Samstag, 16. April 2016

Grauwale (22.02.2016 - 25.02.2016; aktueller Standort: Guadalajara, Jalisco)


@ Arnd: Dieses Jahr erreichen dich unsere Geburtstagsgrüße aus dem zentralen Hochland Mexikos. Alles Liebe, eine schöne Feier & Grüße an die Meute.

Schweren Herzens kehrten wir Bahía de Los Angeles den Rücken und anstatt die gleiche Route zurück zu nehmen, versuchten wir uns an die erste „richtige“ Dirt Road. 62 km durch flirrend heiße Steinwüste, vorbei an einer alten Mission, um dann wieder auf die Hauptstraße #1 zu stoßen. Laut Karte sparten wir auch ca. 50 Kilometer, aber... (Kartenlink)

brauchten dafür 6 Stunden. Die ersten Minuten waren noch halbwegs gut, aber die Piste wurde rauer und schlechter mit jedem weiteren Meter. Bodenwellen mischten sich mit feinem Sand, aber am schlimmsten waren die steinigen Passagen. Es ging durchwegs auf und ab und wenn Steine so groß wie Mülleimer in der ausgewaschenen Straße liegen, als hätte man sie von einem Lastwagen gekippt fällt die Geschwindigkeit weiter unter Schritttempo.
Ein paar Dutzend Meter im 2. Gang den Berg hoch, jeden Steinhaufen einzeln ausschauend und dann für 100 Meter bergab über Geröll mit Sträucher so nah, dass unsere Seiten ordentlich gebürstet wurden. 300 Meter gerade aus auf Schotter oder Sand und wieder 500 Meter hoch über Steinlawinen, bei 29°C im Schatten. Den gab es aber natürlich nicht und so hatten wir 41°C im Fahrerhaus. Dann wieder runter und diesmal stand ein Baum, nicht dass es viele gab, so tief, dass unsere ersten Bleche vom Dach (die, die wir auf die Kabinenecken geklebt haben) gekratzt wurden. Ungefähr so verliefen die ersten 32 Kilometer. Dann erreichten wir die alte Mission San Borja aus Mitte des 18. Jahrhunderts. Allein dieser Kilometer von der Horrorstraße rein zur Mission ging nur über Felsen.
Die Kirche lag idyllisch in der Landschaft. Keinerlei Verzierungen und sie wird heute nur noch einmal im Jahr genutzt. Sonst dient sie als Unterschlupf für Spinnen und Fledermäuse.
Die nächsten 30 Kilometer waren genauso anstrengend wie die ersten, zum Ende hin wurden die Sandabschnitte häufiger und dadurch die Gefahr des Steckenbleibens größer. Einmal hätte es uns fast erwischt, aber wir sind eben noch so bis ans steinige Gegenüber gekommen. 5 Kilometer vor Erreichen der Mex 1 mussten wir für die Nacht halten. Arme und Beine zitterten und wir mussten zuerst das Durcheinander in der Kabine sortieren; 2 aufgesprungene Oberschränke, 1 Schublade usw. Wir parkten zwischen Kakteen und vor allem umgaben uns viele der witzigen Boojum Trees. In dieser Nacht schliefen wir wie Tote.








Zu Mittag erreichten wir die Provinzgrenze zu Baja California Sud. Dort stellten wir unsere Uhren eine Stunde vor und Pancho wurde einer Pestkontrolle unterzogen. Nachdem der Unterboden mit Chemie behandelt worden war, durften wir weiter in die angrenzende Stadt Guerrero Negro. Dies ist im Frühjahr einer von mehreren Anlaufpunkten fürs Whalewatching auf der Baja.
Grauwalweibchen ziehen aus der kalten Beringsee bei Alaska zum kalben in die Buchten der Baja California. Im Schlepptau die Bullen. Wir sprechen nicht von 20 oder 150 Tieren. Wir sprechen von Tausenden!!! Keine Übertreibung, kein Schwindel. In der Bucht, die zum Biosphärenreservat El Vizcaíno erklärt wurde, wurden 2016 über 2.000 Grauwale gezählt, darunter 800 Kälber (Rekord) und dies nur in diesem Reservat.
Wir hörten im Vorfeld Unglaubliches und machten uns gleich auf die Socken einen Anbieter zu finden. Die ersten beiden Angebote lagen bei ca. 50 US Dollar. Wir überlegten und wuschen Wäsche und trafen dort einen Arbeiter, der als Guide für eine Whalewatching Gesellschaft tätig war. Er erklärte uns den Weg zu einem Restaurant etwas außerhalb, wo wir für 30 US (26 Euro) die Tour buchen könnten. Wir versuchten unser Glück und trafen auf einen sehr netten Besitzer, der uns tatsächlich für den kommenden Tag die Tour für 26 Euro pro Kopf verkaufte. Die Internetverbindung war ok und der Kaffee super und so blieben wir den Nachmittag bei ihm. Sonst ist Guerrero Negro auch nicht weiter erwähnenswert. Bevor wir gingen fragten wir noch, ob er einen Platz wüsste, wo wir über Nacht stehen könnten. Er verwies uns an einen alten aufgegebenen Leuchtturm ca. 15 Minuten entfernt. Klar nächtigten wir dort. War nicht der schönste Platz, aber nachdem die Fischer gingen hatten wir das Plätzchen für uns alleine.


Mit dem Minibus und kleiner Mannschaft ging es in 40 Minuten quer durch eine Meersalzgewinnungsanlage zur Lagune. Eine Dame an Bord unternahm den Ausflug 2-4 mal die Woche und dies jedes Jahr 3-8 Wochen lang. Sie erzählte viel von der Umgebung und den Walen und übernahm so die Rolle als Tourführerin. Wir gingen mit der Amerikanerin später noch Mittagessen und sie zeigte uns 3 kleine, super billige Lebensmittelläden.
Bevor wir aber marinierten rohen Fisch auf Maisfladen hatten, zu einem für uns unvergesslichen Erlebnis. Vom Minibus konnten wir bereits die Gischtfontänen der Wale sehen, die sie beim Ausatmen erzeugten. Es war aber nicht nur ein Blas, sondern gleich mehrere und dies permanent. Simone und ich waren jetzt schon sprachlos und dies war noch gar nichts...
An der Lagune angekommen, sahen wir überall Grauwale und wir benötigten 4 Minuten auf dem Fischerboot und waren mitten unter ihnen. Grauwale werden bis zu 15 Meter lang, 34 Tonnen schwer und können bis zu 60 Jahre alt werden. Und zwischen diesen Riesen bewegten wir uns.
Wir sahen die Wale springen, oder ihren Kopf senkrecht in die Luft strecken. Sie kamen an unser Boot und schwammen wieder weg. Ich glaube Grauwale sind neugierig und sehr sensibel und suchen von sich aus den Kontakt mit uns Menschen wenn sie dies wollen. Eine Mutter kam an unser Boot, ihr Kalb etwas abseits und bewegte sich neben und unter unser Boot, aber gerade außerhalb unserer Reichweite. Später kam wieder Mutter mit Kind und dieses Gespann war super zutraulich. Das Boot trieb auf dem Wasser und der Kapitän klopfte etwas auf dem Bootsrand um Geräusche im Wasser zu erzeugen. Die Mutter kam, schwamm ein paar Mal um das Boot und ließ sich dann gegen die Bootswand treiben. Jeder wollte das Tier berühren und streicheln. Die Haut der Tiere ist voll mit Muscheln, was jedes Individuum eine einmalige Zeichnung gibt. Nach ein paar Minuten des Liebkosens machte sie dann auch Platz für ihr Junges, wohl bedacht immer schnell zwischen es und dem Boot zu gelangen. Die Erfahrung war fantastisch ! Die Mutter legte sich auf die Seite mit ihrem einen Auge direkt unter der Wasseroberfläche und uns anschauend, wenige Zentimeter von unseren Händen entfernt. Den Kopf um das Maul, der Blasöffnung und der Schnauze streckte sie uns von allen Seiten des Bootes für 15 Minuten hin. Einer aus der Tour meinte er sei super schlau und ließ sich über den Rand des Bootes ins Wasser gleiten. Mutter und Kalb fanden dies weniger lustig und tauchten sofort unter, das Boot schaukelnd alleine zurück lassend. Wenn der Knabe zwischen Tier und Boot gedrückt worden wäre, hätte er so eine Dummheit vielleicht nie wieder begangen. Umso erstaunlicher, dass das gleiche Tier nach 2 Minuten wieder zurück kam. Es hatte eine charakteristische Narbe an der Rückenflosse und war so leicht wiederzuerkennen. Die Mutter legte sich sofort unter das Boot. Im klaren Wasser konnte man sie sehr gut sehen und sie drückte das Boot für eine Minute in die Höhe. Das Boot kippte leicht zur Seite und es war eine klare Botschaft. Ich bin Herr im Haus und wenn ich möchte schwimmt ihr alle zurück ans Ufer. Danach war alles vergessen und beide kamen wieder direkt an die Wasseroberfläche und das Tatschen ging weiter. Nach weiteren 15 Minuten fuhren wir langsam wieder weiter, immer von vielen vielen Grauwalen umgeben. Wir waren 3 Stunden auf dem Wasser und werden auch dieses Erlebnis wohl nie vergessen.








Am Nachmittag saßen wir wieder im Restaurant, nutzten deren Internet und fuhren am Abend für eine 2te Nacht zum Leuchtturm. Am nächsten Morgen verbrachten wir noch ca. 2 Stunden online und besuchten dann auf eigene Faust die Lagune, aber an anderer Stelle. Wir brauchten etwa eine Stunde und sahen schon von Weitem, dass am Ende der Lagune sich kaum Grauwale aufhielten. Wir drehten um und fuhren einem Ziel entgegen, welches wir von Stu in Bahía de Los Angeles empfohlen bekommen hatten. Die Bahía Tortugas wollten wir erreichen, mussten aber der Entfernung Tribut zollen. Entweder hätten wir irgendwo am Straßenrand genächtigt, oder wären zur Bahía Asunción abgebogen. Auch dieses Fischerdorf wurde uns empfohlen und so endeten wir dort.







Grüße von den Meeressäugern!