Donnerstag, 2. Juli 2015

Auf dem Trans Labrador Highway


@ Flo: Hey Flo, wir wünschen dir alles alles Liebe zum Geburtstag. Tag genau feiert ganz Kanada mit dir am Canada Day. Happy fireworks!

Die Fähre war genommen und nach 90 Minuten konnten wir in Blanc-Sablon wieder ans Festland aufsetzen.
Die ersten Eisberge trieben im Hafenbereich, ein eisiger Wind pfiff übers Meer und schnell wurde aus T-Shirt eine dünne Daunenjacke. Anfang März? Nein, am 30 Mai 2015, bei 4°C.


Wo Neufundland schon weit, rau und kalt war, setzte Labrador noch eins oben darauf. Labrador ist fast 3 mal so groß wie Neufundland, wohingegen die Bevölkerung bei nur ca. 6% von der von Neufundland liegt.
Selbst die USS Enterprise würde 2 Lichtjahre benötigen, um die unendlichen Weiten die nie ein Mensch zuvor gesehen hat zu erkunden (Kartenlink).
 
Um Labrador auf dem Landweg zu bereisen bleiben nicht viele Optionen. Es besteht genau eine, der Trans Labrador Highway mit etwa 1.150 Kilometer Länge. Ein paar kürzere Abstecher zur Küste bestehen, aber die Inuit Siedlungen im Norden sind nur per Boot oder Flugzeug zu erreichen. Der Highway durchschneidet, wie angedeutet, unendlich weite Wälder inmitten gebirgigen Terrains. Schwarzfichten so weit das Auge reicht und Seen um jede Biegung. Okay Biegungen gibt es manchmal nicht allzu viele auf dem Highway, aber Seen gibt es in Hülle und Fülle.
Entlang des Highways, der übrigens nur noch auf 472 km nicht asphaltiert ist, liegen 3 Städte. Dann noch eine Stadt abseits am Meer, ein paar Fischerdörfer im Süden wo wir ankamen und dann hat es sich. Feierabend mit urbanen Gepflogenheiten.

Wir haben im Vorfeld natürlich nachgelesen auf was wir uns einlassen wollen, aber in Labrador unterwegs zu sein, ist dann doch etwas völlig anderes.

Um dies zu verstehen wollen wir einen Vergleich zu Deutschland ziehen.
70.000 Quadratkilometer größer und Labrador wäre so groß wie Deutschland (also Deutschland ohne Bayern). Angefangen im Süden Deutschlands könnte man 170 km von Passau nach Rosenheim auf Asphalt fahren, in unserem Fall war die Hälfte der Strecke im Nebel. Zu Beginn konnten wir max. 50 Meter weit sehen. Dann kommt eine Strecke von Rosenheim nach Frankfurt/Main (452 km) auf Schotterstraße und davon sind 410 Kilometer ohne weitere Tankmöglichkeit. Breit genug, dass 2 Autos nebeneinander Platz haben, aber ohne sonstige Begrenzung. Man sollte nicht eindösen, sonst ist einem der nächste Baum gewiss.
Man passiert den nordöstlichsten Punkt auf amerikanischen Festland St. Lewis mit beeindruckenden Eisbergen in der Bucht, fährt weiter und gelangt per Hinweisschild in eine andere Zeitzone und sieht die ersten drei Schwarzbären. Geil gell, all dies in Deutschland...
Endlich sieht man das Ortsschild von Frankfurt und verlässt nach ca. 8 Stunden Fahrt das permanente Geholper. Die Hände und Arme schlackern etwas und die Waden haben Muskeln aufgebaut, wir sahen 4 Autos bzw. Trucks uns entgegen kommen und sind endlich froh in Frankfurt angekommen zu sein. Uppps Frankfurt hat gerade einmal 7.500 Einwohner und heißt, mein Favorit, Happy Valley-Goose Bay.









Leider sind wir nicht bis in die Stadt gekommen, da uns Hans-Peter Blum, natürlich wer auch sonst, aus dem Verkehr zog. Er lebt seit über 20 Jahren in Happy Valley-Goose Bay und ist bei der Verkehrswacht tätig. Wir sind nicht zum wiegen in die vorgesehene Parkbucht eingebogen (es heißt „commerical trucks“ und wir sind ja definitiv privat unterwegs, müssen aber trotzdem herausfahren wie wir jetzt wissen) und mussten umdrehen und haben dann eine einstündige kostenlose Überprüfung von Pancho bekommen. Haben viel erzählt und Hans-Peter hatte noch ein paar Tipps auf Lager. Kamen ohne Bußgeld davon und konnten dann in die größte Stadt Labradors einrollen! Größte Stadt! 7.500 Einwohner! Jeder von euch kennt Gemeinden dieser Größe und jetzt stellt euch vor, dies ist die größte Gemeinde auf einer Fläche fast so groß wie Deutschland. Ich kann es immer noch nicht...
Neben dem Stadtnamen, den Tankstellen und einem Versorgungszentrum war das beste das 10 minütige CBC Interview, das wir auf einem Parkplatz gaben. Inzwischen ist der Beitrag online erschienen und wir bekamen jede Menge Zuspruch und Einladungen aus ganz Kanada. Sehr bemerkenswert diese Bevölkerung. Eine Einladung haben wir inzwischen angenommen und haben es nicht bereut (später in einem anderen Blog).



Kleiner Einschub über unsere Begegnung mit unserem 3ten Bären. Es war der größte und ist wie die anderen zuvor an der Straße entlang marschiert. Er wollte gerade in den Wald abbiegen und überlegte es sich doch noch einmal anders und schwenkte zu uns. In 200 Metern Entfernung, kein großes Ding. Er läuft und läuft, ich sitze auf dem Fahrersitz und knipse, knipse durchs geöffnete Fenster. Irgendwann hat er uns dann gewittert und weg war er. Nee denkste, er muss was Leckeres in Pancho gerochen haben, denn er kam ohne viele Umwege frontal auf uns zu. Irgendwann war er an der Fahrerseite direkt unterhalb des Fensters und das war der Zeitpunkt als ich dann das Fenster hoch kurbelte und ein bisschen Schiss bekam. Einen halben Meter hinter dem Fahrerhaus ist er dann auf seine Hintertatzen und schleckte und schnüffelte an Panchos Außenhaut. Er probierte auch ein paar der Kabel und da war dann endgültig Schluss. Ich startete Pancho und er ist mit einem Satz ein paar Meter davon. Leider habe ich keine Bilder von der Begegnung der besonderen Art, als er aufrecht an Pancho lehnte, aber mir raste das Herz und ich hatte zu viel Respekt als mich aus dem Fenster zu lehnen um ihn aus ein paar Zentimetern Entfernung zu fotografieren. Wir waren fasziniert und den restlichen Tag höchst euphorisch .

 






Zurück auf der Straße und es sind nur 300 Kilometer bis zur nächsten Stadt Churchill Falls (ohne Tanke dazwischen). Um in unserem Bild zu bleiben, wir fahren weiter von Frankfurt auf einer einspurigen, gut befahrbaren Straße bis nach Hildesheim. Alles was wir trafen war ein Schwarzbär und weitere 4 Autos auf der Gegenfahrbahn. Abwechslung ist anders. Dafür schlug das Wetter Kapriolen. Wir hatten von Sonne, Regen, Wolken und Schneetreiben mit Sonne alles im Programm. Jedoch wechselte die Landschaft nicht, ein paar Moorflächen bevor die nächste Stunde mit unendlicher Waldfläche anfing. Tja und was gibt es in Hildesheim? Eines der weltgrößten unterirdischen Wasserkraftwerke und den dazugehörigen Reihenhäusern der Angestellten. Gleichzeitig die viertgrößte Stadt Labradors mit 700 Einwohner. Also in Deutschland, als ob man im nächsten Dorf ankommt und sich freuen darf ein paar Gesichter und einen Lebensmittelladen zu sehen. Dazwischen nichts und eigentlich war auch das Kaff nichts.



Dann nur noch 250 Kilometer mehr auf dem Trans Labrador Highway und man landet in Labrador City, ohne dass sich die Fahrt und das Umfeld änderten. Auf unserer Deutschlandreise stehen wir vor Neumünster und nur noch 100 km vor Flensburg. Aber Neumünster hat auch nur 7.400 Einwohner und nicht mehr als das nötigste zu bieten. Allerdings gibt es jede Menge Werkstätten und wir hatten einen kurzen Stopp, um mit Fachleuten über Panchos Ölverbrauch zu reden. Wir dachten wir verbrauchten zu viel, aber es wurde kein Leck gefunden und es scheint alles bestens zu sein.
Nach dieser anstrengenden Fahrt für Mensch und Maschine freuten wir uns auf die letzten 600 Kilometer durch Quèbec bis nach Baie-Comeau am Sankt Lorenz Strom (inzwischen sind wir im guten alten Mannheim und sitzen bei einem kühlen Hefe in der Eichbaumbrauerei). 160 Kilometer Schotter, 2 Tankstellen (darunter die teuerste die wir bis dato fanden) und in eine weitere Zeitzone gewechselt. Inzwischen sind wir 6 Stunden „hinter“ Deutschland. Landschaftlich grandios, da viel über Anstiege und Talfahrten, waren die letzten ca. 350 Kilometer, die sehr an den Cabot Trail auf Cape-Breton Island erinnerten. Ohne Meerblick versteht sich und mit bis zu 18% Steigung/Gefälle. Auf der Fahrt passiert man 4 Wasserkraftwerke (Manic 5, höchste Pfeilerstaumauer der Welt), aber keine Ortschaften. Ein paar Autos sahen wir, aber man möchte auf dieser heutigen beschriebenen Route keine Panne haben. Ca. 1.800 gefahrene Kilometer und wir passierten 3 Kleinstädte plus ein paar Fischereihäfen.




Viele denken das ist Abenteuer und Wildnis pur, aber mit „nur“ noch 600 Kilometer Schotter (Berlin - Stuttgart) und sonst nichts als Wälder, ist dies sicherlich Wildnis und Einsamkeit pur, aber abenteuerlich wird es wahrscheinlich erst richtig, wenn man einen Motorschaden unterwegs hat.
Tja auf eurer Reise von Passau mit Umwegen bis nach Mannheim habt ihr in 5 Tagen alle wichtigen Ortschaften mit ca. 55% der Gesamtbevölkerung Deutschlands bereist. Gratulation.

Passend zu unseren heutigen Ausgabe ein paar Zeilen über Temperatur & Klima in Kanada.
Kommentar 3: Die Temperaturen bis heute dem 1 Juli kamen nicht über 27 Grad hinaus, auch wenn wir wissen, dass es a) viel wärmer werden kann und b) dies mit 42 Grad soeben in Vancouver der Fall ist. Wenn es warm ist, ist es meist eine angenehme trockene Hitze. Ein Tag war bisher etwas schwül, aber nichts Ernstes. Allerdings soll es in den Sommermonaten auch in Ontario, also im Großraum Torontos und um den Großen Seen äußerst schwülwarm werden können.
Entweder entziehen wir uns dem Regen rechtzeitig, oder es regnet in den Sommermonaten nicht so viel. Wir lasen, dass in einigen Provinzen im Frühjahr mit viel Niederschlag zu rechnen ist, aber bis auf Quèbec hat es wenn, fast nur nachts geregnet.
Die Wintermonate sind das Problem, bzw. die Sommermonate sind einfach zu kurz. Ab Ende September ist der Indian Summer vorbei und die kalten Tage halten Einzug. Kalt im Winter heißt: Am Atlantik und an den Großen Seen gibt es 3 bis 5 Meter Schnee (die letzten beiden Winter waren mit über 5 Meter Schnee mancherorts Rekord). In den großen Prärien im Zentrum Kanadas und den nördlichen Provinzen hat es bis zu -50°C, selbst in Ontario und Quèbec sind -40°C in der Nacht keine Seltenheit. In Quèbec City wurde letztes Silvester aus heißen Gläsern Bier zum Feuerwerk getrunken; -41°C. Ab April, spätestens Anfang Mai sollte der letzte Schnee/Eis geschmolzen sein. Wir hatten dieses Jahr etwas Pech, nach diesem Rekordwinter .
Eisberge kann man in Labrador und Neufundland bis Ende Juni antreffen und vereist waren selbst Ende Mai noch einige Seen in Labrador.
Der Westen soll anders sein. Vancouver am Pazifik hat einen sehr milden Winter, einen warmen Sommer, sehr wenig Schnee, aber dafür jede Menge Regentagen. Wer mit 3-4 Tagen Regen in der Woche nicht leben kann, darf nicht nach Vancouver ziehen.
So schön die warmen Monate in Kanada sind, so ungemütlich stelle ich mir die 6 Monate Winter vor.

In der kommenden Ausgabe etwas über „on the road“, oder der Fahrweise und die Besonderheiten auf Kanadas Straßen. Wie immer, wer möchte kann uns gerne Fragen senden.
 
Zivilisation wir kommen,
Stefan und Simone