterten Platz neben einer herrenlosen Tankstelle. Sicherlich nicht unser schönster Schlafplatz, aber ungestört waren wir auch dort.

Nach nur 2 gefahrenen Kilometern passierten wir eine riesige Fläche, auf der ein paar Camper weit verstreut auf festgebackener Erde standen. BLM Land wie wir herausfanden. Grund und Boden der dem BLM (vereinfacht des Innenministeriums) gehörte fanden wir immer wieder mal. Bei weitem nicht so häufig (ca. 250 mal im Westen) wie Nationalforste, dafür darf auf BLM Land fast überall für bis zu 14 Tage kostenfrei gecampt werden. Da es dort sonst nichts gibt, bezweifeln wir dass es jemanden stören würde wenn man länger stünde. Egal wir merkten uns den Platz.

Das Orgelpfeifen Kaktus National Monument grenzt an die Landesgrenze zu Mexiko. Dies ist das einzige Gebiet in den USA in dem diese bis zu 8 Meter hohe Kakteenart existiert. Sonst gedeiht sie nur im Nordwesten von Mexiko. Auch dieser Park ist groß und so frönten wir unser Hobby und liefen drauf los. Obwohl Winter waren die Wanderungen anstrengend. Nonstop Sonne, ohne Feuchtigkeit in der Luft. Neben den bis zu 150 Jahre werdenden Orgelpfeifen Kakteen sahen wir hauptsächlich andere Stachelgewächse. Auf heftigen Buckelpisten durch den Park hätten wir auch höhere Regionen mit spärlichem Baumbewuchs erreichen können, aber dann wäre der Tag im Fahrerhaus vergangen und nicht im Freien. An diesen Strecken hätten wir auch über Nacht stehen können, aber wie gesagt es war einfach schöner den Tag laufend zu verbringen und am Abend die 35 Kilometer zurück nach Why zu fahren. Manchmal zahlte es sich aus einen guten Platz im voraus zu wissen. Ohne langes Suchen bogen wir auf das BLM Land ein und am Morgen ging es dann weiter bis nach Yuma, in dem wir am frühen Nachmittag ankamen.








Yuma bestach durch Campgrounds, aber kaum welche die wir hätten nutzen können (nicht dass wir wollten). Alle waren so weit wir sahen voll; bis zum letzten Platz. Aber entscheidend, alle waren für Menschen ab dem 55 Lebensjahr. Nordamerikaner verbrachten dort, an einem der sonnenreichsten Orte der Welt (!!!), ihre Wintermonate. Die Campgrounds waren meist direkt an der Hauptstraße und viele Parzellen waren schön mit Kunstrasen, Plastikbäumchen oder Hundezwinger bestückt. Die Tische und Stühle standen regelrecht an der nächsten Außenwand des Nachbarn, oder noch besser man bildete eine große Fläche mit diesem. Keine Ahnung wir verstanden und verstehen noch heute nicht, was daran erstrebenswert ist. Bis zu 6 Monate, ungelogen, verbringen die Snowbirds (Schneevögel) im Süden in dieser Massenmenschhaltung. Snowbirds, da sie mit dem einziehenden Winter nach Süden fahren und im Frühling wieder in ihre Heimat nach Norden. Jahr für Jahr.
Naja uns egal, auch wenn wir immer wieder kräftig ablästerten.

Wir hatten unsere ganz spezielle Erfahrung mit Yuma. Aufpassen und lernen und bitte nicht unseren Fehler wiederholen.
Auf Anraten unseres Impfarztes in Deutschland suchten wir das Krankenhaus in Yuma auf. Wir bekamen in Deutschland je 3 Tollwut Impfungen und unser Arzt meinte eine weitere nach einem Jahr bringt, auch wenn nicht bestätigt, einen fast sicheren lebenslänglichen Impfschutz gegen Tollwut. Da Yuma die Grenzstadt zu Kalifornien bildet und in Kalifornien alles teurer, dachten wir auf ins Krankenhaus und fragen wo wir eine Impfung bekommen. An der Rezeption wusste keiner Bescheid und so wurden wir zur ER verwiesen. Es dauerte einige Sekunden bis uns dämmerte ER ist der Emergency Room, also die Notaufnahme. Der ER war faktisch im nächsten Korridor und dort an der Rezeption konnte uns nicht gesagt werden was es kostet, aber dass es sicherlich machbar wäre. Wir erklärten unseren Fall und wurden überrascht angeschaut, da wir keine Beschwerden, keinen Tierbiss hatten.
Gut weiter direkt zur Schwester. Sie war ebenso überrascht, dass uns nichts fehlte nahm Blut und unsere Temperatur und schickte uns zum warten. Über die Kosten konnte sie auch keine Auskunft geben, aber unseren Arzt sollten wir dann fragen. Und dann warteten wir. 2 Stunden zwischen Kranke, viele mit Mundschutz um ihre Erreger nicht zu verbreiten, zwischen weinenden Menschen und Leuten die zu schwach waren um selbständig zu gehen. Uns wurde ganz bange und wie in Filmen wurden die Liegen nur notdürftig mit einem Vorhang vor der Allgemeinheit abgetrennt. Unsere Wartezeit war um und eine wirklich nette Schwester kam uns holen. Seit nicht überrascht, dass sie a) nicht wusste was die Impfung kosten würde und b) sehr überrascht war, dass wir kerngesund waren. Der Impfstoff sei soeben eingetroffen und sie machte sich fertig uns die Spritzen zu setzen als endlich ein Arzt auftauchte. Im Grunde verlief unser Treffen 2 Sätze lang. Nach 20 Sekunden war er wieder verschwunden. „Hallo nah alles klar? Wir sehen uns in 2 Wochen zur nächsten Spritze wieder“. Das verneinten wir und er sagte nur er könne uns ja nicht zwingen wiederzukommen. Weg war er und wir bekamen sofort die Injektionen in die Arme. Fertig.
Ganz falsch, noch lange nicht fertig. Noch gar nicht richtig angefangen...
Wir hatten es fast bis zum Ausgang geschafft und wunderten uns schon wie das mit dem Bezahlen funktionieren solle, als wir von einer Dame abgefangen wurden. Noch einmal Personalien aufnehmen, Dokumente unterzeichnen (eines was besagte, dass wenn nicht alle Kosten beglichen werden dies einer Straftat gleichkommt; lasen wir aber erst im Nachhinein ausführlich) und dann machte sie unsere Rechnungen fertig. Ohne mit der Wimper zu zucken sagte sie dies wären dann 496,82 US-Dollar. WIE BITTE??? Ja sie überprüfte nochmals und meinte 496,82 $. Dann im Abklang: Pro Person... WIE BITTE??????
Wir beklagten uns aufs bitterste, fluchten auf deutsch und waren kurz davor auszuticken. Die haben doch eine an der Waffel, ticken nicht richtig und blockieren immer noch Gesetzesentwürfe damit jeder US Bürger eine Gesundheitsversorgung bekommt. Wäre zu teuer für den Staat.
Zurück zu uns, was sollten wir tun? Am Ende zückten wir unsere VISA und wollten zahlen. Deren Lesegerät mochte aber unsere Karten nicht und so einigten wir uns auf eine Barzahlung am kommenden Tag. Besorgten Kohle und parkten in der Stadt. Haben den ganzen Abend über diese Abzocke gemault. Keiner weiß was, aber am Ende 1.000 USD wollen. Aaaaahhhhhh kann mich immer noch aufregen.
Mit Wut im Bauch zurück in die Notaufnahme, zum Zahlschalter und dort wieder angefangen zu betteln und zu argumentieren. Die Dame dort hat uns dann 10% Rabatt eingeräumt, dies war alles was sie machen konnte und so zahlten wir pro Tollwut Impfung 403,38 Dollar oder ca. 365 Euro. Für alle Impfungen in Deutschland bezahlten wir mit einer ausführlichen Beratung den gleichen Betrag.

Wir dachten wir sind durch, als wir einige Wochen später aus der Heimat (Thorsten das nächste Mal kannst du unsere Rechnungen gleich selbst bezahlen ) die Info bekamen wir hätten von einer kalifornischen Abrechnungsstelle zwei Rechnungen erhalten. Leider war es kein Betrugsversuch. Der Arzt in der ER bekommt sein Gehalt separat. Die 403 USD pro Person waren für den Impfstoff, die Arbeit der Schwestern, das Hospital. Jetzt sollten wir jeder 290 Dollar für die 20 Sekunden Arztgewäsch zahlen. Das grenzt an Betrug, die spinnen total! Und jetzt das beste. Für die online Zahlung blieben uns noch 4 Tage Zeit, was sich eh als unmöglich für uns erwies, denn bei der Kartenzahlung ist ein Pflichtfeld der Bundesstaat in dem die Kreditkarte ausgestellt worden ist. Tja 50 Möglichkeiten von Alabama bis Wyoming, aber keine Möglichkeit als Ausländer ein „sonstiges“ oder „nicht wählbar“ anzuklicken. Ja die Welt besteht nur aus den USA. Gut alternativ hätten wir den mitgelieferten Umschlag mit Kohle, aber bitte in USD, vollstopfen und über den Atlantik zurück schicken können. Vielleicht am Taubenbein oder in der leeren Weinflasche, alles genauso sicher. Die USA ist im 19. Jahrhundert angekommen, Glückwunsch.
Okay kürzen wir dies ab. Nach einigen Mails wurde irgendwann geantwortet. Wir wurden angerufen und ich gab die Kartendaten am Telefon durch (auch total sicher). Eine Bestätigungsmail ging ein, dass 2 mal 290 $ (ca. 260 Euro) von unserem Konto abgebucht werden. Wir hoffen nie wieder was aus Yuma zu hören.
Wenn sich jemand fragt warum denn überhaupt zahlen, schließlich waren wir schon in Mexiko, steht im Kleingedruckten der unterzeichneten Dokumente, dass mit Behörden weltweit eng zusammengearbeitet wird und wir nicht wollten dass jemand im Elternhaus von Simone auftaucht. Eine weitere Möglichkeit bestünde, dass wir auf einer polizeilichen Liste auftauchen und im Falle einer erneuten Einreise ziemlich Ärger bekämen.

Mit einer Billigairline hätten wir für diese Summe nach Deutschland und wieder zurück fliegen können. Einige US Bürger fahren, wie wir jetzt wissen, extra über die Grenze nach Mexiko um solche harmlose Arztangelegenheiten zu klären. Wir sind vom Gesundheitssystem der Vereinten Staaten von Amerika restlos bedient und möchten jeden Reisenden dringendst raten nur im äußersten Notfall ein Krankenhaus bzw. einen Arzt aufzusuchen. Übrigens von George Clooney war im ER auch keine Spur...

Yuma selbst war eine langweilige Stadt und kein würdiger Abschluss eines wirklich schönen Arizonas. Der zweite Teil über diesen Bundesstaat ist auf unserer Homepage online.

Zurück nach Kalifornien,
die Geimpften