Mittwoch, 13. September 2017

Die Cordillera Blanca 2 (02.07.2017 - 07.07.2017; aktueller Standort: Sucre, Chuquisaca)

Am Morgen trennten sich die Wege von zwei deutschen Reisepärchen. Sandra/Timo warfen ihren VW-Bus an und wir schmunzelten darüber, wie lange der Motor orgelte bis er endlich ansprang. Das konnte Pancho viel besser. Wir zündeten den 6-Zylinder und er machte puff puff, danach nur noch klack, klack, klack...
Passend zu der kalten Temperatur fror unser Schmunzeln auf den Lippen fest. Pancho wollte nicht und während der VW warm lief machte ich mich auf den Weg zu zwei parkenden Pick ups. Der eine war leer, im anderen schlief ein Herr. Dumm für ihn, denn ich klopfte ihn aus seinen Träumen. Er war aber sofort hilfsbereit und als er sein Auto für eine Starthilfe vorbereitete, überprüfte ich zwischenzeitlich Panchos Batterien. Die eine lieferte die gewünschte Volt, die andere zeigte nur noch 10,3 Volt an. Etwas wenig. Kaum war die Autobatterie an unseren beiden angeschlossen, röhrte Pancho wieder auf. Alles wieder im Lot, oder (Kartenlink)?

Zuerst bedanken und dann verabschieden und es konnte weiter gehen. Die Regenwolken hatten sich noch nicht verzogen und als wir uns auf der schlechten Schotterstraße unserem ersten Pass in der Cordillera Blanca näherten, tauchten wir ins Grau ein. Höher und höher und dann lag doch tatsächlich Schneematsch auf der Straße. Größere Felsbrocken, die wir zu zweit zur Seite räumten, und eine schmale Straße erhöhten den Fahrspaß. Im Freien war es fies nasskalt und die Sicht war auch auf 4.767 Höhenmeter gleich null. Die erste Passstraße war nicht sonderlich umwerfend. Auch auf der anderen Seite der Andenkette änderte sich das Bild nicht. Nur langsam ließen wir die Wolken hinter uns und warfen unseren ersten Halt zur Mittagszeit in Yanama ein. Über den Hauptplatz konnten wir nicht fahren, da eine Feier mit vielen Musikern und eine Rednerbühne die Straße blockierten. Das ganze Dorf schien an der Feier beteiligt zu sein und auch im einfachen Lokal war die Hölle los. Wir waren die einzigen Weißen und quetschten uns mit an einen Tisch. Die Nudelsuppe mit Gemüse und Rindfleisch kam und als wir auch die Hände beim Hauptgericht zur Hilfe nahmen war das Eis gebrochen. Länger blieben wir allerdings nicht und wollten eine Abkürzung über einen Hügel nehmen. Erst fanden wir die Straße nicht und dann wurde sie schlammiger je höher wir kamen. An einer Stelle mit ein paar dürren Kiefern an einer steilen Böschung zur Rechten war die Steigung für Pancho zu arg und wir fingen an zuerst zur Seite und dann nach hinten zu rutschen. Oh was war das für ein lustiger Tag. Nun schmierten wir knapp mit der Fahrerkabine an den Bäumen vorbei und gleichzeitig versuchte ich das linke Hinterrad nicht in den tiefen Matsch abdriften zu lassen. Simone krallte sich in die Beifahrertür, als ob diese ein Schließproblem hätte. Irgendwie schafften wir die 10 Meter ohne festzusitzen, oder einen Baum zu schrammen. Noch ein paar Meter im Rückwärtsgang und ich konnte wenden. Manche Tage...
Zurück nach Yanama, durch enge Gassen und auf der anderen Seite wieder auf eine Rumpelpiste. Selbst die „Hauptroute“ war seifig, in miserablen Zustand und wenn sie wenigstens gut geschottert gewesen wäre, hätten wir noch ein paar Kilometer an diesem Tag geschafft. Aber nein, kleine Erdrutsche und viel Erde mit Löchern in denen Schweine hätten suhlen können, dazu bergab und einspurig in Serpentinen ein Flusstal entgegen. Wir erzitterten bei jedem Schlag und kamen kaum über 15 kmh hinaus. Grausam!
Mit Erreichen des Flusses wurde die Straße etwas besser. Schotter, breit genug und die Löcher wurden weniger. Vor einem Dorf bleiben wir einfach auf dieser Straße stehen. Wir trauten unseren Batterien nicht so recht und wollten uns nicht ins Abseits manövrieren, indem wir einen tollen Platz fern der Straße suchten. Die Stelle war breit genug, wir waren gut sichtbar und die Batterien zeigten zur Straße. Ich säuberte anschließend die Kontakte der Batterien (bekam natürlich wieder ordentlich eine Gewischt), überprüfte deren Füllstand und die Voltzahl. Beide lagen bei über 12 Volt.






Klack, klack, klack...
Wieder nichts. Die Überprüfung der Batterie ergab 10,4 Volt; tja wir hatten eine fehlerhafte Batterie. Wir warteten auf Verkehr und die ersten beiden alten Karren konnten uns nicht helfen. Dann kam ein Pick up von einem Bautrupp und der legte kurz zwei dicke Stahlseile an seine Batterie und schon schnurrte Pancho wie wir es gewohnt waren. In dem kleinen Bergdorf Chacas, welches nicht nur hübsch sein sollte, sondern auf dieser Seite der Cordillera einer der größten Orte war, waren wir nach 90 Minuten Fahrt. Wir fanden sogleich einen Schrauber, der uns verkündete diese großen Batterien gäbe es in Chacas nicht. Dafür befestigte er unseren linken Seitenschutz nach meinen Wünschen, der sich schon seit den USA immer wieder lockerte. Zwei Löcher wurden gebohrt, zwei lange Schrauben quer durch Schutz und Halterung gejagt und fertig. Der Schutz kommt nie wieder runter.
Pancho sprang nach den 30 Minuten problemlos an, aber wir wussten natürlich nach einigen Stunden würden wir kein Lebenszeichen aus unserem Gefährt bekommen. Wurscht, wir wollten das Dörfchen anschauen und parkten nur 300 Meter nach dem Mechaniker an einer Straßengabelung. Die Batterien zeigten gut zugänglich zur Straße und wir machten uns keine Sorgen, dass wir am Morgen eventuell keine Hilfe bekämen. Auch etwas was man auf so einer Reise lernt.
Chacas war schön, Chacas war beschaulich und hatte gutes und günstiges Essen zu bieten. Während wir aßen wunderten wir uns über 300 Indigenas, die vor der einzigen Bank warteten. Sie saßen in alle 4 Richtungen auf dem Bordstein und schwätzten, strickten und handelten. Ganze 2 Plätze rückten sie während unserem Mittagsmahl auf... sie sitzen wahrscheinlich heute noch, denn am nächsten Morgen sah es so aus wie jetzt. Kein Unterschied war zu erkennen.





Brötchen holen (Leute vor der Bank bewundern) und dann Autos anhalten. Jeder der hielt hatte kein Starterset, wir übrigens auch nicht wie wir zu unserer Schande gestehen müssen. Ich lief zum Mechaniker zurück der weder Kabel noch Metall hatte. Also zu einem anderen, der mir seine Kabel auslieh. Bis ich zurück war schnurrte Pancho bereits, der andere Mechaniker kam mit Batterie und Kabel (???) zu Simone gelaufen und half ihr. Toll, konnte es endlich los gehen.
Auf 4.736 Meter ging es hoch. Unsere zweite Überquerung der Cordillera Blanca bei wunderbarem Wetter brachte uns endlich die weiße Bergwelt näher. Die Straße über den Olympic Pass war beidseitig in perfektem Zustand und so konnten wir uns beide aufs schauen konzentrieren. Die Serpentinen fand Pancho allein. Wir fuhren auf die weißen Bergspitzen zu, kamen an Lagunen mit Wildblumen vorbei. Dann der Pass, der inzwischen per Tunnel sehr einfach passierbar war. Wir fuhren in das pechschwarze Loch, welches sich für fast 1,4 km als Röhre fortsetzte. Schnurgerade. Nach der Hälfte das winzige helle Löchlein, welches sich stetig vergrößerte. Die letzten paar Meter im Tunnel und es traf uns wie ein Hammer. Direkt vor uns, eingerahmt in der Tunnelöffnung, lag der Gipfel des Huascarán Sur. Kaum flogen wir aus den Tunnel hinaus, eröffnete sich der Blick auch auf den Nordgipfel, der um wenige Meter höher ist. 6.768 Meter geballtes Eis und wir 2 km unterhalb und durch ein Tal vom Berg getrennt. Was war das beeindruckend! Die Laguna 69 lag nur wenige Meter hinter dem Bergkamm zu unseren Rechten, wo wir vor 2 Tagen nicht mal den Abgrund neben uns haben sehen können. Und nun dieses Traumwetter.
Wir brauchten wegen den vielen Fotostopps ewig bis wir die Passstraße hinter uns hatten. Am Ende ging es durch das Tal weiter nach unten und diesmal ließ sich der Wärter am Eingang zum Nationalpark nicht übertölpeln. Er bestand auf 3 Euro pro Nase, schließlich hätten wir doch sicherlich ein Bild geknipst, oder? Recht hatte er und wert war es das allemal. Erst als wir am Huascarán vorbei und schon fast auf der Hauptachse entlang der Bergkette waren, erkannten wir die wahren Dimensionen dieses Berges. Von oben war er hoch und breit, mit viel Gestein in der Mitte. Jetzt von der anderen Seite sahen wir nur einen riesigen in der Sonne glitzernden Eispanzer. Da war kein Gestein mehr, das Eis ging weit nach unten und war viele Kilometer breit. Wir sollten es in einigen Tagen wieder erleben, als wir die Weiße Bergkette gen Süden verließen. Aus der Fahrerkabine zurückblickend reihten sich Gipfel an Gipfel, weiß an weiß, aber dazwischen lag ein Buckel welcher höher, breiter und riesiger als alle anderen, gefühlt zusammengenommen, war. Der Huascarán dominierte das Landschaftsbild!
Zurück auf die Straße, zurück in den Alltag. Alltag in Perus Anden bedeutete wir reißen im letzten Dorf (Shilla), bevor wir die Hauptstraße erreicht hätten, die einzige Straßendecke auf und sperren diesen Weg zwischen 13 und 17 Uhr. Wie gut dass es 13.12 Uhr war und Pancho keine 4 Stunden warten wollte. Wir waren etwas genervt und fragten nach einer Alternative. Die gab es in Form von Feldwegen, entlang des majestätischen Gletschers. Ca. 20 km sagte man uns, aber wir sollten lieber warten. Pah, warten. Wir drehten und rumpelten über Erdwege, versprengten dabei Schafe und sahen verwirrte Gesichter. Auf Landkarten eingezeichneten Wegen folgen kann jeder, wir gaben uns der Königsdisziplin hin. Solange die Nase nach unten und Norden zeigte waren wir richtig. So unsere Einschätzung und siehe da wir kamen an wo wir hin wollten.
Bis nach Caraz waren es dann noch 30 km und wir fällten schon vorher den Entschluss dorthin zurückzukehren. Wir mochten das Umfeld, kannten einen guten Campingplatz und wussten von einer exzellenten Bosch-Werkstatt. Genau die steuerten wir an.
Am späten Nachmittag fuhren wir in die Halle und hatten Chef sowie Chefmechaniker beide zugegen. Perfekt, der eine holte Informationen zu Batterien ein (gab es nämlich auch nicht in Caraz) und der andere hing gleich sein Handwerk nach. Flickte ein Loch im Drucksystem, wechselte die Keilriemen (ließ auch neue besorgen) und schraubte ein paar Dinge fest. Inzwischen kam der Chef mit der Info, dass die Batterien die er empfehlen würde einen Hauch größer wären als unsere alten, in Lima auf Lager seien und 170 Euro pro Stück kosten würden. Wir könnten in der Werkstatt nächtigen, Internet, Strom, WC und Wasser haben. Und interessiert? Na gut wegen dem WC sagten wir dann zu .
















Um kurz vor 9 kam Leben ans Rolltor. Der Chefmechaniker kam auf seinem Motordreirad (gab es überall in Peru) und der Chef 40 Minuten später. Sie wunderten sich wo die beiden Batterien blieben und fanden heraus, dass sie seit 8 Uhr an einer anderen Stelle in Caraz lagen. Also wurden sie geholt und schon konnte der Wechsel beginnen. Als alles fertig war schenkten wir dem Chefmechaniker unsere alten beiden Batterien, der sich wie ein Kind darüber freute. Er wuchtete sie sofort auf sein Mobil und war für 5 Minuten verschwunden. Er sagte wir sollen dem Chef nichts sagen, also taten wir ihm grinsend den Gefallen. Der war eh nicht da und deshalb liefen wir 2 Blocks weiter auf den altbekannten Markt und zwei Seitenstraßen weiter zum Bä..... ach ihr kennt das ja schon.
Als der Chef dann kam, meinte der Chefmechaniker er habe fast nichts gemacht. Ging alles ganz schnell. Nun gut für den Chef reichte dies und er berechnete uns die Batterien, Keilriemen und 8 Euro für die Arbeitszeit. Ob dies ok für uns sei? Abgesehen davon, dass wir die halbe Nacht im Internet waren, Pancho am Stromkreis hing, wir Wasser auffüllten und das WC nutzten, hätten wir ihn eher fragen müssen ob dies für ihn ok wäre. Wir schüttelten die Hände und der Deal war besiegelt. Nach einer herzlichen Verabschiedung vom Chefmechaniker besorgten wir uns bei einem Ersatzteilhändler ein Starterkabelset und ein neues Abschleppseil für bis zu 5 Tonnen. Reicht nicht um uns selbst zu helfen, aber nun brauchen wir nicht mehr mit Seilen herumhantieren, um ein Auto in Not zu helfen.
Und dann ging es zu Jaime auf den Campground und wen trafen wir dort an? Sandra und Timo im weißen T3 Volkswagen. Waren nicht weit gekommen! Also parkten wir und läuteten die Siesta ein. Diese ging bis in die Nacht, die mit einem gemeinsamen Abendessen und Pisco Sour abgerundet wurde.

Solche Campingplätze sind teuflisch. Erst schläft man aus, frühstückt zusammen, spült gemeinsam ab und philosophiert welche Route welche Vorzüge hätte. Dann fällt einem ein ohh wir brauchen noch dies und jenes, welches einen kurzen Spaziergang zum nächsten Laden (Markt) bedeutet. Dann könnte man ja noch ne Kleinigkeit essen, vielleicht anschließend heiß duschen, welches nasse Handtücher nach sich zieht. Während die in der Sonne trocknen brüht jemand eine Kanne schwarzen Kaffee auf und dann fragt der/die Erste: Wollen wir heute wirklich noch weiter? Wollte noch skypen/T-Shirt auswaschen/joggen/etwas reparieren/Bilder hochladen/etwas tippen/putzen oder vielleicht bin ich einfach zu lustlos alles zusammenzuräumen. Und dann kommt die Ansage: Ach lass uns doch noch nen Tag hierbleiben, welches wie ein Lauffeuer die Runde macht. Also wenn die noch dableiben können wir doch auch noch ne Nacht hierbleiben. Ist doch sooo schön hier.
Campingplätze, hat man sich erst eingerichtet, lassen sie einen nicht mehr weg. Vorsicht Leute!!!
Obwohl es schon 15 Uhr war sprengten wir den teuflischen Zirkel. Wir packten, zahlten und verabschiedeten uns. Pancho sprang an als könne er das nutzlose herumstehen nicht länger ertragen und brachte uns durch Huaraz weiter an der Cordillera Blanca nach Süden. Später fanden wir in Gräsern neben den Hauptfluss einen Platz, wobei wir schon wieder 1.000 Höhenmeter zugelegt hatten.

Der dritte Pass stand auf unserem Programm. Ähnlich wie zuvor wand sich die Straße (guter Asphalt) auf fast 5.000 Meter empor. Landschaftlich präsentierte sich diese kostenfreie Strecke aber ganz anders. Wir sahen kaum weiße Gipfel, dafür ein breites Gebirgstal mit zwei Lagunen. Kümmerliche Vegetation säumte unseren Weg. Am Pass angekommen mussten wir warten, da die gegenüberliegende Seite eine einzige Baustelle war. Stündlicher Wechsel bedeutete dies für die Autofahrer und wir hatten Glück, mussten nur noch 5 Minuten warten bis unsere Seite für eine Stunde freie Fahrt hatte. Durch den Tunnel und diesmal hatten wir keinen Berg in Sicht. Dafür ein Schild „Selfiepoint“ vor einer Christusstatue die über der Straße wachte. Niemand hielt an und jeder bretterte die staubige Schotterpiste hinab. Ein wildes Wettrennen wurde veranstaltet und Pancho schlug sich in der Kategorie Lastwagen nicht schlecht. So ging es bis nach Chavín de Huántar. Einmal durchs 3.000 Seelen-Dorf (richtig groß für die Bergregion) und direkt bis vor die Tore zu den Ruinen von Chavín. Diese Anlage wurde von einer der ältesten Zivilisationen des Kontinents errichtet. Schon um 1200 v. Chr. wurden hier Tunnelsysteme, Wasserwege, Steinschnitzereien, Tempelpyramiden und Plätze angelegt. Wir waren fast alleine in der bedeutsamen, wenn auch für uns nicht umwerfenden Ruinenanlage.
Der Rest verlief wie immer. Plätzchen suchen, durchs Dorf bummeln, ein spätes Mittagessen (man war das lecker) einnehmen, dem Dorfbäcker unsere Aufwartung machen (was hatte die Dame für leckere Kekse! - bekamen noch zwei Brötchen zum probieren), Bananen und Brokkoli kaufen (Mandarinen geschenkt bekommen, weil wir Weiße waren) und bei der Hühnerdame eine Brust bestellt (kam dann mit Haut und Knochen und ich durfte sie später auslösen). Alles wie immer, alles wie wir es lieben!
Übrigens unser Plätzchen für die Nacht fanden wir direkt neben zwei Eseln, die die Polizeiwache umgrasten . Da konnte doch nichts mehr schief gehen.








Aus dem Polizeibüro,
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