Dienstag, 24. April 2018

Dick und Doof (06.02.2018 - 12.02.2018; aktueller Standort: Hachtel, Baden-Württemberg)

@ Claudi & Thorsten: Hi ihr Zwei, wie schön dass ihr jetzt zu Dritt seit . Kleiner Felix willkommen in Hachtel und viel Spaß beim Erkunden der Welt. Bei Fragen komm zu uns!

Vom Grenzübergang waren es noch ca. 2.700 km bis nach Buenos Aires. Ein gewaltiges Stück wenn man bedenkt kaum eine Abwechslung zu Gras, Wind und Ebene zu bekommen. Da nahmen wir jede noch so kleine Abwechslung mit (Kartenlink).

Die erste lag noch innerhalb der Lavalandschaft, die wir erst kürzlichst in Chile verlassen hatten. Der Kratersee Laguna Azul befand sich nur 10 km hinter der Grenze und wie der Name schon vermuten lässt handelte es sich um einen blauen See in einem alten Vulkankrater. Später am Tag wäre dies ein perfekter Ort für die Nacht gewesen. Verlassen und wunderbar in der windigen Natur gelegen. Simone humpelte an den Kraterrand und wir blieben für eine halbe Stunde dort, brachen dann aber wieder auf denn wir hatten noch einen langen und sehr mühseligen Weg vor uns.
Die Straße Nummer 3 sollte kurz vorgestellt werden. Sie endete, bzw. fing in Ushuaia an und zog sich in der Nähe der Atlantikküste als durchgehendes Asphaltband für fast 3.100 km bis in die Hauptstadt Argentiniens. In Patagonien lagen in der Regel 200-300 km zwischen den einzelnen unattraktiven Ortschaften, dazwischen gab es manchmal eine Tankstelle oft nichts. Das längste, kerzengerade Stück welches wir bewusst wahrgenommen hatten betrug 48 km! Dann kam mit Warnhinweisen eine mickrige Linkskurve und dann ging es für weitere 20 km pfeilgerade weiter. Bei 70 Stundenkilometer war dies genau eine Stunde Fahrt für uns, mit ein paar Viechern und Lastwagen die traurigen Höhepunkte außerhalb der Fahrerkabine. Muss ich noch mehr Lobeshymnen für diese Route aufbringen? Wohl kaum...
Nach der Grenze war Río Gallegos der erste Ort, bzw. gleich eine große Stadt. Allerdings erreichten wir sie an diesem Tag noch nicht, denn wenige Kilometer davor meinten wir einen Abstecher an das Kap Virgenes, direkt an der Magellanstraße gelegen, unternehmen zu müssen. 130 km von etwas das in Argentinien Straße hieß kamen auf uns zu. Schotter wäre gut, aber dort mischte sich Dreck mit Steinen und vor allem Schlaglöcher. Keine wie sie in Deutschland existieren mögen. Die Piste war breit genug, dass vier Fahrzeuge nebeneinander fahren konnten, hatte Spuren genug (selbst neben der Straße) für noch mehr und Schlaglöcher wie eine Scheibe Emmentaler. Wenn der Weg nur von Bekloppten wie uns genutzt worden wäre, hätten wir gesagt OK warum soll das Land Geld für etwas Schotter ausgeben, aber am Ende der Strecke also am Kap lagen zwei Dinge. Für uns wichtig eine riesige Pinguinkolonie, neben dieser eine gigantische Ölraffinerie. Daher fuhren vielleicht 2 Autos pro Tag während der Brutsaison von September bis Anfang April mit Stoßgebeten dorthin, aber Tanklastwagen und Arbeiter in der Raffinerie fuhren dort permanent. Die Tanklastwagen, egal ob voll oder leer, krochen mit etwas mehr als Schrittgeschwindigkeit über die Staubstrecke im Versuch so wenige der Schlaglöcher mitzunehmen wie möglich. Es war wie Slalom und dabei können wir uns glücklich schätzen keinen Regentag erwischt zu haben. Die gibt es nicht oft, aber wenn ist dort eine Schlammschlacht durch die es kein Vorankommen gibt. Ich verlangte Pancho alles ab und hätte eventuell etwas langsamer machen können. Wir krachten durch die Löcher, dass es eigentlich ein Wunder war keinen ernsthaften Schaden eingesteckt zu haben. Nur ein Bolzen an einem Stoßdämpfer riss wieder.
Das Land und die Ölgesellschaft sind total irre nichts gegen diese Zustände zu unternehmen. Aber genau dies war Argentinien, oft total plemplem.
Gut, wir kamen gerädert am Kap an und liefen zwei Mal die kurze Runde durch die Brutkolonie der Magellan-Pinguine. Jährlich kommen aus Brasilien 130.000 Brutpaare, die im Normalfall 2 Jungtier großziehen. Unter jedem Busch lagen Pinguine, überall hörte man sie pfeifen oder ähnlich einem Esel wiehern. Sie marschierten durch die Landschaft und hatten wenig Spaß an der prallen Sonne. Am Steinstrand und im Meer waren dann abertausende. Wir liefen die Runde, ruhten etwas aus und drehten sie am späten Nachmittag zum zweiten Mal. Wir liefen praktisch inmitten der Vögel und wenn die Tiere auf uns zukamen stoppten sie und machten einen Bogen um uns. Andererseits konnten wir ihnen sehr nahe kommen, wir kamen problemlos auf Armeslänge an sie heran. Es war schon etwas Besonderes so viele Pinguine auf einem Fleck zu sehen, auch wenn die Raffinerie und die Lastwagen nicht in dieses Idyll passten.
Nur 2 km von den Tieren entfernt durften wir hinter ein paar Sandhügeln parken. Die Ranger gaben uns ihre Erlaubnis und da in der Nacht selbst die verrücktesten Trucker nicht fuhren, hörten wir nur die Brandung leise in der Ferne.










Den Rückweg gingen wir etwas langsamer an. Es blieb trotzdem noch eine Tortur.
In Río Gallegos fragten wir uns von Schraubenladen zu Schraubenladen und der vierte hatte dann den benötigten Bolzen in der richtigen Stärke und Länge. Dann fuhren wir noch an einen Supermarkt und warteten später vor der Tür eines Mechanikers, der noch in den Federn lag. Mittagspause in Argentinien... Als er mit zerzausten Haaren sein Rolltor öffnete bat ich ihn um zwei Schraubenschlüssel und befestigte den Bolzen schnell selbst. Kurz bedankt und dann fuhren wir an die lange Uferpromenade und vertraten uns in den Straßen die Füße. Am Abend gab es noch ein Bier, welches wir nach der Erfahrung ans Kap Virgenes wirklich nötig hatten.


Nichts Spannendes an diesem Tag, außer dass wir am tiefsten Punkt Amerikas vorbei fuhren. Leider lag die Laguna del Carbón mit 105 m unter dem Meeresspiegel auf Privatland und wir konnten von einem sogenannten Aussichtspunkt nur den Rand der Salzfläche sehen. Am Nachmittag parkten wir in Puerto San Julian am Meer, gönnten uns ein Eis und warteten auf den nächsten Morgen.


Wer Dick und Doof kennt, weiß genau was passiert wenn einer der beiden Herrn in einem Haus vor einer Tür steht, diese aufreißt und weiter läuft. Fast immer wechselt die Kameraperspektive und man sieht wie ein Bein ins Leere tritt und Dick oder Doof nach unten segelt, auf der Seite oder dem Hosenboden landet und etwas dümmlich aus der Wäsche schaut. Soviel zur Filmgeschichte.
Das Setting war wie folgt. Wir nächtigten am Meer, vor uns eine kleine Bucht mit viel Grünzeug und Scharen von Meeresvögeln. Da wir am Rand einer Kleinstadt schliefen, der Ort mit Scherben, Bierdosen, Kippen und ähnlichem versaut war (auch typisch Argentinien) verstauten wir unsere Leiter wie so oft, um niemanden Anreiz zu geben in der Nacht an unsere Tür zu kommen.
Auch wie fast immer wollte ich an diesem Morgen den Kaffeesatz aus dem Plastikfilter im Freien entsorgen und öffnete schwungvoll die Tür. So nun kamen Filmgeschichte und Setting zusammen und ich trat wie Doof aus unsere Kabine und ohne die geringste Gegenwehr knallte ich 1,50 Meter tiefer auf Steine und mit dem Kopf in einen Busch. Simone sahs und wollte es nicht glauben. Ich registrierte nur, dass ich den Kaffeefilter noch immer umklammert hielt und dass ich mehrere Schutzengel hatte. Ich verfehlte jeden größeren Steinbrocken, jede Scherbe und kein Ästchen stach mir ins Auge. Tatsache war ich hatte auf den ersten Blick gar keine Schramme, erst später fand ich eine Schürfwunde auf dem Schienbein und einen kleinen Bluterguss am Bein. Wie Dick und Doof berappelte ich mich schnell. Am Nachmittag und dann am kommenden Tag bemerkte ich, dass ich mir doch gehörig den linken Arm und das linke Knie angehauen hatte. Den Arm konnte ich nicht belasten und weder strecken noch anwinkeln, das Bein nicht anwinkeln. Heute, am 27. März ist mein Arm verheilt, aber das Knie merke ich beim Kuppeln immer noch. Es sticht dann etwas und ich hoffe ich habe kein bleibendes Andenken aus Puerto San Julian im Gepäck, wenn wir den Flieger in 3 Wochen besteigen.
In dem Nest stand eine getreue Replika der Nao Victoria, dem Schiff mit dem Magellan die Verbindung zwischen Pazifik und Atlantik fand und mit dem er am 30.03.1520 hier im Hafen anlegte. Wir wollten aufs Schiff, aber dies öffnete erst spät am Vormittag seine Pforten. Wir zwei Lädierten wollten aber nicht warten und fuhren lieber langsam einen 30 km langen Küstenabschnitt ab. Strände, Klippen und eine alte Fabrikruine lagen entlang des Weges. Die Landschaft bot eine tolle Abwechslung und wir vertrödelten den gesamten Vormittag dort. Am Nachmittag hieß es zuerst Kilometer schrubben, bevor wir wieder heftig ausgebremst wurden. Von der Ruta 3 im Landesinnere gelegen, befand sich der erste von zwei versteinerten Wäldern im südlichen Teil Patagoniens. Anstatt auf der 3 zu bleiben und den kürzesten Schotterweg zu nehmen, dachten wir wir könnten schon eher die Asphaltstraße verlassen und laut Karte nur einen kleinen Umweg in Kauf nehmen, um den gleichen Weg nicht doppelt zu fahren. Die Straßen hatten sogar Nummern und zu Beginn war die Strecke auch nicht schlecht, aber sie wurde es je weiter wir fuhren. Einspurig mit Sand und Steinen, eine Erdpiste an vielen Stellen. Dann setzte noch Schneeregen ein und wir bangten um nicht liegen zu bleiben. Mit genügend Wasser wären all diese Strecken nicht befahrbar, weil überall Dreck zu Matsch und Schlamm verwandelt werden würde. Für Stunden quälten wir Pancho durch diesen Abschnitt, der sicherlich schöner als die Hauptverbindung war, aber unterm Strich sich nicht lohnte. Wir sahen eine Familie auf halber Strecke wohnen, sonst keinen Menschen. Wenn man dort in einem Sandloch oder in aufgeweichter Erde stecken bleibt, sollte man genügend Trinkwasser bei sich haben!
Kurz vor Sonnenuntergang trennten uns noch 45 km vom versteinerten Wald und wir fanden ein kurzes Stück einer alten Straße, auf der wir endlich halten konnten. Selbst dort waren überall Weidezäune, auch wenn wir nicht wissen was sie umzäunten. Wir sahen weder Schaf noch Rind, konnten deshalb aber nirgendwo parken.









Nach kurzer Fahrt auf inzwischen besserem Schotter kamen wir am hinteren Eingang zum Nationalpark Bosques Petrificados de Jaramillo an. Bis dorthin gelangen wahrscheinlich nur wenige Reisende, denn die Attraktion liegt direkt am Haupteingang. Wir hingegen kamen in den Genuss einer äußerst ansprechenden Gegend. Die Erhebungen um uns herum bestanden aus mehrfarbigen Gesteinsschichten und wir hielten mehrfach um einen genauen Blick auf die Formationen werfen zu können. Im Rangerhaus am Parkeingang registrierten wir uns, der Eintritt war frei und durften dann in die 2 km kurze Runde durch die versteinerten Stämme.
Die Geschichte zu diesem Park liest sich wie folgt. Vor 150 Millionen Jahren war Patagonien und vielleicht ganz Südamerika bewaldet. Gebirge gab es noch nicht und so kam ausreichend Regen von den Ozeanen heran um die Wälder, in Patagonien vorzugsweise Araukarien und Alercen, gut gedeihen zu lassen. Ein Vulkanausbruch schmetterte die Bäume in dieser Region der Länge nach hin und bedeckte die gewaltigen Stämme mit Asche. Kurz danach legte sich noch Erde darüber und dann versank das ganze im Wasser. Die Bäume verrotteten nicht, sondern lagerten Mineralien wie Sulfate, Mangane oder Eisenverbindungen in ihren Strukturen ab und wurden so über Jahrtausende selbst zu Quarzen und Silikaten. Vor 80 Millionen Jahren wurden die Anden geboren. Der Regen vom Pazifik blieb aus und die Fallwinde von den bis zu über 6.000 Metern hohen Bergen fegten über die Ebene, trockneten sie nach und nach aus und hinterließen die heutige Steppe oder Pampa. Die Winde legten die versteinerten Bäume wieder frei und heute können diese im Nationalpark besichtigt werden. Unter der Oberfläche befindet sich ein noch älterer versteinerter Wald, der aber noch nicht natürlich freigelegt worden ist. Deshalb ist der spanische Name des Parks auch im Plural gehalten; versteinerte Wälder.
Die Stämme waren beeindruckend, massiv in ihrem Durchmesser und etliche Meter lang. Je nach Salzablagerung waren die Maserungen rot, violett, gelb oder weiß. In der Summe waren die Stämme sehr rot und dunkel. Dafür hatte sich der Umweg gelohnt! Der Weg zurück an die 3 war mit nur 50 km ein Kinderspiel. Dabei sahen wir unsere einzigen Großen Pampahasen und wussten nicht genau was wir da vor uns hatten. Die beiden Maras hatten Hasenohren, bewegten sich aber auf 4 dürren Beinen sehr ungewöhnlich. Sie setzten beide Vorderläufe gleichzeitig nach vorne und hüpften dann langsam mit den beiden hinteren nach, blieben im Rücken dabei aber total waagrecht. Es sah irgendwie falsch aus...
Danach fuhren wir weiter nach Norden und vor der nächsten Stadt ging es schon wieder über Erde. 600 Meter abseits der Straße hielten wir auf einer Klippe, den Strand Supe unter uns. Am Vortag fuhren wir lange, an diesem Tag war bereits vor 16 Uhr Schluss .













Wie immer mit einer Brandung schliefen wir wie Babys. Nach wenigen Minuten waren wir in Caleta Olivia und froh als die Stadt hinter uns lag. Auf den nächsten 40 km folgte die Straße direkt dem Küstenstreifen. Strand an Strand und Klippen unterbrachen sie. Dieser Abschnitt war wirklich schön und garniert wurde dies, wir hatten an diesem Tag Glück, mit vielen Glattwalen die vor der Küste vorbeizogen. Auf der ganzen Strecke sahen wir immer wieder die Wasserfontänen nach dem Auftauchen in die Höhe spritzen. In der noch größeren, aber genauso vermüllten, Stadt Comodoro Rivadavia endete die schöne Fahrt. Wir bogen ins Landesinnere in Richtung Sarmiento, passierten unzählige Ölbohrtürme und besichtigten einen weiteren versteinerten Wald. Dieser war gänzlich anders. Die Stämme waren kleiner, alle sehr hell und lagen kreuz und quer in der Landschaft verteilt. Dort brachte eine Schlammlawine die Stämme an ihren heutigen Positionen. Auch dieser Park war interessant, aber nicht ganz so beeindruckend wie der Nationalpark etwas weiter südlich. 10 km später stellten wir Pancho in eine Kiesgrube. Aus dem Wind und mit Blick in ein Tal.










Und wieder zurück nach Comodoro Rivadavia. Wir kauften in einem großen Supermarkt ein, tankten und wollten dann kurz durch die Stadt laufen. Taten wir auch, sahen eine grottenhässliche Kirche (wer so etwas entwirft und wer so etwas abzeichnet es in seiner Stadt erbauen zu lassen ist uns ein Rätsel!) und sonst nur verschlossene Läden. Es war Fasching und die Stadt bereitete sich auf einen Umzug am Abend vor. Dies war unser Stichwort und wir flüchteten aus der Großstadt. Am Tag zuvor hatten wir uns schon einen herrlichen Strand etwas südlicher gelegen ausgesucht und dorthin verschlug es uns. Um 15 Uhr standen wir auf dem Sand, wechselten in kurze Hosen und waren happy wieder warme aber trockene Temperaturen zu haben. 2 Tage zuvor noch 7 Grad in der Nacht und in dieser blieb das Thermometer bei 18 stehen. Cool!


In die Hitze,
die Aufgetauten

Mittwoch, 18. April 2018

Ein Schlusswort auf Chile (aktueller Standort: Hachtel, Baden-Württemberg)

In 93 Tagen fuhren wir zielstrebig von Norden nach Süden, aber nicht kontinuierlich in Chile. 5 Mal querten wir die Grenze zu Argentinien, zum einen um im Nachbarland ausgewählte Landschaften zu erkunden, zum anderen weil Chile keine durchgängige Straße zwischen seinem nördlichsten und südlichsten Punkt besitzt. Die Atacamawüste im Norden, die Wälder und Seen in der Mitte und die patagonische Steppe im Süden waren vereinfacht unsere Etappen.

Aber im Detail war Chile viel mehr. Egal von welcher Himmelsrichtung man startet, Extreme finden sich überall. Von einem der herzlichsten Empfänge an einem Grenzposten in der Atacamawüste bis zum letzten Tag im Pali Aike Nationalpark unweit von Feuerland wurden wir täglich begeistert. Chile war sauber und weltoffen, die Chilenen so tiefenentspannt wie kein anderes Volk vorher. Selbstredend hatten wir nie Sicherheitsbedenken, egal in welcher Stadt und egal an welchem abgelegenen Ort.

In 93 Tagen hatten wir so viel Abwechslung wie selten zuvor. Daher tun wir dem Land auch Unrecht, indem wir einige Sehenswürdigkeiten über andere erheben. Problemlos könnten wir für jede Region eine Liste mit unseren Highlights erstellen, national gestaltet sich dies viel schwieriger. Gerecht wäre es wenn an erster Stelle „Chile“ stünde, an zweiter „Chile“ und an den folgenden ebenso.
San Pedro de Atacama mag touristisch sein, aber inmitten der trockenen Atacamawüste gelegen, mit Blick auf Andenvulkanen, Salzseen und Geysire vor der Haustür war dies auch für uns ein Paukenschlag. Diese Wüste war faszinierend und beängstigend, weit und so trocken. Sie war bunt und salzig und Geisterstädte untermauerten die lebensfeindliche Umgebung in der sie einst gegründet wurden. Die Atacama erblühte für uns, zum einen real nach ein paar Tropfen Regen, zum anderen imaginär als jede Nacht Trillionen Sterne am klaren Firmament die Milchstraße zum Greifen nahe brachte. Sie war unser Start in Chile, einer unserer lang ersehnten Reiseträume und lebt nun täglich in einer absurd reellen Vorstellung in unserem Geiste weiter.
Was wir in der Wüste jeden Tag hatten, gab es über 2.000 km weiter im Süden gar nicht; einen wolkenfreien Himmel. Trotzdem hielt die Fahrt auf der Carretera Austral alles was sie versprach. Einsame Wildnis mit nur gelegentlichen Weilern und einer Stadt. Wem der Sinn nach verschneiten Andengipfeln ist, Gletscher zum „fast“ anfassen, Urwälder und Fährverbindungen durch Fjorde, wird auf der Austral reich beschenkt. Ohne Muse lohnt sich diese wunderschöne Strecke aber kaum, denn die Austral geizt zwar nicht, wirft einem ihre Schönheit aber auch nicht hinterher. Jeden Tag ein Stückchen weiter, die Ruhe verinnerlichen und die eigene Winzigkeit erkennen. Die Carretera Austral gehört vermutlich zu einer der erfahrungsreichsten Straßen auf unserem Planeten.
Dies sollen nur zwei Anregungen sein, Erwähnung fanden weder die wunderschönen symmetrischen Vulkane, die gewaltigen klaren Seen, die vielen Nationalparks oder farbenfrohen Städten. Chile ist eben das Highlight ganz oben.

In 93 Tagen legten wir 10.171 Kilometer zurück. Maut zahlten wir selten, dann aber viel und hätten wir nicht versucht die Mautstellen zu umgehen, wäre der Betrag ein Vielfaches geworden. Zu Fuß wanderten wir 483 km durch wunderschöne Nationalparks und vielerorts unberührter Natur.
Im Schnitt fuhren wir also 109,4 Kilometer am Tag und liefen 5,2 Kilometer.
Pancho wollte als Gegenleistung Diesel im Wert von 1.911 Euro was 20,5 Euro am Tag oder 18,8 Cent pro gefahrenen km entspricht. 323,5 € investierten wir in sein Wohlbefinden. Ein Ölwechsel, ein defektes Blinksystem und eine gebrochene Kupplungsstange waren die Kostenschwerpunkte und konsumierten 3,5 Euro am Tag. Pro gefahrenen km sind das in etwa 3,2 Cent. Alles in allem also ca. 24 Euro am Tag für unseren Reisegefährten.
In 93 Tagen zahlten wir 13,5 Euro für Übernachtungen, oder 14,5 Cent pro Tag.
Mautgebühren betrugen 74,8 Euro und die Nutzung öffentlicher Transportmittel 199 Euro. Bus und Metro in Santiago sind dabei vernachlässigbar, die Fähren auf die Inseln Chiloé und Feuerland, sowie auf der Carretera Austral machten den Löwenanteil aus. In der Summe zahlten wir 273,8 Euro oder umgerechnet 2,9 € pro Tag.

In 93 Tagen hatten wir restliche Ausgaben von 2.372 Euro. Egal ob Lebensmittel, Eintrittsgelder, Restaurantbesuche und Kneipenaufenthalte. Zu Zweit benötigten wir 25 Euro und 50 Cent am Tag. Eine Empanada am Tag ging immer und um ein leckeres Stück Kuchen machten wir keinen Bogen. Gepaart mit vielen Parkeintrittsgeldern sind wir verblüfft wie sparsam wir waren. Für ein Land wie Chile ein bemerkenswerter Schnitt.

In 93 Tagen belief sich das Grand total auf 4.894 €, oder 53 Euro am Tag. Auch in Chile gilt, es war jeden Cent wert! Tatsächlich wäre der Tagesverbrauch sogar geringer, wenn wir nicht vor jedem Grenzübergang Tank und Kühlschrank randvoll gefüllt und auf dem Rückweg beides fast leer gehabt hätten.

Lieber Leser was verbindest du mit dem Land Chile? Vielleicht die Atacamawüste, Santiago de Chile, oder den Apfel und Wein im Supermarkt? Alles richtig und doch wird man nach einem Urlaub andere Bezugspunkt nennen, oder keinen da man sprachlos ist was man in diesem Land erlebt hat. Chile ist eine Achterbahnfahrt durch Landschaftsformen, die gefühlt versuchen sich gegenseitig zu übertrumpfen. Raue wilde Schönheit im Süden, heiße erbarmungslose Hitze im Norden, dazwischen üppige Wälder, eisbedeckte Vulkane und einen See nach dem anderen. Egal wo man Chile zum ersten Mal betritt, man wird nicht enttäuscht werden.
Naturliebhaber treffen auf europäischen Standard, der noch bezahlbar ist. Unbezahlbar bleiben die Eindrücke, einem wird schwindeln beim Versuch das Gesehene in einen bekannten Rahmen stecken zu wollen. Dieser würde überquellen mit einem Araukarienast hier, einer Salpetermine dort oder einer Pinguinkolonie an anderer Stelle. Wenn Chile nun noch ein paar koloniale Bauwerke mehr hätte, archäologische Stätten wie derer der Maya oder Inka besäße, oder ein Tukan durch die Wälder fliegen würde bräuchte man fast kein anderes Land in Amerika besuchen. Fast, denn Chile kann dann doch nicht alles haben; aber eben nur fast nicht. 93 Tage waren für uns zu kurz, es schreit nach mehr.

Auf unserer Homepage findet sich alles weitere über Chile.

Ende

Montag, 16. April 2018

Doppelter Abschied (02.02.2018 - 06.02.2018; aktueller Standort: Hachtel, Baden-Württemberg)

Aktuelle Info: Seit 3 Tagen leben wir unseren Traum im Kopf weiter, denn wir sind wieder in Deutschland.

@ Ita, Melanie und Dieter: Alles Liebe nachträglich zu euren Geburtstagen!
@ Arnd: Dir können wir auf den Tag genau gratulieren. Alles alles Gute, wir rufen dich gleich an !

„J“ steht für eine Straße in Feuerland. Wir folgten ihr wieder zurück in die Zivilisation und hielten kurz in einem Dorf um Fisch zu kaufen. Am Beagle-Kanal gelegen gingen wir davon aus, dass Fischen zum Alltagsgeschäft der Menschen gehörte. Weit gefehlt. Wir fragten in einem kleinen Laden und die Dame konnte uns nur eingefrorene Ware anbieten. Wir dankten und fragten ein paar Meter weiter einen Herrn, der Hummerreusen auf seinem Grundstück stapelte. Es sei nicht die Saison zum Fischen kam die Antwort. Etwas sprachlos standen wir da. Der Herr strahlte uns aber an und sagte er züchtet Forellen und wenn wir wollen können wir ein paar eingefrorene haben. Gut gab es halt Forellen und der Herr schenkte uns ein eingeschweißtes Paket mit vier Fischen. Nach 60 Minuten waren wir wieder zurück auf der Hauptstraße und es ging nach Norden (Kartenlink).

Über den Pass beim Lago Escondido und als wir die Höhenmeter wieder abgebaut hatten kam doch tatsächlich aus einem erdigen Seitenweg das Schweizer Duo. Wir bremsten und laberten, während ein Lastwagen nach dem anderen an uns vorbeibretterte. Wir erzählten wo wir nächtigen wollten, was ihnen aber zu weit erschien. Dann ließen wir ihnen den Vortritt und kaum schneller als wir gewannen sie langsam ein paar Meter Vorsprung. Wir überholten sie wieder, als sie abermals aus einem Schotterweg kamen und fuhren mit ihnen im Schlepptau bis an den See Yehuin, wo wir auf dem Gelände eines abgefackelten Hotels im Grünen unser Nachtlager aufschlugen. Die Fahrt dorthin war wieder gespickt mit Schlaglöchern und als wir im Freien standen bemerkten wir, dass einer unserer Seitenschutze lose war. In Peru verloren wir fast den einen und nun war die andere Seite dran. Wir befestigten ihn mit Kabelbinder und vertrösteten die Reparatur auf den nächsten Tag, da uns eine passende Schraube fehlte. Die Forellen waren ausgezeichnet und wir standen im Freien bis das letzte Licht verschwunden war. Es war 23.20 Uhr.





 


Am Morgen verabschiedeten wir uns von Veronica und Martin zum letzten Mal. Nun war es ganz sicher, dass wir uns nicht mehr über den Weg laufen werden. Die Schotterpiste wurde etwas besser und nach 60 km langweiliger werdende patagonische Steppe erreichten wir Asphalt und bald darauf die Stadt Río Grande.
Wir suchten sofort ein großes Bauhaus auf und fragten nach 2 Schrauben mit Muttern. Die Größe die wir benötigten hatten sie natürlich nicht. Wie immer...
Ein Angestellter wurde beauftragt nach den Schrauben in ihrem eigenen, riesigen Sortiment zu suchen. An drei Plätzen hatte der Baumarkt Plastikflaschen und Blechdosen voll mit Nägeln, Schrauben, Muttern, Dübel und Unterlegscheiben. Wir fragten wo die herkamen und es waren die Überbleibsel der Möbel, die als Ausstellungsstücke in ihrem Laden zu sehen waren. Ähnlich IKEA wenn ihr wisst was ich meine . Es dauerte ein paar Minuten, aber wir bekamen unser Set Schrauben und da die nirgends verzeichnet waren durften wir mit ihnen frei aus dem Markt schlendern. Großartig! Die Kabelbinder hielten noch und deshalb sahen wir keinen Grund sofort zur Tat zu schreiten. Wir gingen lieber wieder duschen und tankten 40 Liter. Am Nachmittag brachen wir auf und steuerten den Grenzübergang bei San Sebastián an. Wir querten die Grenze noch nicht und parkten unweit vom Atlantik und verkochten unsere Reste. Am späten Abend fiel uns auf, wie warm es auf einmal war. Die Anden lagen hinter uns, wir sahen sie nicht mal mehr.



Wir tranken unseren Kaffee im Freien und bohrten ein Loch in den Seitenschutz und schraubten ihn fest, felsenfest. Während wir Öl nachfüllten rannte ein Fuchs vorbei und dann waren wir auf dem Weg zum Grenzposten. Es änderte sich nichts. 4 Minuten und wir waren aus Argentinien draußen, dann ging es für 8 km durch eine Kuhweide (wem die wohl gehörte?) und am Ende waren es wie immer 25 Minuten bis Chile die Schranke für uns öffnete. Die Zöllnerin hatte nichts zu beanstanden. Wie so oft war die Straße auf chilenischer Seite sofort viel besser als auf Seiten Argentiniens.
In einem Rutsch durchquerten wir Feuerland an diesem Tag. Wir mussten durch den Geisterstadt ähnlichen Ort Cerro Sombrero und waren dann auch schon bald an der Fähre zurück aufs Festland. Ohne Wartezeit fuhren wir auf den Seelenverkäufer und nach 20 Minuten ging es für uns weiter durch die endlose Pampa. Der letzte Abstecher in Chile lag vor uns. Ca. 50 km, davon 30 auf Schotter, und wir hatten einen winzigen aber tollen Nationalpark erreicht. Es war schon spät am Nachmittag und wir stellten uns, dort gab es zur Abwechslung mal keine Weidezäune, an einem Seitenweg ins Grasland. Wir glauben der Weg führte zu einer Ölpumpe, denn drei sahen wir am nächsten Tag und an den folgenden waren es Hunderte.
Nandus und Guanakos beäugten uns skeptisch, aber nach einer halben Stunde hatten sie das Interesse an uns verloren.


Wie ich glaube ist der Nationalpark Pali Aike der kleinste Nationalpark Chiles. Der nur wenige Hektar umfassende Park lag direkt an der Grenze zu Argentinien und die Laguna Ana wurde von der gedachten Grenzlinie geteilt. Der Nationalpark umfasste ein Lavafeld und mehrere Krater. Keine Erhebung war höher als 250 Höhenmeter. Drei Eruptionen wurden dort verzeichnet, die älteste vor 3 bis 1 Millionen Jahre, die zweite vor 170.000 Jahren und die jüngste vor 16.000 bis 10.000 Jahren. Von den beiden letzteren stammten die verschiedenen Krater.
Neben einer faszinierenden Landschaft gab es dort auch haufenweise Tiere, welches man kaum glauben mag.
Der Ranger empfing uns mit den Worten: Ihr seit aber früh. Recht hatte er, es war kurz nach 8 Uhr. Er vermutete, dass wir eine Toilette an Bord hätten und nachdem wir dies bestätigten durften wir im Park nächtigen. Sonst muss man bei ihm am Häuschen parken. Wir fuhren zu dem Platz den er uns zugewiesen hatte und fanden eine ca. 5 m hohe Lavawand in Hufeisenform vor. Darin durften wir uns ausbreiten wo wir wollten und dank dem Gestein waren wir komplett aus dem Wind. Wir wanderten gleich los und sahen Nandus und Guanakos in Scharen. Wir besuchten 3 verschiedene Vulkankrater und marschierten dabei ständig über schwarzes Basaltgestein. Die Landschaft war famos. Gelbe Gräser auf schwarzem Hintergrund und dazwischen reife Calafate Beeren. Sie waren schwarz wie die Lava und zuckersüß . Dazu sahen wir am Vormittag niemanden und am Nachmittag 4 weitere Paare. Praktisch war der Nationalpark menschenleer und er gefiel uns außerordentlich gut. Schon am Morgen machten wir 12 km. Nach dem Mittagessen gingen wir zu einer Höhle, die in einer ca. 10 m hohen Lavawand lag. Es war wie ein kleiner Berg, der im Inneren sein Gestein verloren hatte. So konnte man die Wand umrunden und auf der anderen Seite weit über die Lavalandschaft und Pampa blicken. Beim kurzen Weg die paar Meter hinab verdrehte sich Simone schon wieder das Bein, dieses Mal links, stürzte und merkte 4 Wochen später immer noch die Auswirkungen. Die Arme kann nie den Blick vom Weg nehmen, denn sonst passiert genau dies.
Eine weitere lange Wanderung hinüber zur Laguna Ana konnten wir vergessen und so stiegen wir in Pancho und ließen uns transportieren. Simone humpelte bis zu einem Aussichtspunkt auf die Lagune, ich lief ein paar Meter weiter. Vereinzelt standen ein paar Flamingos im Wasser (ich denke sie waren noch chilenisch...) und ein Stinktier lief mir auch noch über den Weg.
Als wir wieder im Hufeisen standen wollten wir mit unserem Spannungswandler unsere internen Batterien laden, aber dies funktionierte nicht. Die Kontakte am Sicherungsschalter waren verrostet und verdreckt und die Kontakte zum Abgreifen der Spannung am Wandler waren brüchig und lose. Rumpelpisten, Schlaglöcher und Bodenwellen forderten ein weiteres Opfer. Eine Stunde säuberte ich Kontakte und versuchte sie wieder fest zu bekommen, aber es sollte nicht sein. Ein neues Set Schrauben und Muttern bzw. Klemmen und Draht wären hilfreich gewesen. Ich überbrückte das ganze und zapfte die Batterien direkt an. Krokodilklemmen an die Pole und die Kabel an den Wandler geklemmt. Schon schnurrte das Gerät und so müssen wir, wenn es mehrere Tage zu heiß war und der Kühlschrank uns die Batterien langsam leer saugt auf diese, etwas umständliche Methode zurückgreifen.
Die Nacht war sternenklar und unfassbar still. Traumhaft!





















Wir sahen am Morgen mehrere Füchse und ein weiteres Stinktier, die flugunfähigen Nandus und die in kleinen Herden umherziehenden Guanakos sowieso. Da Simone nicht laufen konnte, machte es auch keinen Sinn einen weiteren Tag an Ort und Stelle zu stehen. Es ging zurück auf die Schotterpiste, prinzipiell umfuhren wir den Nationalpark und gleich darauf standen wir wieder an der Grenze zu Argentinien. Nach 5 Einreisen war dies die letzte Ausreise aus diesem grandiosen Land. 2 Tage zuvor verabschiedeten wir uns von Feuerland, etwas was uns sehr einfach viel, nun nach 93 Tage in Chile viel es uns sehr schwer den Gang in die gemeinsam genutzte Grenzstation in Monte Aymond anzutreten. Chile war fast überall toll und die nächsten Tage entlang der unendlichen Atlantikküste war etwas was uns überhaupt nicht ansprach. Nach 30 Minuten konnten wir Chile hinterher trauern.
Es ging weiter nach Norden, es ging endlos durch Pampa.


Auf zu Pinguinen,
die Inselrückkehrer